Der Bundestag beschloss am Donnerstag, 2. Juli 2009, den zweiten Nachtragshaushalt 2009 und den Einsatz von AWACS-Flugzeugen in Afghanistan. Am Freitag, 3. Juli, verabschiedete er das Gesetz gegen Steuerhinterziehung und das Bad-Bank-Gesetz. Bereits am Mittwoch setzte sich das Parlament mit dem Verfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag auseinander. Am Donnerstag gab Bundeskanzlerin Merkel eine Regierungserklärung zum G8-Wirtschaftsgipfel ab, es folgten Debatten zur Sportpolitik und zur Energieaußenpolitik. Der Bericht des BND-Untersuchungsausschusses wurde am Donnerstag, der Jahresbericht 2008 des Petitionsausschusses wird am Freitag beraten. Weitere Debatten am Freitag: Achtung der Grundrechte, Rentenpolitik, Bundeswahlgesetz und die Ansprüche von Anlegern bei Falschberatung. Aktuelle Stunden: am Mittwoch zur Kritik der Bundesbank an überhöhten Kreditzinsen deutscher Banken, am Donnerstag zur Haltung der Bundesregierung zu Meinungsverschiedenheiten in der CDU/CSU über Steuersenkungsvorhaben und deren Finanzierung.
Bekämpfung der Steuerhinterziehung: Ab 9 Uhr kommen die Abgeordneten zusammen, um über einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu beraten. Er sieht unter anderem stärkere Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen vor, die in anderen Staaten oder Gebieten Geschäfte machen, wenn diese die Standards der OECD über den Informationsaustausch in Steuersachen nicht einhalten. Der Gesetzentwurf ist wortgleich mit einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung ( 16/13106).
Achtung der Grundrechte: Im Anschluss befasst sich das
Parlament mit einer Großen Anfrage der FDP-Fraktion zum Thema
"Achtung der Grundrechte" (
16/7271) und der Antwort der Bundesregierung
auf diese Anfrage (
16/10469). Die Liberalen wollen unter anderem
wissen, ob die aktuelle Gefahrenbewertung der Bundesregierung
Auswirkungen auf ihr Grundrechtsverständnis hat und welche
Grundrechte durch welche Ereignisse und Entwicklungen der letzten
Jahre besonders bedroht sind. In ihrer Antwort schreibt die
Regierung, dass die neue Qualität der Bedrohung durch den
internationalen Terrorismus der vergangenen Jahre ein
verstärktes Sicherheitsbedürfnis geweckt habe. Die
Bürger erwarteten zu Recht, dass der Staat Maßnahmen
ergreife, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und
Anschläge zu verhindern. Die Bundesregierung sei sich ihrer
Verantwortung bewusst, die Balance zwischen innerer Sicherheit und
Freiheit zu wahren, wenn sie gesetzgeberische Maßnahmen zur
Reaktion auf diese neue Gefahrenlage vorschlage. Planungen der
Regierung zur Änderung der Grundrechte bestünden
nicht.
Finanzmarktstabilisierung: Ab etwa 11.50 Uhr stehen
mehrere Gesetzentwürfe zur Finanzmarktstabilisierung zur
Abstimmung. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte
Gesetzentwurf sieht vor, die deutschen Kreditinstitute zu entlasten
und die Liquiditätsversorgung der deutschen Wirtschaft zu
verbessern (
16/13156). Danach sollen die Bilanzen von
Finanzholding-Gesellschaften oder Kreditinstituten kurzfristig
bereinigt werden können, indem sie strukturierte Wertpapiere
mit einem Abschlag vom Buchwert an Zweckgesellschaften (Bad Banks)
übertragen. Die Bundesregierung hat einen wortgleichen
Gesetzentwurf vorgelegt (
16/13297). Die FDP fordert in einem
Gesetzentwurf (
16/12996), das Bundeskartellamt aktiv in die
Arbeit des Lenkungsausschusses des vom Finanzministerium
geführten Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin)
einzubinden. Das Bundeskartellamt solle beratend im
Lenkungsausschuss vertreten sein und damit der Deutschen Bundesbank
gleichgestellt werden. Dadurch werde sichergestellt, dass schon bei
der Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen auf
Wettbewerbsverzerrungen geachtet werde. In einem zweiten
Gesetzentwurf (
16/12885) verlangt die FDP eine Stärkung
der Kontroll- und Aufsichtsrechte des Bundestages gegenüber
dem Finanzmarktstabilisierungsfonds. So soll der
SoFFin-Lenkungsausschuss seine Entscheidungen in einer
nachvollziehbaren Dokumentation festhalten. Die dem
Finanzmarktgremium des Bundestages angehörenden Abgeordneten
sollen ein Akteneinsichtsrecht erhalten, um sich ein Bild über
beantragte und gewährte Stabilisierungsmaßnahmen machen
zu können.
Bundeswahlgesetz: Danach
beginnt die Aussprache mit anschließender Abstimmung
über einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen
zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (
16/11885). Das Bundesverfassungsgericht hatte
in einem Urteil vom Juli 2008 festgestellt, dass das
Bundeswahlgesetz punktuell gegen die Verfassung
verstößt, weil ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem
Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen
zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann. Der
Gesetzentwurf will die Verfassungswidrigkeit dadurch beseitigen,
dass die Direktmandate bereits auf Bundesebene auf das
Zweitstimmenergebnis angerechnet werden und nicht wie bislang auf
Länderebene. Überhangmandate entstünden dann "in der
Regel nicht mehr", heißt es in der Vorlage.
Überhangmandate erhalten Parteien, wenn sie in einem
Bundesland mehr Direktmandate erringen, als ihnen nach dem
Zweitstimmenergebnis zusteht.
Rentenpolitik: Anschließend entscheiden die
Abgeordneten in namentlicher Abstimmung über drei Anträge
der Linksfraktion zur Rentenpolitik. Die Fraktion fordert unter
anderem, die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre
umgehend zurückzunehmen (
16/12295,
16/12737), die gesetzliche Rentenversicherung
von einer Arbeitnehmer- zu einer Erwerbstätigenversicherung
umzuwandeln (
16/6440,
16/11445), zur Stärkung des
Solidargedankens in der gesetzlichen Krankenversicherung die
Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen und zur Schließung von
Lücken in den Erwerbsbiografien drei Jahre
Kindererziehungszeit auch für vor 1992 geborene Kinder bei der
Rentenberechnung anzuerkennen (
16/7038,
16/10335).
Bericht des Petitionsausschusses: Im Anschluss befasst
sich der Bundestag mit dem Tätigkeitsbericht des
Petitionsausschusses im Jahr 2008, in dem sich dieser mit den
Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag auseinandersetzt.
Für die Vorstellung des Berichts und die anschließende
Aussprache ist eine Stunde vorgesehen.
Datenschutz: Danach stehen ein Gesetzentwurf der
Bundesregierung und vier Oppositionsanträge zum Thema
Datenschutz zur Abstimmung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung
sieht die Einführung eines Datenschutzsiegels vor: Unternehmen
sollen sich freiwillig einem "unbürokratischen
Datenschutzaudit" unterziehen und Datenschutzkonzepte sowie
technische Einrichtungen mit dem Siegel kennzeichnen können.
Dabei soll regelmäßig kontrolliert werden, ob
Richtlinien zur Verbesserung des Datenschutzes und der
Datensicherheit erfüllt werden (
16/12011). Die Verbesserung des Datenschutzes
im nicht-öffentlichen Bereich fordert die FDP (
16/9452). Dazu soll unter anderem die Stellung
des betrieblichen Datenschutzbeauftragten verbessert werden, indem
ihm eine von der Geschäftsleitung unabhängige
Prüfungskompetenz eingeräumt werden soll (
16/9452). Außerdem verlangen die
Liberalen eine einheitliche Gesetzgebung zum
Datenschutzaudit-Verfahren (
16/1169). Sie fordern, nach dem
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die Anforderungen an die
Prüfung und Bewertung des Verfahrens sowie die Auswahl und
Zulassung von Gutachtern durch ein Ausführungsgesetz zu
regeln. Der Entwurf zur Ausführung und Umsetzung des BDSG sei
aber auch nach über fünf Jahren noch nicht in den
Bundestag eingebracht worden. Auch Bündnis 90/Die Grünen
mahnen einen Gesetzentwurf der Regierung zum Datenschutzaudit an (
16/1499). In diesem Gesetz sollten die
Prüfung, die Bewertungskriterien, das Verfahren sowie die
Bestellung der Gutachter festgelegt sein. Außerdem soll nach
dem Willen der Fraktion das Bundesdatenschutzgesetz zu einem
allgemeinen Datenschutzgesetzbuch weiterentwickelt werden (
16/10216).
Ansprüche von Anlegern aus Falschberatung: Die
Bundesregierung will die Rechte der Besitzer von
Schuldverschreibungen stärken. Dazu soll das entsprechende
Gesetz, das noch aus dem Jahr 1899 stammt, geändert werden,
heißt es in einem Gesetzentwurf (
16/12814), der nach 45-minütiger Debatte
zur Abstimmung steht. Er sieht unter anderem vor, die Befugnisse
von Gläubigern, mit Mehrheit über die Anleihebedingungen
zu entscheiden, inhaltlich zu erweitern.
Abkommen mit den USA zur
Kriminalitätsbekämpfung: Nach halbstündiger
Aussprache stehen die Entwürfe eines Ratifizierungsgesetzes (
16/13123,
16/13185) sowie eines Umsetzungsgesetzes (
16/13124,
16/13186) der Bundesregierung zum Abkommen mit
den USA über die vertiefte Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität zur Abstimmung.
Das Abkommen vom Oktober 2008 enthält Regelungen über den
automatisierten Abruf von DNA- und Fingerabdruckdaten sowie
über den Austausch von Daten über Personen, die im
Verdacht stehen, künftig terroristische Straftaten zu begehen
oder die eine entsprechende Ausbildung durchlaufen haben
beziehungsweise diese noch durchlaufen. Außerdem entscheiden
die Abgeordneten über zwei Anträge der Opposition zu
diesem Abkommen. Die FDP fordert die Bundesregierung auf,
"unverzüglich" mit den USA Nachverhandlungen zum
Sicherheitsabkommen aufzunehmen mit dem Ziel, umfassende
Datenschutzregelungen darin zu verankern. So müssten für
Betroffene subjektive Rechte auf Auskunft, Berichtigung,
Löschung und Sperrung von Daten festgelegt werden (
16/9094). Aus Sicht von Bündnis 90/Die
Grünen muss der Bedarf für ein solches Abkommen nochmals
geprüft werden. Zudem dürfe es nicht bilateral, sondern
nur im Rahmen der EU geschlossen werden. Weiterhin verlangen die
Grünen, den Umfang der ausgetauschten Daten zu begrenzen und
auf die Übermittlung von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der
Gefahrenabwehr ganz zu verzichten (
16/9360).
NATO-AWACS nach Afghanistan: Nach dem Willen des
Bundestages beteiligt sich Deutschland am Einsatz von
NATO-Aufklärungsflugzeugen vom Typ AWACS in Afghanistan beteiligen. In namentlicher
Abstimmung entschied das Parlament nach einstündiger Debatte
über einen entsprechenden Regierungsantrag (
16/13377). Die vier AWACS-Maschinen sollen
Luftoperationen der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan
(ISAF) unterstützen und den militärischen und zivilen
Luftverkehr koordinieren.
Erhöhung des Schonvermögens bei
Arbeitslosengeld-II-Bezug: Anschließend lehnte das
Parlament namentlich einen Antrag der Fraktion Die Linke ab, die so
genannten Schonvermögen zur Altersvorsorge bei
Arbeitslosengeld-II-Empfängern zu erhöhen (
16/5457). Die Fraktion hatte gefordert, die
Freibeträge bis zu einem Betrag von 700 Euro je Lebensjahr,
höchstens bis 45.000 Euro, zu erhöhen. Dies hätte
eine Anhebung je vollendetem Lebensjahr um bis zu 450 Euro und des
maximal anrechungsfreien Freibetrags für die Altersvorsorge um
bis zu 29.250 Euro bedeutet.
Bundeswehreinsatz im Sudan verlängert: Die Bundeswehr
beteiligt sich weiterhin an der Friedensmission der Vereinten
Nationen im Sudan (UNMIS) und der Operation in Darfur (UNAMID). Die
Regierung hatte dazu zwei Anträge (
16/13395,
16/13396) vorgelegt, über die der
Bundestag nach halbstündiger Debatte in jeweils namentlicher
Abstimmung entschied. Die deutschen Streitkräfte werden nun an
beiden Missionen längstens bis zum 15. August 2010
teilnehmen.
Staatsangehörigkeitsrecht: Abgelehnt
hat der Bundestag in namentlicher Abstimmung einen Gesetzentwurf
von Bündnis 90/Die Grünen (
16/12849), in dem die Fraktion gefordert hatte,
den so genannten Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht zu
streichen. Der Optionszwang verlangt von betroffenen jungen
Menschen, sich mit Erreichen der Volljährigkeit zwischen der
deutschen und anderen Staatsangehörigkeiten zu entscheiden,
die sie mit der Geburt über die Abstammung erworben haben.