Berlin: (hib/BOB) Weitgehende Zustimmung
hat am Montagnachmittag bei einer Expertenanhörung ein von der
Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf zur Reform des
Unterhaltsrechts (
16/1830) gefunden. So bezeichnete Professor
Dieter Schwab (Universität Regensburg) es als durchaus
wünschenswert, dass eine "maßvolle Korrektur" des
Unterhaltsrechts" erfolge. Das derzeit geltende Recht
überziehe in einigen Fällen das gebotene Maß der
nachehelichen Solidarität. Kritikwürdig aber sei, dass
sich das Risiko eines Scheiterns der Ehe einseitig auf den
Ehegatten verlagere, der wegen der Familie seine berufliche
Entfaltung eingeschränkt habe. Die wirtschaftlichen Folgen des
Scheiterns einer "Hausfrauen-Ehe" gehen nach Ansicht Schwabs nach
der geplanten Regelung weitgehend zu Lasten der - ehemaligen -
Hausfrau. Die im Gesetzentwurf weit stärker als bisher
vorgesehene Pflicht des Kinder betreuenden Elternteils könne
zudem nicht ohne Rücksicht auf die bisher bestehenden
Lebensverhältnisses der Ehegatten beurteilt werden. Wenn
beispielsweise die Kinder vor der Trennung mit Einverständnis
beider Eltern halbtags den Kindergarten besucht hätten, im
Übrigen aber von der teilerwerbstätigen Mutter betreut
worden seien, so werde man nach der Trennung nicht einfach sagen
können, nunmehr müssten die Kinder ganztags in den
Kindergarten gehen, damit die nun allein erziehende Mutter
erwerbstätig sein könne, so Schwab. Nach der Ansicht von
Professor Siegfried Willutzki aus Köln, des Ehrenvorsitzenden
des Deutschen Familiengerichtstages, stellt der vorgelegte Entwurf
des Unterhaltsänderungsgesetzes sicherlich keine Revolution
des Unterhaltsrechtes dar. Sie sei vielmehr das Ergebnis der
Umsetzung der von Wissenschaft und Praxis entwickelten
Verbesserungswünsche. Diese könnten zwar nicht den
Anspruch einer Reform des Unterhaltsrechts erheben, aber sie
stellten einen beachtlichen Fortschritt dar. Zu Recht habe der
Vorrang für Minderjährige fast ausnahmslos Zustimmung
gefunden. Kinder hätten anders als Erwachsene keine
Möglichkeit, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Klaus
Schnitzer, Fachanwalt für Familienrecht in Euskirchen, hielt
es mit Blick auf diese Tatsache für richtig, dass der
Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau zeitlich herabgesetzt
werden soll. Ähnlich äußerte sich Frank
Klinkhammer, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. Beim
Ehegattenunterhalt sei die Befristung auf sämtliche
Unterhaltstatbestände ausgeweitet worden. In der bisherigen
Rechtsprechung seien Defizite zu verzeichnen gewesen. Auch er lobte
den Entwurf: Er wähle mit seiner verstärkt auf das
Kindeswohl gerichteten Augenmerk einen klaren und gut akzeptierten
Ausgangspunkt, der konsequent umsetzt werde. Auch Jutta Puls aus
Hamburg, Vorsitzende der Unterhaltskommission des Deutschen
Familiengerichtstages, begrüßte den Regierungsentwurf
als "angemessene und notwendige Reaktion auf familiäre und
gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland". Er sei auch
Ausdruck der sich verbreitenden Erkenntnis, dass es dringend
geboten sei, das Kindeswohl zu stärken und - damit
einhergehend - die unterhaltsrechtliche Position von Elternteilen,
die Kinder betreuen, zu verbessern. Die Eigenverantwortung von
Ehegatten nach der Scheidung sei herauszufordern. Thomas Meysen aus
Heidelberg, fachlicher Leiter des Deutschen Instituts für
Jugendhilfe und Familienrecht, machte deutlich, der Gesetzentwurf
stoße auf uneingeschränkte Zustimmung, weil er die
Maxime der Unterhaltsrechtsreform, Kinder unabhängig von der
Beziehung ihrer Eltern in den Mittelpunkt zu stellen, beachte. Er
werde getragen von zwei zentralen Botschaften: Kinder gehen vor;
Elternschaft zählt mehr als Ehe. Kritik äußerte
Meysen, wie einige andere Experten auch, an der Regelung, dass die
jungen volljährigen Kinder als vierte in Rangfolge
regelmäßig leer ausgingen, wenn die Mittel für den
Unterhalt knapp seien. Er habe "Schwierigkeiten" zu verstehen,
weshalb gerade diese Gruppe in der schwierigen Lebensphase des
Eintritts ins Berufsleben - weiterhin - auf Sozialleistungen
verwiesen werde. Margret Diwell aus Berlin, Fachanwältin
für Familienrecht, meinte, die vorgesehene Reform "entlaste
die Männer, aber belaste die Frauen und Kinder". Es sei zum
anderen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls kritikwürdig,
dass der auf den statistischen Daten von 1998 beruhende
Mindestunterhalt nicht erhöht würde. Die 38-jährige
Mutter zweier 13- und 15-jähriger Jugendlicher, die für
sieben Euro brutto an der Kasse der Tankstelle arbeite, werde ihre
Wochenarbeitszeit um drei Stunden aufstocken müssen, zulasten
der Versorgung ihrer Kinder. Professor Marianne Breithaupt von der
Fachhochschule Landshut nannte den Mindestbedarf von 334 Euro West
und 308 Euro Ost sehr gering. Er reiche nicht aus zum Aufziehen
eines Kindes auf bescheidenster Basis. Wie ein Gesetz durch einen
so geringen Mindestunterhalt das Kindeswohl stärken will, sei
nicht erklärt.