Berlin: (hib/JOH) Eine mögliche Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland hat am Mittwochabend im Menschenrechtsausschuss für Diskussionen gesorgt. Während SPD und Grüne eine Aufnahme aus humanitären Gründen befürworteten, lehnte die Unionsfraktion dies ab. Sie betonte, die Verantwortung für den weiteren Aufenthalt der Häftlinge liege allein bei den USA.
Der neue US-Präsident Barack Obama hatte die Schließung des Militärgefängnisses auf Kuba binnen eines Jahres angeordnet. Wie ein Vertreter des Auswärtigen Amtes dem Menschenrechtsausschuss mitteilte, gebe es bisher jedoch keine bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und der Bundesregierung oder mit der EU über eine Aufnahme von Häftlingen und auch keine konkreten Anfragen seitens der USA. Sowohl das Bundesaußenministerium als auch das Bundesinnenministerium vertraten im Ausschuss die Auffassung, dass die Rücknahme von Häftlingen in erster Linie den Heimatländern der Gefangenen obliege. Sei dies nicht möglich, weil ihnen dort Verfolgung oder Folter drohe, seien die USA für sie verantwortlich. Nur, wenn beides ausgeschlossen sei, etwa weil der Häftling selbst nicht in den USA bleiben will, müssten sich die Vereinigten Staaten um die Aufnahme durch einen Drittstaat bemühen. Eine solche Anfrage müsse im Einzelfall, auch unter Sicherheitsaspekten, sorgfältig geprüft werden. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes erklärte, bereits von der Regierung Bush seien etwa 60 der rund 245 Häftlinge in Guantanamo als ungefährlich eingestuft worden.
Die Unionsfraktion vertrat den Standpunkt, die USA seien dafür verantwortlich, "dass Schuldige nach rechtlichen Maßstäben bestraft und Unschuldige freigelassen werden, am besten in ihre Heimat." Wenn das nicht möglich sei, hätten die Amerikaner die Aufgabe, eine Entschädigung zu zahlen und sie im eigenen Land aufzunehmen. Als Beispiel nannte die Fraktion die Volksgruppe der chinesischen Uiguren, die nach eigenem Bekunden gern in den USA bleiben würden, weil es dort eine große uigurische Gemeinde gebe. "Schuld an Guantanamo sind die USA", so die Union. "Sie werden ihre Integrität nur wiedergewinnen, wenn sie die Frage Guantanamo aus eigenen Kräften lösen."
Die SPD hingegen betonte: "Hier geht es nicht um Schuld oder Unschuld. Es geht darum, ein Problem zu lösen." Dies gelte unabhängig von der Verantwortung der USA für die Häftlinge. Wenn Deutschland seinen humanitären Ansprüchen gerecht werden wolle, könne es in dieser Phase nicht einfach sagen: Das ist eine Aufgabe der Vereinigten Staaten, das geht uns nichts an. Der von der Union vermisste Deutschlandbezug sei in dieser Diskussion ebenfalls fehl am Platz. Auch wenn nach Angaben der Bundesregierung keine deutschen Staatsbürger in Guantanamo inhaftiert seien, könne Deutschland in humanitären Notsituationen nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes Häftlinge aufnehmen.
Die Grünen schlossen sich der SPD-Auffassung grundsätzlich an, sorgten aber für heftigen Widerspruch bei der Unionsfraktion mit ihrem Einwand, die Deutschen könnten nicht einfach sagen, "die Amerikaner sind für Guantanamo zuständig und wir sitzen ganz unschuldig daneben. Wir hatten bei Auslandseinsätzen eine Strategie, die uns bestimmte Probleme einfach erspart hat." So habe die Bundeswehr "auf wundersame Weise" in Afghanistan bis zum heutigen Tag keine Gefangenen gemacht, sondern diese Problematik den amerikanischen Verbündeten überlassen.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Saskia Leuenberger
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Götz Hausding, Claudia Heine,
Sebastian Hille, Michaela Hoffmann, Michael Klein, Hans-Jürgen
Leersch, Johanna Metz, Annette Sach, Helmut Stoltenberg, Alexander
Weinlein