Berlin: (hib/HAU) Banken und Verbraucherschutzorganisationen vertreten unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Verbesserung des Anlegerschutzes bei Finanzdienstleistungen. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am Mittwochvormittag deutlich. Die Vertreter des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken lehnten ebenso wie die Vertreter des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes sowohl eine Umkehr der Beweislast, als auch die Verlängerung der Verjährungsfrist ab. Stattdessen sprachen sich die Bankenvertreter für eine Aushändigung des Anlegerprofils an den Kunden sowie für Kurzinformationen über aktiv vertriebene komplexe Produkte aus.
Mit einer Umkehr der Beweislast, so der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, wäre ein erheblicher Eingriff in die deutsche Rechtssystematik verbunden. Grundsätzlich habe der Kunde zu beweisen, dass der Geschäftspartner Pflichten verletzt habe. Die Verlängerung der Verjährungsfrist von derzeit drei Jahren sei angesichts der Schwankungsbreite des Marktes im Interesse der Rechtssicherheit nicht gerechtfertigt. Die angedachte Einzeldokumentation aller Kundengespräche führe wiederum zu einer erheblichen bürokratischen Belastung aller Beteiligten. Auch bei noch so guter Beratung bestünden Risiken bei Finanzanlagen, ergänzte der Vertreter des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Er äußerte sich kritisch zu einer Ampelkennzeichnung von Finanzprodukten. Damit würde man bei den Anlegern lediglich "falsche Erwartungen" wecken.
Für eine Umkehr der Beweislast sprach sich hingegen Hermann-Josef Tenhagen von der Stiftung Warentest aus. Ähnlich wie beim Autokauf müsse der Anbieter gewährleisten, dass das Produkt funktioniere. Da bei Finanzdienstleistungen der Erfolg oder Misserfolg erst später eintrete, müsse auch die Verjährungsfrist verlängert werden. Diese Forderungen unterstützt auch Manfred Westphal vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Verbraucherschutz, so Westphal, sei wichtig für einen funktionierenden Markt. Dazu brauche es auch eine Art "Marktwächter". Die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übertragene Missstandsaufsicht diene lediglich der Erhaltung der Marktintegrität und nicht primär dem Verbraucherschutz. Eine verbraucherorientierte Finanzmarktkontrolle dürfe angesichts möglicher Interessenkonflikte nicht der BaFin übertragen werden, sondern müsse unter dem Dach der Verbraucherzentralen angesiedelt werden, forderte Westphal.
Die Ampelkennzeichnung bei Finanzprodukten sei ein "sympathischer Gedanke", sagte Edda Castello, von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dass sich die Banken dagegen sträubten, sei ein "gutes Zeichen". Ihre Erfahrungen hätten zudem gezeigt, dass Anleger oftmals nicht wüssten, was sie eigentlich gekauft haben. Preise und Produkte müssten "wahr und klar" sein, forderte Professor Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleistungen. Es müssten zudem Unterschiede gemacht werden zwischen Kunden, die ihr Geld als Altersvorsorge anlegen möchten und jenen, die gewinnorientiert sind. "Wer Altersvorsorge betreiben will, dem dürfen keine Zertifikate von Lehman Brothers verkauft werden", so Reifner. Auf den Mangel an Kenntnissen über das gekaufte Produkt verwies auch Rechtsanwalt Julius Reiter. Das beträfe Klienten aus allen Bildungsschichten und zeuge von der "Informationsasymmetrie", die zu dem Marktversagen geführt habe.
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