Öffentliche Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses
Der 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages befasste sich am Donnerstag, dem 5. Juni 2008, ein weiteres Mal mit dem Fall Abdel Halim Khafagy.
Die Leitung des Kanzleramts sei nicht über die
rechtsstaatswidrigen Haftbedingungen des Ende September 2001 von
US-Militärs in Sarajewo verhafteten Deutsch-Ägypters
Abdel Halim Khafagy unterrichtet gewesen: Dies erklärte am
Donnerstag, dem 5. Juni 2008, Ernst Uhrlau, damals
Geheimdienstkoordinator in der Regierungszentrale, zum Auftakt
seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss.
Laut dem heutigen BND-Präsidenten wurde in den
vom seinerzeitigen Kanzleramtschef Frank-Walter
Steinmeier geleiteten Sicherheitslagen von der Spitze des
Bundeskriminalamts (BKA)
auch nicht zur Sprache gebracht, dass es wegen der inakzeptablen
Umstände der Gefangenschaft im US-Lager Eagle Base in Tuzla zwei nach Bosnien
entsandte BKA-Beamte abgelehnt hatten, den in München
ansässigen 69-Jährigen zu befragen. Schon im Oktober 2001
über die Haftbedingungen Khafagys informiert gewesen zu sein,
"schließe ich aus", so der Zeuge. Er habe damals auch nicht
die schweren Verletzungen vermuten können, die der
Ägypter bei seiner Verhaftung erlitt. Uhrlau
sagte, erst im Herbst 2006 im Zuge der Recherchen des
Untersuchungsausschusses von diesen Vorkommnissen Kenntnis erhalten
zu haben. Khafagy war irrtümlich unter Terrorverdacht geraten
und in Bosnien Misshandlungen ausgesetzt, unter anderem fanden sich
Blutspuren an seinen Unterlagen. Er wurde nach Kairo ausgeliefert
und konnte dann nach München zurückkehren.
Uhrlau erklärte, die Verhaftungsaktion in
Sarajewo sei zwar in der Sicherheitslage besprochen worden. Doch
habe sich schon nach wenigen Tagen herausgestellt, dass es sich bei
dem Begleiter Khafagys nicht um das zunächst vermutete
hochrangige El-Kaida-Mitglied gehandelt habe. Auch sei es dem BKA
nicht gelungen, einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung
des Münchners zu erwirken. Danach, so der Zeuge, sei diese
Angelegenheit für das Kanzleramt abgehakt gewesen. Es gebe
keine Anhaltspunkte, dass Angehörige der Bundeswehr in die
Festnahme Khafagys involviert gewesen seien. Dessen Fall sei nicht
mit den "Renditions" zu
vergleichen, also dem rechtswidrigen Kidnapping von
Terrorverdächtigen.
Widersprüchliche Aussagen
"Wir waren wohl auf unterschiedlichen Veranstaltungen": Mit
diesen Worten widersprach Uhrlau Aussagen, die
sein einstiger Stellvertreter Konrad Wenckebach
vergangenen Donnerstag vor dem Ausschuss gemacht hatte. Unter
Verweis auf das vorläufige Vernehmungsprotokoll jener Sitzung
konfrontierten Oppositionsabgeordnete Uhrlau mit Wenckebachs
Erklärung, dass die rechtsstaatswidrigen Haftbedingungen
Khafagys in der Sicherheitslage behandelt worden seien und das
Vorgehen der US-Militärs Erstaunen hervorgerufen habe. "Hatte
Wenckebach Halluzinationen?", fragte Hans-Christian
Ströbele (Grüne). "Nach bestem Wissen und
Gewissen" betonte Uhrlau, von der BKA-Spitze seien die
Misshandlungen des Ägypters nicht thematisiert worden. Ein vom
BKA für dessen Präsidenten erstellter interner
"Sprechzettel", in dem die problematischen Haftbedingungen als
Begründung für die Ablehnung einer Befragung Khafagys
durch die zwei Beamten erläutert wurden, sei in der
Sicherheitslage auch nicht verteilt worden. Vielleicht habe
Wenckebach "zeitliche Zusammenhänge verschwimmen lassen",
kommentierte Uhrlau dessen
Aussagen.SPD-Obmann Michael Hartmann sagte, die im
Protokoll wiedergegebenen Äußerungen von Uhrlaus
ehemaligem Stellvertreter seien widersprüchlich.
Erstaunt über Wenckebachs Aussagen vorige Woche zeigte sich auch Hans-Josef Vorbeck. Der Ende 2001 im Kanzleramt als Leiter der Terrorismus-Abteilung tätige Zeuge erklärte, er könne sich nicht daran erinnern, gegenüber Wenckebach davon gesprochen zu haben, Khafagy sei in Bosnien gefoltert worden. Eine solche Äußerung soll Vorbeck, so von Oppositionsabgeordneten zitierte Passagen aus dem Protokoll jener Sitzung, gegenüber Wenckebach gemacht haben. Seiner Erinnerung nach, so Vorbeck, sei er damals über Khafagys Haftbedingungen gar nicht unterrichtet gewesen. Über dessen Misshandlungen sei er erst 2006 über Medienberichte informiert worden.