Berlin: (hib/HAU) Die Absicht der Bundesregierung, die Verwendung personenbezogener Daten zu Werbezwecken oder zur Markt- und Meinungsforschung künftig grundsätzlich nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen zuzulassen, ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag deutlich. Derzeit ist die Übermittlung oder Nutzung von Daten zulässig, wenn es sich um listenmäßig zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf Beruf, Name, Titel, akademischen Grad, Anschrift, Geburtsjahr und Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser bestimmten Personengruppe beschränken. Während sich Daten- und Verbraucherschützer für die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/12011) geplanten Änderungen aussprachen, lehnten unter anderem Vertreter der Zeitschriftenverleger und des Versandhandels die Abkehr von der Widerspruchs-Regelung (Opt-Out-Verfahren) zur Einwilligungs-Regelung (Opt-In-Verfahren) ab.
Als "massiven Schlag gegen die Pressevielfalt" bezeichnete Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger die Abschaffung des Listenprivilegs. Der Verlust dieser Leserwerbemöglichkeit könne Existenz bedrohende Auswirkungen für viele Presseprodukte haben. Die richtige Lösung sei es, die Zulässigkeit von Werbebriefen bis zum Widerspruch für alle Wirtschaftszweige beizubehalten, so Fiedler. Wenn jedoch an dem seiner Ansicht nach verfehlten Richtungswechsel festgehalten werde, müsse die Ausnahme von der Opt-In-Erfordernis nicht nur für Spenden- und Parteispendenwerbung, sondern auch für die Bewerbung oder Versendung von Presseprodukten gelten. Eine Umstellung auf die Einwilligungsregelung würde auch den Versandhandel treffen, sagte Rolf Schäfer vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels. Für seine Branche sei die "adressierte Werbung" unverzichtbar. Schäfer verwies darauf, dass das Listenprivileg in keinem Zusammenhang mit den Datenskandalen der vergangenen Monate stünde. "In 100 Jahren Versandhandel hat es keinen Missbrauchskandal gegeben", so Schäfer. Wenig nachvollziehbar aus seiner Sicht sei es auch, wenn in der Gesetzesbegründung davon die Rede ist, dass sich die Verbraucher von Werbung per Post belästigt fühlten. Bei Werbebriefen sei es tatsächlich so, dass lediglich knapp ein Prozent der deutschen Bevölkerung explizit keine personalisierte schriftliche Werbung mehr erhalten möchte. Eine Trennung der Markt- und Meinungsforschung von Werbung und Adresshandel forderte Hartmut Scheffler vom Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute. Eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit von Listen für die Stichprobenziehung würde die repräsentative Befragung zu Zwecken der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung unmöglich machen.
Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht in der Streichung des Listenprivilegs und der Einführung des Opt-In-Verfahrens das "richtige Signal", um das Selbstbestimmungsrecht der Bürger in der Privatwirtschaft zu stärken. Zudem schaffe die Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen und denen der werbenden Unternehmen. Die Kritik der Wirtschaftsverbände an der Neuregelung sei "überzogen", sagte Cornelia Tausch von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Werbung werde auch nach dem Wegfall des Listenprivilegs weiterhin möglich sein. Tausch sieht mit der Festschreibung des Opt-In-Verfahrens eine jahrelange Forderung der Verbraucherzentralen umgesetzt. Nun müsse das Gesetz "zügig" verabschiedet werden. Auch Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein sieht nicht die Gefahr einer weiteren "Wirtschaftskrise" durch das Gesetz. Vielmehr werde damit die derzeitige herrschende "Vertrauenskrise" beseitigt.
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