Serie: Debatten im Deutschen Bundestag
Rund 31.000 Reden wurden im vergangenen Jahrzehnt im Plenum des Deutschen Bundestages gehalten. Einige Debatten waren besonders kontrovers - wie jene über den Bundeswehreinsatz im Kosovo oder die Agenda 2010. Ein kleiner Streifzug durch die bedeutendsten Entscheidungen und Dispute der jüngsten Zeit...
Als am Neujahrstag 2002 die ersten Euromünzen ausgegeben wurden, hatte Deutschland bereits eine jahrelange, öffentliche Diskussion über die Einführung der neuen europäischen Gemeinschaftswährung hinter sich. Zahlreiche Ökonomen hatten vor dem Euro gewarnt, weite Teile Bevölkerung lehnten ihn ab und wollten lieber die Deutsche Mark behalten. Viele befüchteten die Einführung einer „Weichwährung" und kritisierten die Beitrittskriterien für die Mitgliedstaaten der Währungsunion als zu lax.
Dennoch: Die große Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages stimmte in namentlicher Abstimmung am 23. April 1998 für die Einführung des Euro. Lediglich 35 Abgeordnete votierten mit Nein: Darunter alle sechs Angehörigen der PDS-Gruppe, drei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, vier der SPD-Fraktion sowie ein Mitglied der FDP. Außerdem gab es fünf Enthaltungen.
Die vorhergehende Debatte dauerte fast sieben Stunden. Hier prallten die Meinungen von Koalition und Opposition über die Ausgestaltung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion heftig aufeinander.
Der erste Redner, der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, verteidigte die Entscheidung über die Euroeinführung als „zweifellos die wichtigste in dieser Legislaturperiode“. Die gemeinsame europäische Währung sei eine „Notwendigkeit im Zeichen der Globalisierung und zunehmender Standortkonkurrenz“, betonte er. Den Kritikern der Konvergenzkriterien hielt Waigel entgegen: „Der Eintritt in die Währungsunion mit den vorgeschlagenen elf Mitgliedstaaten ist stabilitätspolitisch vertretbar. Mehr noch: Es ist der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.“
Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hob einen anderen Aspekt hervor: Es handele sich hierbei „nicht nur um eine währungspolitische Entscheidung“, sondern um eine, die in die „historische Dimension der europäischen Einigung“ gehöre. Deshalb dürfe sich der Bundestag, so der Politiker, bei der Entscheidung kein ausweichendes "Nicht jetzt" und "Nicht so" erlauben. „Jetzt hieße es, klar ja oder nein zu sagen“, so Genscher.
Ein deutliches "Nein“ kam von Gregor Gysi: Die Voraussetzungen für eine Wirtschafts- und Währungsunion seien „falsch“, erklärte der damalige Vorsitzende der PDS-Gruppe im Bundestag. Die Integration Europas lasse sich nicht über gemeinsame Banken schaffen, die EU würde so ein „Europa für Rüstungs- und Exportkonzerne“, aber keines für kleine und mittelständische Unternehmen, Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Um eine wirkliche Integration zu schaffen, müssten auch die Steuern harmonisiert, Löhne und Preise sowie auch soziale, ökologische und juristische Standards angeglichen werden, forderte Gysi.
Zu Tumult kam es im Plenum, als Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ans Rednerpult trat: Die PDS-Abgeordneten stellten Schilder mit der Aufschrift „Euro - nein danke!“ vor sich auf die Tische, die von Saaldienern entfernt werden mussten. Kohl zeigte sich von diesem Protest unbeeindruckt: Die Euroeinführung sei ein „Jahrhundertereignis“, betonte der Bundeskanzler. Die Ängste der Menschen vor einer neuen Währung verstehe er, doch der Euro sei „kein Husarenstück“. Kaum eine Entscheidung sei so intensiv diskutiert worden wie die über die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, so der CDU-Politiker. Es habe einen fast siebenjährigen Vorbereitungsprozess gegeben. Dem Volk werde, so Kohl, nichts „übergestülpt, was es nicht wolle“.
An dieser Darstellung jedoch zweifelte Gerhard Schröder (SPD): Der Euro habe ein „Legitimationsproblem“, sagte der damalige niedersächsischen Ministerpräsident und Bundesratspräsident. Die Gründe, die für die Einführung des Euro sprächen, würden von der schwarz-gelben Regierungskoalition schlecht vermittelt. Allein die Geldpolitik in Europa zu koordinieren, reiche zudem nicht aus, um dem Euro zum Erfolg zu verhelfen. Damit die EU „mehr Einfluss auf die Spielregeln der Weltwirtschaft“ nehmen könne, müssten die Chancen der gemeinschaftlichen Währung konsequent genutzt werden. Vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, gehöre „in den Mittelpunkt europäischer Politik“, forderte Schröder.
Joschka Fischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) bezeichnete es als einen „Ausdruck von Reife“, wenn die Mehrheit der Deutschen reserviert sei "gegenüber einer ökonomischen Souveränitätsübertragung auf die europäische Ebene, ohne dass zuvor eine Demokratisierung stattgefunden“ habe. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende erinnerte jedoch auch daran, dass die Einbindung Deutschlands in die „Interessen der Europäische Union auch in Zukunft die Vorrausetzung des Erfolges jeder demokratischer Politik in Deutschland“ sei. Der Euro sei vor diesem Hintergrund vor allem ein „politisches Projekt“.