Berlin: (hib/VOM) Der Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Unternehmen und Industrie, Günter Verheugen, hat sich gegen EU-weite Standards für Beherbergung und Bewirtung ausgesprochen. Bei einem Treffen mit dem Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages in Brüssel sagte Verheugen am Montag, es gebe eine "fundamentale Auseinandersetzung" mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten in Südeuropa. Dort setze man stark auf eine europaweite Regulierung, was ihn beunruhige. Er halte es nicht für gut, Qualitätsstandards europäisch zu regulieren. Die Frage sei, ob man immer mehr Rechtsetzung, Vorschriften und Harmonisierung oder Diversität und Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten und Regionen wolle. In diesem Zusammenhang kritisierte der Kommissar auch eine "Tendenz zur Lifestyle-Regulierung". Wenn vorgeschrieben werde, was man zu essen und zu trinken habe, führe dies in der Gesamtheit zu einer Gesellschaft, in der der Einzelne in seiner Lebensführung mehr und mehr gegängelt werde. "Ich ziehe Anreize und Belohnungen einer Politik des Verbietens vor", sagte Verheugen. In einem Gespräch mit deutschen Abgeordneten des Europaparlaments bestätigte Georg Jarzembowski von der christdemokratischen EVP-ED-Fraktion, man habe die Kommission gebeten zu prüfen, ob in Europa nicht einheitliche Hotelklassifizierungen eingeführt werden sollten. Hintergrund sei der verbraucherpolitische Aspekt, dass "drei Sterne rumänisch" und "drei Sterne luxemburgisch" nicht das Gleiche aussagen müssten.
Nach Aussage Verheugens hat der Tourismus eine Chance, wenn er in Übereinstimmung mit den ökologischen Zielsetzungen und Standards betrieben wird. "Traurig" zeigte er sich darüber, dass der EU-weite Wettbewerb "European destinations of excellence" mit dem diesjährigen Thema "Tourism and protected areas" in Deutschland nicht auf Interesse gestoßen sei. An dem Wettbewerb teilnehmende Regionen pflegten inzwischen einen regen Erfahrungsaustausch. Auf fruchtbaren Boden stieß bei Verheugen eine Anregung der Delegationsleiterin des Tourismusausschusses, Annette Faße (SPD), Flüsse europaweit zu vernetzen und dies touristisch zu nutzen. Von Paris nach Berlin auf Flüssen und Kanälen zu fahren sei eine "großartige Idee".
Hauptthema der deutschen Europaabgeordneten im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr sind derzeit die Fahrgastrechte, wie das Ausschussmitglied Georg Jarzembowski den Gästen aus Berlin mitteilte. Dabei gehe es um EU-weit einheitliche Entschädigungsregelungen bei Überbuchung und bei Verspätungen. Fahrgastrechte sollten nach den Worten Jarzembowskis auch auf innerstaatliche Fernverkehrsstrecken ausgedehnt werden, damit nicht in Frankreich andere Entschädigungsregelungen gelten als in Deutschland. Ein Thema sei auch die so genannte 12-Tage-Regelung für die Fahrer von Reisebussen, wonach die Busfahrer bei einer Rundreise den Bus zwölf Tage lang hintereinander lenken dürfen. Diese Regelung war 2007 abgeschafft worden. Es seien Anträge eingebracht worden, so Jarzembowski, die Regelung wieder einzuführen.
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