Berlin: (hib/KOS) Die sehr weitreichende Observation des Publizisten Erich Schmidt-Eenboom bis in dessen "persönlichen Lebensbereich hinein" durch den Bundesnachrichtendienst (BND) war aus Sicht Gerhard Schäfers rechtswidrig. Vor dem Untersuchungsausschuss bezeichnete der frühere Bundesrichter zum Auftakt seiner Befragung diesen Fall als das gravierendste Beispiel unter den Ausforschungsaktionen durch Pullach, die sich gegen verschiedene Journalisten gerichtet haben und über die Schäfer als Sachverständiger für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) einen im Mai 2006 veröffentlichten Bericht erstellt hat.
Schäfer äußerte Verständnis, dass man beim BND "bestürzt" war über ein von Schmidt-Eenboom 1993 publiziertes Buch, das sich auch auf interne Informationen aus Pullach stützt und in dem mehrere Geheimdienstler mit ihren Klarnamen aufgeführt werden. Beim BND fürchte man wohl zu Recht, von anderen Diensten vielleicht keine Nachrichten mehr zu erhalten, wenn die eigene Einrichtung nicht mehr "als dicht" gelte. Allerdings war die gegen den Autor gerichtete Observierung, die mit Unterbrechungen von 1993 bis 2003 währte, aus Sicht des Zeugen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit "zu weitgehend". Schäfer kritisierte, man habe sich beim BND nicht genügend bemüht, hausintern den Verdacht zu überprüfen, dass sechs Mitarbeiter die Quellen Schmidt-Eenbooms gewesen sein könnten. Der Ex-Bundesrichter erklärte, er habe bei seinen Recherchen keine Anhaltspunkte gefunden, dass bei den Ausforschungsaktionen gegen Journalisten auch Richtmikrophone eingesetzt und Telephone abgehört wurden, wie dies Schmidt-Eenboom für seine Person am Donnerstag vor dem Ausschuss behauptet hatte.
Laut Schäfer wird in seinem Bericht für das PKGr des Bundestags Schmidt-Eenboom weiterhin als V-Mann des BND eingestuft. Damit wies der Sachverständige die Aussage des Publizisten vor dem Ausschuss zurück, er habe vor Gericht die Löschung dieser Passage durchgesetzt. Schäfer führte aus, Schmidt-Eenboom habe ein "Gesprächspartner" des Geheimdiensts sein wollen und ein "sehr vertrauensvolles Verhältnis" zu einem BND-Mitarbeiter unterhalten. Der Journalist habe jedoch "keine gravierenden Dinge ausgeplaudert" und nichts mitgeteilt, was nachrichtendienstlich relevant gewesen sei.
Medienmeldungen, wonach Pullach dem PKGr-Sachverständigen Unterlagen vorenthalten habe, kommentierte Schäfer mit der Bemerkung, er habe "heftig gewühlt und nachgefragt". Er habe darauf gedrungen, dass er durch Aktenübergabe und Befragungen von BND-Mitarbeitern umfassend unterrichtet werde. Es seien keine Papiere manipuliert worden. Nach Auffassung des Zeugen wurden in Pullach Unterlagen nicht bewusst vernichtet, doch sei manches wohl aus "Nachlässigkeit" gelöscht worden. Bei den BND-Akten sei es "kreuz und quer" gegangen. Vermutlich wegen dieses "ungeordneten Zustands" sei er in den Papieren auch auf die Ausforschung eines Journalisten gestoßen, dessen Fall zuvor gar nicht bekannt gewesen sei. Am Rande der Sitzung des Untersuchungsausschusses kündigte Max Stadler (FDP) an, auch das PKGr werde sich mit der Frage befassen, ob Schäfer Aktenmaterial vorenthalten und damit die Arbeit dieses Gremiums behindert worden sei. Stadler ist Vorsitzender des PKGr.
Zur Ausspähung von Medienschaffenden durch den BND will der Untersuchungsausschuss nach der Vernehmung Schäfers noch Bernd Schmidbauer, unter Regierungschef Helmut Kohl zuletzt als Staatsminister im Kanzleramt für die Geheimdienste zuständig, und Konrad Porzner als Zeugen anhören, von 1990 bis 1996 Präsident in Pullach.
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