BKA soll umfangreiche Befugnisse erhalten
Online-Durchsuchungen, Videoüberwachung von Wohnungen und das Abhören von Telefonen: All das soll dem Bundeskriminalamt (BKA) in Zukunft möglich sein. Am Freitag, dem 17. Oktober 2008, entscheidet der Bundestag über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“.
Grundlegendste Neuerung: Verabschieden die Abgeordneten die Neufassung des BKA-Gesetzes (16/9588), wird das BKA künftig in Deutschland die zentrale, selbständige Ermittlungsbehörde im Bereich der Terrorabwehr sein. Bislang waren in erster Linie die Landeskriminalämter für die Strafverfolgung zuständig, das BKA konnte nur im Einzelfall, per Auftrag durch den Generalbundesanwalt, eingreifen. Vor allem präventives Handeln, also die Verhinderung von Straftaten, gehörte nicht zu den Aufgaben des BKA.
Das soll sich nun ändern: Im Zuge der Föderalismusreform wurde gesetzlich vereinbart, Zuständigkeiten bei der Bundesbehörde zu bündeln. Nun sollen sie mit der BKA-Novelle ausgestaltet werden. Bei Verdacht auf mögliche Terroraktivitäten sollen die Fahnder künftig umfangreich verdeckt ermitteln dürfen. Damit schaffe die Regierung die „erforderlichen Befugnisse“ für das BKA im „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“, begründete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Gesetzesinitiative.
Laut Gesetzentwurf darf das BKA zur "Abwehr einer dringenden Gefahr", also präventiv, Wohnungen akustisch und optisch überwachen. Voraussetzung für ein solches Ausspähen ist jedoch eine richterliche Anordnung. Koalitionsintern umstritten ist dabei, dass auch Wohnungen Unverdächtiger beobachtet werden können, in denen ein Verdächtiger verkehrt. "Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden", heißt es im geplanten Gesetz. Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, sieht hier Nachbesserungsbedarf. Seiner Meinung nach dürfte eine unverdächtige Wohnung nur dann observiert werden, wenn dies zwingend zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.
Die Befugnis zur Wohnraumüberwachung orientiert sich an der bestehenden Polizeigesetzgebung auf Länderebene, wo die Ermittler der Landeskriminalämter schon heute ähnliche Befugnisse haben. Für BKA-Fahnder sind sie allerdings neu.
Dies gilt ebenfalls für die Überwachung von Telekommunikation. Zur Gefahrenabwehr soll dem BKA nun neben der klassischen Telefonüberwachung (TKÜ) die „Quellen-Telekommunikations-Überwachung“ (Quellen-TKÜ), also die Observierung von Internetkommunikation etwa über „Voice over IP“, möglich sein. Dazu muss, ähnlich der Online-Überwachung, eine Spionagesoftware auf den Rechner aufgespielt werden. Diese übermittelt die zum Beispiel in das Mikrophon eingegebenen Daten bevor sie (in verschlüsselter Form) gesendet werden. Maßnahmen zur Quellen-TKÜ können nur von einem Staatsanwalt beantragt und von Gerichten angeordnet werden. Solche Telefonate dürfen dann ohne das Wissen des Betroffenen abgehört und aufgezeichnet werden. Diese Maßnahme ist auf drei Monate begrenzt und darf noch einmal verlängert werden.
Auch die umstrittene Online-Durchsuchung von Privatcomputern soll laut Gesetzentwurf künftig erlaubt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür in einem Grundsatzurteil vom 27. Februar 2008 jedoch enge Grenzen vorgegeben. Nur bei einer konkreten Gefahr und bei schwersten Straftaten dürfen die Ermittler danach mit Genehmigung eines Richters heimlich in einen Computer eindringen. Eine Manipulation der Rechner vor Ort soll den Fahndern nicht erlaubt werden, wie von der CDU gefordert. Die technischen Voraussetzungen für die Überwachung dürfen nur über Datenleitungen geschaffen werden, etwa über die heimliche Online-Installation einer entsprechenden Software. Trotz dieser Einschränkung hat die SPD weitere Bedenken angemeldet: Als Problematisch empfinden viele Abgeordnete, dass die Regierung dem BKA selbst überlassen will, wann Daten als privat eingestuft werden. Aus Sicht der SPD-Fraktion müsse ein Datenschutzbeauftragter oder Richter hinzugezogen werden.
Zu den neuen Befugnissen des BKA sollen darüber hinaus auch die präventive Rasterfahndung und die Einschleusung von V-Leuten gehören.
Nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett Anfang Juni sprach der Parlamentarische Geschäftsführer von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Volker Beck, von „einer Umwandlung des BKA in ein deutsches FBI“ und einem "schwarzen Tag für die Bürgerrechte". Auch die FDP-Abgeordnete Gisela Piltz warnte: „Das BKA wird zur Super-Spitzel-Behörde ausgebaut.“ Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE., Wolfgang Neskovic, empörte sich über einen „weiteren Tabubruch in der Nachkriegsgeschichte der deutschen Sicherheitsbehörden“. Mit dem Gesetzentwurf werde das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten „eklatant“ verletzt. Bundesinnenminister Schäuble wies diese Kritik jedoch zurück: Der Gesetzentwurf sei „sorgfältig erarbeitet“ worden und entspreche allen verfassungsrechtlichen Vorgaben.