Berlin: (hib/MPI) Die langfristige
Sicherung der Pflegefinanzierung ist nicht nur in der Koalition,
sondern auch unter Experten umstritten. Während der dritten
von vier öffentlichen Anhörungen zur geplanten Reform der
Pflegeversicherung im Gesundheitsausschuss am Mittwoch
bestätigten die meisten Sachverständigen zwar, dass mit
der vorgesehenen Beitragssatzanhebung die Finanzierung der
solidarischen Pflegeversicherung bis etwa 2015 gesichert werden
könne. Gleichwohl plädierten nahezu alle Experten
für einen Systemwechsel. Der Gesundheitsökonom Professor
Heinz Rothgang von der Universität Bremen sprach sich für
eine solidarische Bürgerversicherung aus. Wenn eine
Integration der solidarischen und privaten Pflegeversicherung nicht
möglich sei, müsse zumindest ein Finanzausgleich zwischen
beiden Systemen stattfinden. Rothgang sagte, realistisch sei ein
Transfer von 1 Milliarde Euro von der privaten an die solidarische
Pflegeversicherung. Dagegen plädierte der Direktor des
Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Professor Helge
Sodan, für den Aufbau eines Kapitalstocks als
Demografiereserve. Dies habe im Übrigen auch der
Koalitionsvertrag vorgesehen, erinnerte Sodan. Der Freiburger
Finanzwissenschaftler Professor Bernd Raffelhüschen sagte, er
halte den Aufbau eines Kapitalstocks "für keine gute Idee".
Raffelhüschen betonte, das Sinnvollste sei, die
Pflegeversicherung auslaufen zu lassen. Für die arme
Bevölkerung müsse die Pflege über Steuermittel
finanziert werden. Ansonsten müsse private Vorsorge betrieben
werden. "Das Vernünftigste wäre einzusehen, dass die
Pflegeversicherung ein groß angelegtes
Erbschaftsbewahrungsprogramm für den Mittelstand ist", sagte
der Pflegeexperte und unterstützte damit den Antrag der FDP (
16/7491). Die langfristige Finanzierung der
Pflege ist in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (
16/7439) allerdings ohnehin weitgehend
ausgespart. Dem Entwurf zufolge soll der Pflegebeitrag zum 1. Juli
2008 um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent für Versicherte mit und
auf 2,2 Prozent für Versicherte ohne Kinder erhöht
werden. Das soll zu jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von
2,5 Milliarden Euro führen. Erstmals seit Einführung der
Versicherung im Jahr 1995 sollen die Pflegesätze erhöht
werden. Im ambulanten Bereich sollen die Leistungen in Pflegestufe
eins bis zum Jahr 2012 schrittweise von monatlich 384 auf 450 Euro
steigen, in Pflegestufe zwei von monatlich 921 auf 1.100 Euro und
in der Pflegestufe drei von 1.432 auf 1.550 Euro. Bei den
stationären Pflegesätzen soll die Stufe drei angehoben
werden: von 1.432 auf 1.550 Euro und von 1.688 auf 1.918 Euro in
Härtefällen. Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen sprechen sich in ihren Anträgen (
16/7472,
16/7136) für eine
Bürgerpflegeversicherung aus. Für die
Volkssolidarität bedauerte Alfred Spieler mit Blick auf
ähnliche Überlegungen in der SPD, dass die "strukturelle
Mehrheit" für eine Bürgerversicherung nicht realisiert
werden könne. Rothgang verwies darauf, dass sowohl die
solidarische als auch die private Pflegeversicherung obligatorisch
seien und dieselben Leistungen gewährten. Aufgrund der
"schlechteren Risiken" der Versicherten in der solidarischen
Pflegeversicherung seien die Leistungsausgaben pro Versichertem
hier aber um das Zweieinhalbfache höher als in der privaten
Pflegeversicherung. Der Verbandsdirektor der privaten
Krankenversicherung, Volker Leienbach, lehnte einen Finanzausgleich
strikt ab. Damit würde lediglich das System gestärkt, das
nicht nachhaltig und generationengerecht sei. Außerdem gebe
es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Bei den beiden
Versicherungszweigen handele es sich um zwei Solidargemeinschaften,
die nach unterschiedlichen Prinzipien funktionierten und nicht
vermischt werden dürften.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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(ab 01.04.2008 )
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