Ein weiteres Kunstwerk auf der Ebene des Plenarsaals schuf der
Maler Markus Lüpertz. Er hat sein Leinwandgemälde "1840"
bündig in die Stirnwand des Abgeordnetenrestaurants
eingelassen. In diesem Gemälde verweist er auf die Rheinreise
des englischen Malers William
Turner, greift Motive aus eigenen früheren Werken auf
und schlägt spielerisch eine gedankliche Brücke von der
Spree zum Rhein.
Das Jahr 1840 stellt nicht nur einen Bezug zur Rheinreise
William Turners her. Es
erinnert auch an eine entscheidende Phase der deutschen
Nationalstaatsgründung, als nämlich in der
deutsch-französischen Krise die Verantwortung für die
Verteidigung Deutschlands am Rhein erstmals entscheidend bei
Preußen lag.
Lüpertz gehört zu der Generation von Malern, die zu einer Zeit ihren eigenen Weg suchten, als die abstrakte Kunst, von Paris und New York kommend, die westeuropäische Kunstszene beherrschte. Früh verließ Lüpertz daher das Rheinland und wandte sich nach Berlin, wo sich nicht zuletzt durch den Einfluss aus Osteuropa gegenläufige Kräfte zu formieren begannen. In Berlin beschritt er im Jahr 1962 seinen Weg zu einem "pathetischen Realismus" mit der Proklamation der "dithyrambischen Malerei". Der Begriff "dithyrambisch" stellt über die gedankliche Brücke der späten Gedichte Nietzsches den Bezug zum antiken Gott Dionysos her, dem Gott des Rausches und der Ekstase. Lüpertz bedurfte dieses Pathos, um an den Erfolg des eigenen Aufbruchs gegen die seinerzeit dominierende Kunst der Abstraktion zu glauben.
Es ist sicher kein Zufall, dass sich dieses Pathos auch in den
verwandten "pandämonischen" Manifesten von Georg Baselitz
findet. In der Berliner Selbsthilfegalerie "Großgörschen
35" fanden die ersten Ausstellungen der beiden Malerrebellen statt.
Lüpertz stellte einfache, alltägliche Gegenstände
mit vitaler plastischer Kraft und energischer Expression dar. Doch
blieb die Malerei als eigenständiges Element bestimmend,
sodass das Inhaltliche nicht in den Vordergrund trat. Um 1970
wandte sich Lüpertz Motiven aus der unmittelbar
zurückliegenden deutschen Geschichte zu. In dem
Gemäldezyklus "Schwarz-Rot-Gold-dithyrambisch" wird das Motiv
eines Wehrmachtshelms in Verbindung mit einer Geschützlafette
wie bei einer barocken Kriegsallegorie zu einer monumentalen
Skulptur aufgebaut.
Für das Gemälde im Reichstagsgebäude hat
Lüpertz Motive und malerische Ansätze aus früheren
Werkphasen aufgenommen und wie collagiert
übereinandergeblendet oder hinter Rasterstrukturen versteckt.
So ist ein vielschichtiges Gemälde entstanden, das
aufschlussreiche Verweise auf die deutsche Geschichte und auf die
Entwicklung der deutschen Malerei in ihrer Auseinandersetzung mit
der Geschichte bietet.
geboren 1941 in Liberec / Böhmen, lebt in Düsseldorf und Berlin.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages