Berlin: (hib/KOS) Überwiegend auf Zustimmung, aber auch auf Kritik stießen am Montag zum Auftakt eines Hearings des Bundestags-Rechtsausschusses und des Bundesrats-Finanzausschusses zur Föderalismusreform II bei der 14köpfigen Professorenriege der Sachverständigen die Grundgesetzänderungen, die bei Bund und Ländern die Neuaufnahme von Krediten begrenzen sollen. Lars Feld (Heidelberg) sah in der avisierten Schuldenbremse den "richtigen Weg" hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik. Clemens Fuest, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium, würdigte die Neuregelung als "beeindruckenden Schritt" wie aus dem "wissenschaftlichen Lehrbuch" und als "großen Erfolg" der Politik. Aus Sicht Gustav Horns (Düsseldorf) verengt das Regelwerk hingegen bei einem Konjunkturabschwung die staatlichen Spielräume zum notwendigen Gegensteuern.
Nach den neuen Verfassungspassagen darf der Bund in normalen Konjunkturphasen von 2016 an Kredite nur noch in Höhe von 0,15 Prozent der Wirtschaftsleistung zeichnen, den Ländern ist von 2020 an gar keine Neuverschuldung mehr gestattet. Ausnahmen gelten für Abschwungphasen und zudem für Notsituationen wie die aktuelle Weltwirtschaftskrise oder Naturkatastrophen, wobei solche Kreditaufnahmen mit Tilgungsplänen verknüpft sein müssen. Fünf arme Länder sollen zwischen 2011 und 2019 Konsolidierungshilfen von 7,2 Milliarden Euro erhalten, um ihnen den Weg zur Nullverschuldung zu ermöglichen.
Für Feld ist die Grundgesetzänderung effektiv und lässt gleichwohl bei der Handhabung der Schuldenbremse die nötige Flexibilität zu. Zu bemängeln sei indes, dass den Ländern keine Steuerautonomie zuerkannt werde. Der Druck zu einer solchen Reform wird nach Meinung von Wolfgang Renzsch (Magdeburg) jedoch wachsen, da strukturschwache Länder ansonsten ihre Probleme nicht lösen könnten. Nach Auffassung von Joachim Wieland (Speyer) wird die Schuldenbremse dazu führen, dass der Bund finanzschwache Länder mit mehr Geld unterstützen muss. Wieland kritisierte, dass die Föderalismusreform die Länder eigentlich habe stärken sollen, jetzt aber werde deren Eigenstaatlichkeit durch die neuen Verfassungsauflagen zur Kreditpolitik "zumindest gefährdet". Dieser These widersprachen Ulrich Häde (Frankfurt/Oder) und Peter Huber (München): Die im Grundgesetz geplante Schuldenbremse stelle die Eigenstaatlichkeit der Länder nicht in Frage.
Fuest erklärte, nach den Erfahrungen innerhalb der OECD habe die Einführung von Kreditbegrenzungen tatsächlich positive Erfolge gezeitigt. Renzsch sagte, die durch die Tilgungspflichten erzeugte Transparenz und der damit einhergehende "Rechtfertigungszwang" würden in der Praxis eine "schuldendämpfende Wirkung" entfalten. Mehrere Sachverständige wie etwa Feld oder Huber bemängelten jedoch, dass der Stabilitätsrat, der die Kreditpolitik von Bund und Ländern überwachen soll, im Falle von Verstößen keine Sanktionen verhängen könne: Dieses Gremium habe "zu wenig Zähne", so Huber. Thomas Lenk (Leipzig) monierte, dass keine grundlegende Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gelungen sei. Aus seiner Sicht geht von den neuen Grundgesetzbestimmungen keine stärker disziplinierende Wirkung als von den bisherigen Verfassungsvorgaben aus. Hans Meyer (Berlin) forderte, die Tilgungsauflagen strikter zu fassen.
Für Horn ist es verfehlt, mit dem "mechanischen Versuch" der Kreditbremse das an sich richtige Ziel zu verfolgen, der ausufernden Staatsverschuldung entgegenzuwirken. Hätte man die jetzt geplante Politik schon 2001 bis 2004 praktiziert, so wären damals bei einem um 2,5 Prozent niedrigeren Wachstum rund 500000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Als Alternative plädierte Horn dafür, in Zeiten eines Konjunkturaufschwungs staatliche Ausgaben stärker einzuschränken. Stefan Korioth (München) sah die Gefahr, dass wegen der Kreditbegrenzung eine sinnvolle Schuldenaufnahme künftig möglicherweise unterbleibe. Der Sachverständige bemängelte, dass die Länder zwar durch den Bund auferlegte Aufgaben erledigen müssten, ihnen zu deren Finanzierung jedoch eine Neuverschuldung wie auch die Erhebung eigener Steuern untersagt sein sollen. Verschuldung sei eine Frage "politischer Entscheidungen", betonte Wieland, "nicht des Verfassungsrechts". Ungeklärt ist aus seiner Sicht, ob die Kreditbegrenzung mit der "Notwendigkeit der Konjunktursteuerung" zu vereinbaren sei.
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