Am Freitag, 3. Juli 2009, beann für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die parlamentarische Sommerpause. Zuvor, am 1. Juli, traten bereits eine Reihe von gesetzlichen Regelungen in Kraft, die auf Beschlüsse des Bundestages zurückgehen. So stiegen die Renten, während die gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge sanken. Bei Neuwagen entscheidet künftig vor allem der Ausstoß von Kohlendioxid über die Höhe der Kfz-Steuer. Im Grundgesetz ist jetzt eine Schuldenbremse verankert.
Meister-BAföG: Am 12. Februar 2009 hat der Bundestag
das Ausbildungsförderungsgesetz geändert und damit das so
genannte "Meister-BAföG" reformiert. Das "Meister-BAföG"
unterstützt die Erweiterung und den Ausbau beruflicher
Qualifizierung. Es soll den Fachkräftenachwuchs besser zur
Weiterbildung motivieren und über einen Teilerlass der
Darlehensschuld für potenzielle Existenzgründer einen
Anreiz bieten, nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung den
Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und
Arbeitsplätze zu schaffen. Künftig können auch
Altenpflegekräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher
gefördert werden. Außerdem sind höhere Leistungen
für eine Aufstiegsfortbildung vorgesehen. Je nach
Familienstand, Kinderzahl und Einkommen variiert die Höhe der
Förderung sehr stark. Auch ist das Verhältnis von
Darlehen und Zuschuss von verschiedenen Faktoren abhängig,
ebenso die Förderung der Lehrgangsgebühren. So
erhält ein Alleinstehender ohne Kinder monatlich 675 Euro,
davon 229 Euro als Zuschuss. Bei der Berechnung hilft das
Bundesbildungsministerium unter
www.meister-bafoeg.info. Wer bereits selbst
eine Aufstiegsförderung finanziert hat oder anderweitig
gefördert wurde, kann nun ebenfalls
Meister-BAföG-Förderung beantragen, was bisher nicht
möglich war. Besondere Unterstützung erhalten
Fortbildungswillige mit Kindern. Der Erhöhungsbetrag pro Kind
steigt von 179 Euro auf 210 Euro pro Monat, wovon die Hälfte
als Zuschuss gezahlt wird und nicht mehr nur wie bisher als
Darlehen gewährt wird. Zugleich ist ein
Kinderbetreuungszuschlag von 113 Euro pro Kind und Monat als
Zuschuss für Alleinerziehende vorgesehen. Darüber hinaus
werden der Unterhaltsbeitrag und der Kinderbetreuungszuschlag auch
während der neu eingeführten
Prüfungsvorbereitungsphase für längstens drei Monate
als Darlehen gewährt.
EU-weit Höchstgehalte für Blei, Cadmium und
Quecksilber: Am 1. Juli mussten EU-weit mit Blei, Cadmium
oder Quecksilber belastete Nahrungsergänzungsmittel vom Markt
genommen werden (EU-Verordnung Nr. 629/2008).
Neuregelung der Kfz-Steuer: Bei Neuwagen entscheidet mit
der neuen Kraftfahrzeugsteuer vor allem der
Kohlendioxidausstoß über die Höhe der Steuer, nicht
mehr die Hubraumgröße. Die Umstellung gilt für alle
neu zugelassenen Neufahrzeuge.
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung: Die
gesetzliche Mindestabdeckung für Spareinlagen stieg bereits ab
dem 30. Juni 2009 auf 50.0900 Euro und steigt ab dem 31. Dezember
2010 auf 100.000 Euro. Bisher konnten Bankkunden privater
Kreditinstitute maximal Entschädigungsansprüche von
20.000 Euro geltend machen. Durch die Änderung des
Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes wird die
Auszahlungsfrist zudem auf höchstens 30 Tage verkürzt und
die Verlustbeteiligung des Einlegers in Höhe von zehn Prozent
abgeschafft.
Schuldenbremse ins Grundgesetz: Nach der neuen
Schuldenregel, die im Grundgesetz verankert wird, sollen Bund und
Länder ihre Haushalte künftig grundsätzlich ohne
neue Schulden führen. Die bisherigen Regelungen im Grundgesetz
haben nicht verhindert, dass die öffentliche Schuldenlast in
der Vergangenheit stark anstieg. Der Bund erfüllt die neue
Richtschnur, wenn er ab 2016 seine Neuverschuldung auf
höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
beschränkt. Die Länder dürfen von 2020 an in
wirtschaftlich normalen Zeiten keine neuen Schulden mehr aufnehmen.
Ausnahmen sind zulässig, etwa in Rezessionszeiten, bei
internationalen Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen.
Allerdings müssen die Länder die Schulden in Phasen des
wirtschaftlichen Aufschwungs zurückführen.
Änderung des Telekommunikationsgesetzes: Verbraucher
sollen besser vor so genannten "untergeschobenen" Verträgen
bei der Betreibervorauswahl (Preselection) geschützt werden.
Bisher war es möglich, dass die Betreibervorauswahl auf Zuruf
eines Dritten umgestellt wurde, ohne dass der Teilneher sich
hinreichend bewusst war, dies veranlasst zu haben, oder sogar ohne
dass er eine Umstellung gewünscht hat. Unseriöse Anbieter
nutzten dies häufig aus, um eine Umstellung zu veranlassen. Um
solche "untergeschobenen" Verträge zu unterbinden, müssen
die Teilnehmer die Umstellung der Betreibervorauswahl künftig
schriftlich erklären. Dies gilt auch für die Vollmacht
zur Abgabe dieser Erklärung. Außerdem bringt die
Gesetzesänderung mehr Transparenz in die Mobilfunktarife.
Genau angegeben werden müssen künftig die Preise für
Mobilfunk-Anrufe bei 0180-Nummern. Auch wird eine
Preis-Höchstgrenze eingeführt: Anrufe aus den
Mobilfunknetzen bei 0180-Nummern dürfen dann maximal 28 Cent
pro Minute oder 40 Cent pro Anruf kosten.
Ausbau der Höchstspannungsnetze: Das
Energieleitungsausbaugesetz beschleunigt die Planungs- und
Genehmigungsverfahren für 24 vordringliche Leitungsbauvorhaben
im Höchstspannungs-Übertragungsnetz
(380-Kilovolt-Leitungen). Dabei wird in Pilotprojekten die
Erdverkabelung von 380-Kilovolt-Leitungen getestet.
Schnelles Internet in ländlichen Regionen: Die
Verordnung zur Zuweisung von Funkfrequenzen für Breitbandnetze
gibt vor allem vom Rundfunk genutzte Frequenzbereiche zwischen 790
und 862 Megahertz frei, die dann Breitbandnetzen für das
schnelle Internet zur Verfügung stehen. Damit sollen
Internetnutzer auf dem Land via Funk bald problemlos und schnell
surfen können. Die Bundesnetzagentur kann noch 2009 die
Frequenzen vergeben.
Rentenerhöhung: Zum 1. Juli erhöhten sich die
gesetzlichen Renten in Westdeutschland um 2,41 Prozent und in
Ostdeutschland um 3,38 Prozent. Der Anstieg resultiert daraus, dass
die Löhne 2008 im Westen um rund 2,1 Prozent und im Osten um
rund 3,1 Prozent gestiegen sind. Dies ist der höchste
Rentenanstieg im Westen seit 1994 und im Osten seit 1997.
Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen bei
Kurzarbeit: Für Kurzarbeit ab dem 1. Januar 2009
werden ab dem siebten Kalendermonat des Bezugs von Kurzarbeitergeld
die Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag vollständig
von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. Für die
Berechnung des Sechsmonatszeitraums reicht es aus, dass im
Unternehmen oder in Unternehmensteilen kurzgearbeitet wurde, wobei
auch Zeiträume vor dem 1. Juli berücksichtigt werden. Ab
Juli 2009 ist daher eine volle Erstattung der
Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeit-Zeiten
möglich. Wird die Kurzarbeit unterbrochen, ist keine neue
Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Die
Bezugsfrist läuft dann ohne Unterbrechung für den
gesamten Bewilligungszeitraum weiter. Diese Änderungen sind
befristet bis Ende 2010.
Mehr Grundsicherung und Sozialhilfe: Empfänger von
Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung erhalten ab Juli höhere Regelleistungen. Die
Erhöhung orientiert sich an der Entwicklung der gesetzlichen
Renten. Der Eckregelsatz steigt von 351 auf 359 Euro. Neu
eingeführt wurde eine Sozialgeldstufe für Kinder von
sechs bis 13 Jahren. Künftig beträgt die Leistung 70
statt bislang 60 Prozent des Regelsatzes.
Berufskrankheiten-Verordnung: Damit werden die
Entschädigungsansprüche der Versicherten bei
Berufskrankheiten verbessert. In die Berufskrankheitenliste werden
fünf neue Krankheiten aufgenommen: Gonarthrose durch
Tätigkeiten im Knien nach einer Gesamteinwirkungsdauer von
mindestens 13.000 Stunden, Blutkrebs durch Benzol, Lungenkrebs
durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe nach Einwirkung
einer bestimmten Lebensdosis, Lungenfibrose durch extreme und
langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und
Schweißgasen sowie Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von
Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen
Kohlenwasserstoffen. Darüber hinaus wird die Berufskrankheit
"Bergmannbronchitis" rückwirkend anerkannt, auch wenn sie vor
dem 12. Januar 1993 eingetreten ist. Dadurch können
langjährig erkrankte Bergleute entschädigt werden.
Flexible Arbeitszeitregelungen: Die neuen
Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler
Arbeitszeitregelungen ("Flexi II") eröffnen die
Möglichkeit, Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung
Bund zu übertragen. Dadurch wird die Mitnahmemöglichkeit
von Wertguthaben verbessert, sie müssen bei Verlust des
Arbeitsplatzes nicht mehr aufgelöst werden. Niedrigere
Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung: Die zu
gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierten
Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung sinken zum
1. Juli um 0,6 Prozentpunkte. Der allgemeine Beitragssatz
beträgt dann 14 Prozent. Aus Sicht des Versicherten, der
zusätzlich 0,9 Prozentpunkte zahlen muss, liegt der
Beitragssatz ab Juli statt bei 15,5 Prozent bei 14,9 Prozent des
beitragspflichtigen Einkommens.
Neue Meldepflicht bei MRSA: Damit die
Gesundheitsämter frühzeitig über besonders schwere
Fälle von MRSA-Infektionen (Methicillin-resistenten
Staphylococcus aureus) informiert werden und schneller reagieren
können, müssen ab 1. Juli Nachweise des
Krankheitserregers MRSA aus Blut oder Hirnflüssigkeit von den
medizinischen Untersuchungslaboratorien an die
Gesundheitsämter gemeldet werden. Der Erreger verursacht vor
allem Lungenentzündungen, Wundinfektionen und
Blutvergiftungen.
Modernisierung des Bilanzrechts: Das Gesetz zur
Modernisierung des Bilanzrechts baut das Bilanzrecht des
Handelsgesetzbuches zu einem Regelwerk aus, das den internationalen
Rechnungslegungsstandards gleichwertig, zugleich aber
kostengünstiger und in der Praxis einfacher zu handhaben ist.
Die neuen Regeln müssen für Geschäftsjahre ab 2010
angewendet werden, die Anwendung für den Abschluss 2009 ist
freiwillig.