Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses (Teil II)
Durchaus unterschiedlich waren die Meinungen von
Sachverständigen, die am Mittwoch, dem 23. April 2008, zu
einer zweiten Anhörung zur Novellierung der Insolvenzordnung
geladen worden waren. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob
Lizenzen einen Sonderstatus erhalten sollen. Die Regierung
verspricht sich davon eine Stärkung des Wirtschafts- und
Forschungsstandortes Deutschland. Nur so könne verhindert
werden, dass deutsche Unternehmen in das Ausland abwandern. Die
Regelung ist Teil eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung (
16/7416).
Professor Heribert Hirte von der
Universität Hamburg, begrüßte die vorgeschlagene
Regelung. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass der
Insolvenzverwalter die weitere Realisierung eines Lizenzvertrages
verweigere, sobald ein Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Lizenzgebers eröffnet würde. Diese
bisherigen Risiken hätten dazu geführt, dass
beispielsweise Software-, Pharma- oder BioTech-Unternehmen ihren
Firmensitz ins Ausland verlegt hätten. Der
Sachverständige schlug jedoch eine Reihe von
Änderungsvorschlägen vor. Er wies beispielsweise darauf
hin, dass der Begriff "geistiges Eigentum" näher
erläutert werden sollte.
Auch Rechtsanwalt Rainer
Bausch aus Ingelheim am Rhein bezeichnete die von der
Bundesregierung vorgeschlagene Änderung der Insolvenzordnung
im Hinblick auf Schuldner als Lizenzgeber als "dringend notwendig".
Sie sei "gut für unseren Standort im internationalen
Vergleich" und berücksichtige angemessen die Interessen der
verschiedenen Seiten. Die Pharmaindustrie sei aufgrund ihrer sehr
hohen und weiterhin steigenden Investitionen in Forschung und
Entwicklung von der Neuregelung besonders betroffen, so Bausch. Der
Sachverständige wies darauf hin, dass die Entwicklung eines
neuen Medikaments im Durchschnitt zehn bis zwölf Jahre dauere
und 800 Millionen Euro koste.
Professor Winfried Bullinger, Rechtsanwalt aus
Berlin, meinte ebenfalls, das Ziel der Insolvenzrechtsreform,
Lizenzverträge "insolvenzfest" auszugestalten, sei richtig.
Die gegenwärtige rechtliche Situation führe zu
Ungerechtigkeiten im Insolvenzfall und hemme
Lizenzgeschäfte.
Ganz anderer Meinung war der Rechtsanwalt Rolf Leithaus aus Köln: Die geplante Einfügung eines neuen Passus in die Insolvenzordnung stelle einen Eingriff in den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger dar. Dass die Insolvenz eines Vertragspartners negative und sogar existenzbedrohende Folgewirkungen auf die anderen Partner habe, liege in der Natur der Sache. Eine Besserstellung von Rechten von Lizenznehmern im Verhältnis zu sonstigen Vertragspartnern sei nicht zu rechtfertigen.
Frank Frind, Richter am Amtsgericht Hamburg,
sah dies genauso: Die vorgesehene Regelung schaffe unnötige
Sonderrechte für einzelne Gläubiger. Sie öffne so
die "Büchse der Pandora".
Professor Wolfgang Marotzke von der Universität Tübingen stimmte dem zu. Vor dem Hintergrund, dass die Insolvenz eines Unternehmens für den Inhaber wie für Gläubiger eine "Katastrophe" sei, verstehe es sich nahezu von selbst, dass oberstes Prinzip des Insolvenzrechts die Gleichbehandlung aller Gläubiger sein müsse.
Klaus Pannen, Rechtsanwalt aus Hamburg, bezeichnete die vorgeschlagene Regelung als "problematisch". Es sei kein Grund ersichtlich, eine Sonderregelung nur für Lizenzverträge zu schaffen.