Der Vorsitzende des Kultur- und Medienausschusses Hans-Joachim Otto (FDP) im Interview mit "Das Parlament"
Herr Otto, wann haben Sie sich zum letzten Mal so richtig über das Fernsehprogramm geärgert?
Am vorletzten Sonntag über die Talkshow „Anne Will“, als die ARD – mal wieder – sehr schlecht recherchiert hat und mit falschen Zahlen ein hohes Lied auf den rot-roten Senat in Berlin gesungen hat.
Die Öffentlich-Rechtlichen stehen in der Diskussion um den neuen Rundfunkstaatsvertrag öfter in der Kritik ihrer Partei. Kommen ARD und ZDF der Verpflichtung auf qualitativ hochwertige Sendungen in den Bereichen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung denn nicht mehr nach?
Ich glaube, die Öffentlich-Rechtlichen sind momentan dabei, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen. Wir haben den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt mit jährlich rund 7,5 Milliarden Euro Gebühren. Dieses Privileg setzt voraus, dass Leistungen erbracht werden, die sich von den privat finanzierten Angeboten substanziell qualitativ unterscheiden. Dies sehe ich aber nicht durchgängig – im Gegenteil: Ich sehe all zu oft eine Imitation der privaten Programme durch die Öffentlich-Rechtlichen.
Sind die Rundfunkgebühren mit monatlich 17,98 Euro zu hoch?
Solange die Öffentlich-Rechtlichen ihren spezifischen Auftrag ständig missachten, dürfen sie sich nicht wundern, dass die Akzeptanz der Gebühren weiter abnimmt. Zudem wird die Gebühreneinzugszentrale von den meisten Bürgern als lästige Schnüffelbehörde empfunden. Das einzig konsequente Gegenmodell ist eine Medienabgabe: Jeder Bürger mit eigenem Einkommen zahlt eine Gebühr, die – so hat es der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages errechnet – bei rund 10 Euro monatlich läge. Mit dieser Gebühr wäre alles abgegolten - Radio, Fernsehen und Internet.
Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen kam auch von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er monierte die mangelnde Übertragung von Parlamentsdebatten und kündigte an, dies notfalls mit einem eigenen Parlamentskanal zu übernehmen. Teilen Sie diese Kritik?
Ich teile die Kritik, dass zu wenig aus dem Bundestag berichtet wird und dass die Berichterstattung zu regierungsorientiert ist. Über die Opposition wird vergleichsweise zu wenig berichtet. Ich glaube aber, dass wir dieses Problem nicht durch einen eigenen Parlamentskanal lösen. Dies würde die Tendenz zur Verspartung der Programme verstärken. Falls der Bundestag in ein Spezialprogramm verschoben wird, dann würde dies nur als Vorwand dienen, um in den Hauptprogrammen noch weniger über das Parlament zu berichten. Erfreulicherweise hatte dabei der Vorstoß von Herrn Lammert – auch wenn ich ihn in der Sache nicht teile – durchaus eine positive Wirkung auf die Programmverantwortlichen der ARD, des ZDF und bei Phönix. Dafür ist dem Bundestagspräsidenten zu danken.
Sie spielen damit auf die Ankündigung von Phönix an, nach der Sommerpause möglichst alle Plenardebatten live zu übertragen und zu berichten. Dies soll in einer Testphase bis Ende 2009 geschehen. Dann soll eine Auswertung erfolgen, sprich: man wird sich die Einschaltquoten genau anschauen...
Die Quote darf nicht das alleinige Kriterium sein. Die Öffentlich-Rechtlichen erhalten ja deshalb ihre Gebühren, damit sie unabhängig von der Quote ihr Programm machen können. Ich bin auch sicher, dass, wenn in den Hauptprogrammen mehr über den Bundestag berichtet und den Zuschauern damit seine Bedeutung verdeutlicht wird, auch die Quoten der Live-Übertragungen steigen werden.
Einen der größten Streitpunkte um den Rundfunkstaatsvertrag bilden die Online-Angebote von ARD und ZDF. Die FDP will diese begrenzen. Warum eigentlich?
Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ist die Sicherung von Qualität und Vielfalt. Wenn sie aber gestützt auf ihre Gebühren kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Internet verdrängen, dann ist genau das Gegenteil zu befürchten. Ich spreche den Öffentlich-Rechtlichen nicht ab, ihre TV-Programme auch über das Internet zu verbreiten. Und sie dürfen auch sendungsbezogene Inhalte einstellen. Ich wehre mich allerdings dagegen, wenn ARD und ZDF den Privaten, die keine Gebühren beziehen, einen unfairen Verdrängungswettbewerb liefern.
Was heißt „sendungsbezogen“ in der Praxis? Ist es noch sendungsbezogen, wenn ARD und ZDF nicht nur „Tagesschau“ und „heute“ über Internet ausstrahlen, sondern auch weitere textbasierte Informationen zur Verfügung stellen?
Ich halte das für zulässig, wenn die zusätzlichen Informationen auch wirklich einen konkreten Bezug zu einem Sendebeitrag haben. Für problematisch halte ich es aber, wenn etwa „tagesschau.de“ Informationen über Sachverhalte liefert, die nicht in der „Tagesschau“ thematisiert wurden.
Das Durchschnittsalter des TV-Publikums von ARD und ZDF liegt bei 60 Jahren. Und das Internet löst bei den Jugendlichen das Fernsehen zunehmend als Informationsmedium ab. Haben die Öffentlich-Rechtlichen vor diesem Hintergrund nicht den gleichen Auftrag im Internet, wie er für den Rundfunk definiert ist?
Diese These wäre nur dann richtig, wenn alle Fernsehzuschauer durchschnittlich 60 Jahre alt wären. Andere Sender haben ein wesentlich jüngeres Publikum. Man muss sauber trennen zwischen den Verbreitungswegen, Rundfunk und Internet, und den Inhalten. Es ist ein Irrglauben, wenn die Öffentlich-Rechtlichen meinen, sie müssten jetzt alles im Internet machen, um die Jugendlichen wieder als Publikum zu gewinnen. Sie sollten sich eher fragen, ob ihre Programme nicht anders präsentiert werden müssen.
ARD und ZDF dürfen derzeit 0,75 Prozent der Gebühren für den Online-Bereich ausgeben. Ist das zuviel?
Ich will klare inhaltliche Begrenzungen, was die Öffentlich-Rechtlichen im Internet dürfen und was sie nicht dürfen. Diese Zahlen sind nicht aussagekräftig. In die 0,75 Prozent sind die allgemeinen Redaktionskosten sowieso nicht einberechnet.
Die Inhalte sollen zukünftig in einem Drei-Stufen-Test auf ihren gesellschaftlichen Mehrwert überprüft werden. ARD und ZDF wollen diesen Test in die Hände ihrer Aufsichtsgremien legen. Die Liberalen hingegen fordern ein externes Gremium. An wen denken Sie denn dabei?
Es gibt renommierte Wissenschaftler, die ihre Kompetenz auf diesem Gebiet nachgewiesen haben. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass die Sender sich selbst prüfen, auf die Schulter klopfen und erklären, ihre Inhalte hätten einen gesellschaftlichen Mehrwert. Die Misserfolge der Öffentlich-Rechtlichen hängen auch damit zusammen, dass es keine wirksamen Aufsichtstrukturen gibt und sie im eigenen Saft schmoren. Ich will auch nicht nur den Drei-Stufen-Test, sondern generell die Aufsicht über die Öffentlich-Rechtlichen an eine externe und unabhängige Instanz übergeben, wie dies in Großbritannien mit der Ofcom geschehen ist.
Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein hält dagegen, ARD und ZDF würden schon durch die EU-Kommission überwacht, die die Begrenzung im Online-Bereich eingefordert hat...
Es ist doch ein Armutszeugnis, dass ständig die EU-Kommission Deutschland darauf hinweisen muss, was notwendig ist, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Es ist auch ein Armutszeugnis, dass Medienpolitik in erster Linie durch das Bundesverfassungsgericht gestaltet wird. Rundfunkpolitik findet praktisch nur noch in den Hinterzimmern der Staatskanzleien statt. Diese handeln Rundfunkstaatsverträge aus und die Landesparlamente können sie dann nur noch abnicken. Ich appelliere an alle Medienpolitiker in den Landtagen und im Bundestag, ihre Verantwortung stärker zu erkennen und die Initiative gegenüber den Bürokraten zu ergreifen.
Das Interview führte Alexander Weinlein