Öffentliche Sitzung des Gesundheitsausschusses
Die gesundheitliche Prävention soll nach überwiegender Expertenmeinung auf eine breitere Finanzierungsbasis gestellt werden. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen machten sich in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Montag, dem 23. Juni 2008, dafür stark, dass sich an der Finanzierung auch die öffentliche Hand beteiligt.
Bei der Prävention handele es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht allein von den Sozialversicherungsträgern übernommen werden könne, sagte Bernd Metzinger, Gesundheitswissenschaftler beim IKK-Bundesverband in Berlin. Es müsse zudem überlegt werden, wie die Industrie beteiligt werden könne.
Auch der Experte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Gert Nachtigal, plädierte für eine Finanzierung aus Steuermitteln. Ausgenommen seien Bereiche, in denen sich Leistungen auf sozialversicherte Arbeitnehmer beschränkten, etwa bei der Unfallprävention durch Arbeitsschutz, bei der die Berufsgenossenschaften in der Pflicht stünden.
Der Sachverständige des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Knut Lambertin, betonte, die gesetzliche Krankenversicherung allein sei mit der Finanzierung überfordert. Alle Sicherungssysteme müssten beteiligt werden. Dem widersprach die Bundesagentur für Arbeit, die ihre vorrangige Aufgabe in der Arbeitsvermittlung sieht.
Der Anhörung lagen Anträge der Oppositionsfraktionen zugrunde, die alle ein Präventionsgesetz zum Ziel haben. Aus Sicht der Liberalen ist Prävention als aktive Gesundheitsvorsorge primär eine individuelle Herausforderung, wie aus ihrem Antrag ( 16/8751) hervorgeht. Es sei aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bedeutung der Prävention und Gesundheitsförderung zur Vermeidung, Heilung und Linderung von vielen Erkrankungen zu verdeutlichen. Die Finanzierung dürfe deshalb nicht allein auf die Kranken- bzw. Sozialversicherung zentriert werden.
Die Linksfraktion verlangt in ihrem Antrag ( 16/7471), Gesundheitsförderung und Prävention sollten zur ersten Säule der Gesundheitssicherung ausgebaut werden. Die Abgeordneten fordern, eine Koordinierungs- und Entscheidungsstelle auf Bundesebene zu schaffen, die organisatorisch an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angebunden wird und über eigene finanzielle Mittel im Rahmen eines Fonds verfügt. Zum Start seien aus dem Bundeshaushalt in den nächsten vier Jahren jeweils eine Milliarde Euro an den Fonds zu überweisen.
Die Grünen setzen sich in ihrem Antrag ( 16/7284) dafür ein, dass sich an der Finanzierung einer gesamtgesellschaftlichen Primärprävention und deren Qualitätsentwicklung Bund, Länder und Kommunen sowie alle Sozialversicherungszweige und die private Kranken- und Pflegeversicherung beteiligen. Im Rahmen des Präventionsgesetzes sollen in der Startphase jährlich 500 Millionen Euro verausgabt werden. Streit gibt es beim Thema Prävention weiterhin in der Frage der künftigen Organisation.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen wandten sich gegen den Aufbau neuer Strukturen, etwa der diskutierten Präventionsräte auf Bundes- und Landesebene. Eine bessere Koordination erfordere "nicht ein völlig neues System" und eine "neue Bürokratie", sagte Metzinger. Vielmehr sollte auf Vorhandenes gesetzt werden. Die nationale Koordination könnten etwa die Deutsche Vereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung übernehmen.
Die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, Ulrike von Haldenwang, gab dagegen zu Bedenken, dass derzeit viele Ressourcen in der Prävention "verschleudert" würden, da die Vernetzung insbesondere auf der lokalen Ebene fehle.
Raimund Geene, Professor für Kindergesundheit an der Hochschule Magdeburg/Stendal, betonte, die bisherige Koordination sei "allen Beschwichtigungsversuchen zum Trotz absolut unzulänglich".