Berlin: (hib/SUK) Der Bundesrat will das
Schlachten von Tieren ohne Betäubung künftig nur
gestatten, wenn "ausdrücklich" nachgewiesen wird, dass es
dafür zwingende Vorschriften der Religionsgemeinschaften gibt.
Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des
Tierschutzgesetzes der Länderkammer (
16/6233) sieht außerdem vor, dass
Antragsteller, die sich um eine Ausnahmegenehmigung von dem
grundsätzlichen Verbot des Schächtens bemühen,
nachweisen müssen, "dass dem zu schlachtenden Tier im
Vergleich zu einer Schlachtung mit vorheriger Betäubung keine
zusätzlichen erheblichen Schmerzen oder Leiden erwachsen".
Hintergrund des Entwurfs ist die nach Ansicht des Bundesrats
veränderte Verfassungslage: Das Bundesverfassungsgericht habe
mit seinem Urteil vom Januar 2002 weitgehende Ausnahmen zum Verbot
des Schächtens zugelassen. Die Behörden hätten
seither immer dann Ausnahmegenehmigungen erteilen müssen, wenn
ein Antragsteller "persönlich der Überzeugung war, dass
der Glaube oder seine Glaubensvariante das betäubungslose
Schlachten erfordere". Mit der Aufnahme des Tierschutzes in das
Grundgesetz im Mai 2002 sei aber das rechtliche Gewicht des
Tierschutzes gestärkt worden. Der Gesetzentwurf des Bundesrats
soll nun "den bislang ausstehenden" verfassungskonformen,
angemessenen "Ausgleich zwischen dem Grundrecht der freien
Religionsausübung und dem im Grundgesetz als Staatsziel
verankerten Tierschutz" gewährleisten. Die Länderkammer
geht davon aus, dass mit der Gesetzesänderung eine "deutliche
Veränderung der Genehmigungspraxis" verbunden ist: Zum einen
reiche es nicht mehr aus, wenn der Antragsteller behaupte, er sei
durch seinen Glauben verpflichtet, zu schächten - vielmehr
müsse er künftig nachwiesen, "dass das Gebot nur des
Verzehrs von Fleisch geschächteter Tiere für ihn
religiös bindend ist". Zudem könne die
Erheblichkeitsschwelle für Leid und Schmerzen nur anhand
fachwissenschaftlicher Maßstäbe beurteilt werden. Etwa
bei Schafen bestehe dahingehend noch Forschungsbedarf. Nach Ansicht
des Bundesrats ist die vorgelegte Gesetzesänderung von
"grundsätzlicher Bedeutung", da die Frage für viele
Bürger von grundsätzlicher Bedeutung sei. Anders als die
Länderkammer hat die Bundesregierung allerdings Einwände:
Der Gesetzentwurf bemühe sich zwar um einen Lösungsweg
zwischen den Anliegen vieler Bürger und
Tierschutzorganisationen, die ein ausnahmsloses Schächtverbot
bevorzugten, und den verschiedenen Religionsgemeinschaften, die
sich auf die Religionsfreiheit beriefen. Sowohl der Nachweis
zwingender Religionsvorschriften für das Schächten als
auch der Nachweis dafür, dass das Schächten nicht mehr
Schmerzen verursachte als das Schlachten mit vorheriger
Betäubung ist nach Ansicht der Regierung "in
verfassungsrechtlicher Hinsicht" bedenklich.
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