Gesetzentwurf sieht höhere Freibeträge für enge Verwandte vor
Die bisherige Erbschaftsteuerregelung in Deutschland ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht im November 2006 entschieden. Weil Erben von Geldvermögen bisher mehr Erbschaftsteuer zahlen müssen als Erben von Häusern oder Grundstücken, muss der Gesetzgeber das Erbschaftsteuergesetz bis Ende des Jahres neu regeln. Über einen entsprechenden Entwurf der Bundesregierung entscheidet der Bundestag am Freitag, dem 17. Oktober 2008.
Künftig soll grundsätzlich nur Erbschaftsteuer bezahlen, wer ein außergewöhnlich hohes Vermögen erbt oder nur entfernt bzw. gar nicht verwandt ist. Dies will die Bundesregierung sicherstellen, indem sie die persönlichen Freibeträge für bestimmte Gruppen deutlich erhöht: So sollen Kinder ein Vermögen von 400 000 Euro nunmehr steuerfrei von ihren Eltern erben oder geschenkt bekommen können. Das ist beinahe doppelt soviel wie bisher. Die persönlichen Freibeträge für Erben und Beschenkte sollen auf 500 000 Euro für Ehegatten und Lebenspartner, für Kinder auf 400 000 Euro und für Enkel auf 200 000 Euro erhöht werden. Zudem sieht der Gesetzentwurf Verbesserungen für Lebenspartner vor: Sie sollen künftig im Erbschaftsteuerrecht ähnlich wie Ehegatten behandelt werden.
Dieser Begünstigung naher Verwandter steht eine höhere Besteuerung entfernter Verwandter und nicht verwandter Personen gegenüber.
Im Gesetzentwurf vorgesehen ist auch, dass Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben künftig nach Verkehrswert bewertet und versteuert werden. Zugleich soll die Bewertung von privat genutztem Wohneigentum sowie von Betriebsgrundstücken ansteigen. Für die Unternehmensnachfolge, vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, soll eine Übergabe an die nächste Generation weitgehend steuerfrei bleiben. Bedingung: Die Arbeitsplätze im Betrieb müssen über zehn Jahre mehrheitlich erhalten bleiben und der Betrieb über 15 Jahre fortgeführt werden. Pauschal werden 85 Prozent des Betriebsvermögens verschont, während die restlichen 15 Prozent nach Abzug eines Freibetrags von maximal 150 000 Euro immer besteuert werden.
Die Opposition bewertet den Entwurf der Bundesregierung kritisch. Sie hat eigene Anträge vorgelegt, über die der Bundestag am Freitag ebenfalls entscheidet. So fordert die FDP den Gesetzentwurf zurückzuziehen (16/7765). Er enthalte nicht die in der Koalitionsvereinbarung angekündigten Steuererleichterungen für Unternehmen, sondern führe zum Teil zu massiven Steuererhöhungen, vor allem für Erben oder Übernehmer von mittelständischen Personengesellschaften.
DIE LINKE. will sich für eine "sozial gerechte Reform der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung" stark machen. In ihrem Antrag (16/3348) verlangt die Fraktion unter anderem eine Gleichbehandlung aller der Steuer zugrunde liegenden Vermögensvorteile, was eine realistische Bewertung aller Vermögensarten voraussetze. Vor allem beim Grund und Boden und beim Betriebsvermögen müsse die Wertermittlung korrigiert werden. Ferner schlägt DIE LINKE. vor, die drei Steuerklassen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht zu einer Steuerklasse zusammenzufassen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen in ihrem Antrag (16/8185) Eckpunkte für eine "gerechte Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer" zur Abstimmung vor. Sie fordern, ein Erbschaftsteuermodell vorzulegen, das ein "deutlich ergiebigeres Erbschaftsteueraufkommen" erbringt. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit sei die verstärkte Besteuerung großer Vermögen im Erbschaft- und Schenkungsfall zugunsten verstärkter Bildungsfinanzierung nachwachsender Generationen "sozial gerecht und notwendig".
Notwendig wurde die Änderung des Erbschaftssteuerrechts durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006. Die Verfassungsrichter sahen im geltenden Erbschaftssteuergesetz einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 1), da einheitliche Steuersätze auf unterschiedlich bewertete Vermögensgegenstände angewandt würden. Es forderte den Gesetzgeber auf, Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes in Einklang zu bringen.
Zurzeit nehmen die Länder aus der Erbschaftsteuer rund vier Milliarden Euro jährlich ein.