Berlin: (hib/SUK) Die Bundesregierung kann keinen Trend zur Auswanderung hoch qualifizierter Deutscher erkennen, da dieser Auswanderung auch Einwanderung Hochqualifizierter aus dem Ausland entgegenstehe. In ihrer Antwort ( 16/5417) auf eine Große Anfrage der FDP ( 16/3210) stellt die Regierung außerdem fest, dass die Auswanderung Hochqualifizierter "einen positiven Effekt" haben könne, wenn die Auswanderer nach einiger Zeit zurückkehrten und neu erworbene Qualifikationen mitbrächten. Der von der FDP unterstellte "brain drain" lasse sich empirisch nicht belegen.
Dieser Aussage liegt ein weite Definition des Begriffs Auswanderer zugrunde: Nach Ansicht der Regierung werden damit sowohl Personen bezeichnet, die "sich im Ausland auf die Dauer oder wenigstens für längere unbestimmte Zeit niederlassen wollen", als auch Menschen, "die sich nur für kürzere Zeitperioden im Ausland aufhalten". Damit wolle man dem Umstand Rechnung tragen, dass "auch ein vorübergehender Auslandsaufenthalt von Hochqualifizierten beispielsweise zu Studien- und Forschungszwecken Folgen für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland" habe. Die Liberalen hatten in ihrer Großen Anfrage angeführt, Experten schätzten die Zahl der deutschen Auswanderer für das Jahr 2005 auf bis zu 250.000 Personen, die meisten von ihnen jung und gut ausgebildet.
Deutschland, so schreibt die Regierung in ihrer Antwort, sei "inzwischen Auswanderungsland Nr. 1" für Abgänger französischer Ingenieurshochschulen. Es müsse weiterhin dafür gesorgt werden, dass die Bundesrepublik "seinen Spitzenplatz unter den High-Tech-Ländern" sichere. Nach einer Studie der OECD lebten mehr als drei Millionen in Deutschland geborene Menschen in einem anderen OECD-Land - etwa 1,2 Millionen in den USA, rund 274.000 in der Türkei und etwa 266.000 in Großbritannien. Von den über 15-Jährigen von ihnen hatten 865.225 Personen einen tertiären Bildungsabschluss, also einen Abschluss etwa an einer Hochschule oder Fachhochschule. Ziehe man die Bilanz von Ab- und Zuwanderungen hochqualifizierter Personen, ergebe sich für Deutschland gegenüber anderen OECD-Staaten ein Wanderungsverlust von minus 4,5 Prozent der Hochqualifizierten. Ein ähnliches Ergebnis erziele man für Österreich, Großbritannien oder die Niederlande. Da diese Länder auch Aufnahmeländer für Hochqualifizierte aus dem Rest der Welt seien, liege nach den OECD-Berechnungen "insgesamt ein positiver Wanderungssaldo in Höhe von 4,1 Prozent der Personen mit tertiärem Bildungsabschluss" vor.
Auf die Frage der FDP, welche Motivationen zur Auswanderung führten, nennt die Regierung berufliche, familiäre und umweltbedingte Gründe. Ob die Höhe des Spitzensteuersatzes einen Einfluss habe, kann von der Regierung nicht beantwortet werden, da dazu keine Daten vorlägen. Der nominale Spitzensteuersatz habe bis 2006 mit 42 Prozent auf "historisch niedrigem Niveau" und im weltweiten Vergleich im Mittelfeld gelegen. Auch die Anhebung des Spitzensteuersatzes zu Beginn dieses Jahres werde die deutsche Position im internationalen vergleich "lediglich geringfügig verändern". Auch einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Auswanderungsentscheidungen Hochqualifizierter sei "nicht zu erkennen".
Für die Rückkehr der Auswanderer gebe es viele Gründe, dazu gehörten das "vergleichsweise gut ausgebaute deutsche Sozialsystem" und familiäre Bindungen. Nicht selten sei auch "eine unzureichende Vorbereitung der Auswanderer" Ursache für eine spätere Rückkehr. Zudem sei ein Teil der Aufenthalte - etwa zu Ausbildungs- oder Forschungszwecken - ohnehin auf Zeit angelegt.
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