BKA-Zeuge: Keine Rücksicht gegenüber US-Stellen
1. Untersuchungsausschuss - 21.09.2006
Berlin: (hib/KOS) Über die Person
Khaled El-Masris, der zum Jahreswechsel 2003/2004 in Mazedonien
unter angeblichem Terrorverdacht verhaftet und von der CIA für
mehrere Monate in ein afghanisches Gefängnis entführt
worden war, wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) keine Informationen
aus Deutschland an US-Dienststellen weitergeleitet. Dies
erklärte am Donnerstag zum Auftakt einer öffentlichen
Sitzung des Untersuchungsausschusses der zuständige
BKA-Sachbearbeiter Mario Prikker. Nach Angaben des Zeugen wurden
zwar Erkenntnisse über das Multikultur-Haus in Ulm, wo der
Deutsch-Libanese vor seiner Verschleppung verkehrte, mit dem FBI
ausgetauscht. Dabei sei es jedoch nicht um El-Masri gegangen.
Prikker sagte, El-Masri sei vor seiner Entführung bei zwei
Ermittlungsverfahren als Kontaktperson zu Verdächtigen ins
Blickfeld der Behörden geraten. Das Parlamentsgremium
prüft, ob deutsche Stellen und die Bundesregierung
frühzeitig über dieses rechtswidrige Kidnapping
unterrichtet und in diese Aktion involviert waren. Laut Prikker ist
das BKA bei der Aufklärung des Falls El-Masri selbst nicht
operativ tätig, sondern unterstützt das
federführende Polizeipräsidium Schwaben bei der
Informationsbeschaffung. Das BKA habe erstmals am 10. Juni 2004 von
der Verschleppung nach deren Ende erfahren, nachdem das
Auswärtige Amt (AA) ein entsprechendes Schreiben von El-Masris
Anwalt übermittelt habe. Prikker wies Medienberichte als aus
dem Zusammenhang gerissen zurück, er habe seinerzeit eine
Verwicklung des Bundesnachrichtendienstes (BND) nicht
ausgeschlossen. Vielmehr fuße dieses Zitat auf einer
anfänglichen Überlegung des Polizeipräsidiums
Schwaben, die sich auf El-Masris Erwähnung einer an seiner
Entführung beteiligte deutschsprechende Person namens "Sam"
gestützt habe. Der BKA-Mitarbeiter verneinte die Frage des
grünen Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, ob hiesige
Ermittlungsbehörden aus Rücksicht auf die USA
"Beißhemmungen" gegenüber der beim Kidnapping El-Masris
in Verdacht geratenen CIA gehabt hätten: "Solche
Überlegungen gab es zu keiner Zeit", so Prikker. Die Anfragen
des Polizeipräsidiums Schwaben über eventuelle
Erkenntnisse im Fall El-Masri habe das BKA am Ende August 2004
zunächst an inländische Dienststellen weitergeleitet,
wobei zu diesem Termin über das AA auch die deutschen
Botschaften in Mazedonien, Albanien und Afghanistan einbezogen
worden seien. Laut Prikker wurden die BKA-Verbindungsleute im
Ausland nur deshalb erst am 10. September 2004 mit Recherchen
beauftragt, weil man die Methodik der Kontaktaufnahme mit
ausländischen Stellen erst noch habe klären müssen.
In diesem Sinne sei auch die seitens des Innenministeriums
zunächst geäußerte Sorge vor einer
Übermittlung von Informationen an ausländische und
besonders US-amerikanische Behörden zu verstehen. Wegen der
noch zu besprechenden Vorgehensweise gegenüber
ausländischen Stellen, so der Zeuge, habe er dann auch die
Botschaften in Kabul, Skopje und Tirana per E-Mail gebeten, vorerst
nicht an die dortigen Regierungen heranzutreten. Die Botschaft in
Skopje hatte jedoch, wie Prikker ausführte, bereits den
dortigen BND-Residenten unterrichtet, der sich wiederum an den
mazedonischen Partnerdienst gewandt habe. Prikker sagte, dass der
BKA-Verbindungsbeamte in den USA lediglich US-Pressemeldungen zur
Verschleppung Fall El-Masris geschickt habe, jedoch keine
Informationen bei dortigen Behörden habe beschaffen
können. Medienberichte, wonach die für den Fall El-Masri
zuständige Staatsanwaltschaft München aus Spanien eine
Liste mit den Namen der mutmaßlich am Kidnapping des
Deutsch-Libanesen beteiligten CIA-Agenten erhalten habe, sorgten am
Rande der Ausschuss-Sitzung für Aufsehen. Der FDP-Abgeordnete
Max Stadler appellierte an die Staatsanwaltschaft, in diesem
Verfahren mit der rechtsstaatlich gebotenen Entschiedenheit zu
ermitteln - auch wenn dies gegenüber Vertretern eines
befreundeten Staats vielleicht unangenehm sei. SPD-Obmann Thomas
Oppermann mahnte, wenn die Namen der verdächtigten
Entführer bekannt seien, müsse die Staatsanwaltschaft
ohne Rücksicht auf irgendein Land handeln. Petra Pau
(Linkspartei) erklärte, aufgrund der neuen Fakten müsse
der Ausschuss seine Aufklärungsarbeit weiter intensivieren.
Ströbele kritisierte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als
zögerlich und verwies auf das Beispiel Italien: Dort sind
bereits Haftbefehle gegen CIA-Agenten ausgestellt worden, die unter
dem Verdacht einer illegalen Verschleppungsaktion im Zuge der
Terrorismusbekämpfung stehen.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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