Abgeordnete im Sommerinterview
Sommerpause im Bundestag - Zeit für das bundestag.de-Sommerinterview. Langjährige Abgeordnete aller Fraktionen berichten an dieser Stelle über ihre Erfahrungen im Parlament. Heute: Johannes Pflug (SPD). Der 62-Jährige ist Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe.
Herr Pflug, warum haben Sie sich 1998 entschieden, für den
Bundestag zu kandidieren?
Die Außenpolitik war schon immer meine Leidenschaft. Ich war vorher lange im Landtag von Nordrhein-Westfalen, habe dort Wissenschafts- und Forschungspolitik sowie die Verwaltungsmodernisierung vorangetrieben. Nach 18 Jahren will man dann was anderes machen. Ich hätte in die Wirtschaft gehen und in einer guten Positition bei einem lokalen Energieversorger gutes Geld verdienen können - oder aber mir den Wunsch erfüllen, doch noch Außenpolitik zu machen.
Was war das für ein Gefühl, als Sie das erste Mal
als Abgeordneter im Bundestag saßen?
Ich hatte ja schon als Landtagsabgeordneter viel gesehen und auch einmal anderthalb Jahre für einen Bundestagsabgeordneten gearbeitet. Aber es ist schon ein sehr erhebendes Gefühl, zu wissen, dass man nun die Bevölkerung in seinem Wahlkreis vertritt und auch die Menschen bundesweit.
Wovon handelte Ihre erste Rede?
Die habe ich schätzungsweise zwei Monate nach der Konstituierung des Bundestages gehalten, irgendwann Ende 1998, zur Außenpolitik. Den genauen Inhalt kenne ich nicht mehr, es hatte aber entweder etwas mit Russland oder mit Asien zu tun.
Welche Plenarsitzung war für Sie die bedeutendste und
warum?
Die Wahl von Gerhard Schröder zum Bundeskanzler war natürlich enorm wichtig. Wir hatten es geschafft als Sozialdemokraten, darauf waren wir sehr stolz. Nach 16 Jahren Helmut Kohl hatten wir endlich wieder einen sozialdemokratischen Bundeskanzler. Wichtig waren für mich aber auch die Sitzungen, in denen wir über die Agenda 2010 abzustimmen hatten. Da hatten wir nur knappe Mehrheiten. Und natürlich die Debatten über Afghanistan. Auch die Abstimmungen, in denen kein Fraktionszwang herrschte, wie die Verabschiedung des ersten Stammzellgesetzes, haben mich beeindruckt.
Es heißt oft, die wichtigen Entscheidungen
würden hinter den Kulissen fallen. Wie viel Zeit verbringen
Sie in Arbeitsgruppen, Fraktionssitzungen und ähnlichem, im
Verhältnis zu Ihrer Zeit im Plenarsaal?
Ich gebe ganz ehrlich zu, die wichtigen Sitzungen sind die in den Arbeitsgruppen und der Fraktion. Im Plenarsaal gibt es natürlich wichtige Momente, in denen der Saal auch sehr gut gefüllt ist. Aber ansonsten ist es natürlich so, dass dort das debattiert wird, was man schon vorher in Ausschüssen und Arbeitsgruppen besprochen hat. Wenn ich ein Verhältnis setzen müsste, dann würde ich sagen, dass ich ein Viertel meiner Zeit im Plenarsaal verbringe. Allerdings treffe ich mich auch häufig mit Vertretern von Organisationen wie der Stiftung Wissenschaft und Politik, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik oder der Körber-Stiftung.
Gibt es etwas, woran Sie sich auch nach zehn Jahren
Bundestag nicht gewöhnt haben?
Ich gewöhne mich nur schwer an Argumentationen bei manchen Rednern, bei denen ganz offensichtlich nur die Fraktions- oder Mehrheitsmeinung begründet wird und der Redner gar nicht selbst dahinter steht.
Das Gespräch führte Sandra Ketterer.