Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Massive Investitionen in die Infrastruktur und besonders in das Schienennetz im Zuge der anstehenden Bahnreform haben mehrere Sachverständige am Montag, dem 26. Mai 2008, zum Auftakt einer Anhörung des Verkehrsausschusses gefordert.
Der Anhörung lagen Anträge von CDU/CSU und SPD (
16/9070), der FDP (
16/8774) sowie der Grünen (
16/8046 und
16/9071) zugrunde.
So plädierte Günter Elste als
Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)
dafür, den der Bundeskasse zugedachten Teil der Erlöse
aus der von der Bundesregierung geplanten Privatisierung von 24,9
Prozent der Verkehrs- und Logistiksparte (VuL) direkt in ein
zusätzliches Innovations- und Investitionsprogramm für
den Infrastrukturbereich fließen zu lassen. Dieses soll
vollständig im Eigentum des Bundes bleiben.
Professor Christian Böttger von der
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin rief den
Bundestag auf, einen parlamentarischen Einfluss auf die Entwicklung
der Bahn-Infrastruktur sicherzustellen. Böttger kritisierte,
dass die Deutsche Bahn nach dem jetzigen Konzept weiterhin Anreize
habe, Strecken stillzulegen.
Die meisten Sachverständigen werteten die geplante Reform
trotz Kritik im Detail und mancher Verbesserungsvorschläge im
Grundsatz als positiv. Professor Kay Mitusch (TU
Berlin), sprach von einem "Schritt nach vorn".
Elste forderte einen "diskriminierungsfreien
Zugang" zum Schienennetz für alle Verkehrsanbieter. Mehr
Wettbewerb, so der VDV-Präsident, werde zu steigenden
Fahrgastzahlen führen, was auch im Sinne des Klimaschutzes
sei.
Christian Böttger warnte
vor zu hohen Erwartungen an die erhofften Erlöse aus dem
Teilverkauf der VuL-Sparten, da werde "sehr sportlich gerechnet".
Wichtiger als die einmaligen Einnahmen sind aus Sicht
Mituschs' die von der Privatisierung ausgehenden
Impulse für eine stärkere Ausrichtung der Bahn hin zu
mehr Wirtschaftlichkeit und Kostensenkung. Die Befürchtungen,
private Investoren könnten den Staat "melken", seien vom
Tisch, da der Bund Eigentümer der Bahn-Infrastruktur bleibe.
Mitusch warb dafür, bei der Privatisierung "echte Aktien" und
"keine stimmrechtslosen Volksaktien" zu verkaufen.
Lothar Krauß, Vorsitzender der
Gewerkschaft Transnet, nannte das Reformkonzept eine "solide
Grundlage" für die Hauptforderungen seiner Organisation,
wonach die Deutsche Bahn als verzahntes Unternehmen gestaltet
werden müsse, ein konzerninterner Arbeitsmarkt geschaffen
werden müsse und auf diesem Wege die
Beschäftigungssicherung zu gewährleisten sei. Wenn es in
einer Sparte zu Freisetzungen komme, so Krauß, müssten
die Betroffenen in anderen Bereichen des Unternehmens rasch auf
einen neuen Arbeitsplatz wechseln können. Das Problem
Erwerbslosigkeit dürfe "gar nicht erst entstehen". Notwendig
sei deshalb für die Zeit nach der Privatisierung ein
einheitliches Arbeitsrecht im gesamten Konzern. Für
Krauß ist der von Transnet mit der Deutschen Bahn
abgeschlossene Tarifvertrag geeignet, ein solches Modell
abzusichern.
Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokführer, kritisierte diesen Beschäftigungssicherungsvertrag indes als "weiße Salbe". So werde der im Zuge der Privatisierung zu befürchtende Arbeitsplatzabbau nicht verhindert. Der Rationalisierungsdruck werde stärker, auch werde die Bahn ihr Angebot weiter reduzieren. Seine Gewerkschaft werde sich gegen diese Entwicklung wappnen, so Weselsky, es werde "erhebliche Spannungen" geben. Professor Mitusch sagte, der Infrastrukturbereich der Bahn dürfe nicht zum "unbeschränkten Auffangbecken" für Freisetzungen in den VuL-Sparten werden.