Berlin: (hib/JOH) Als unzureichend haben die Mitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwochmorgen die bisherige Umsetzung eines Bundestagsbeschlusses zum Thema soziale Sicherungssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern kritisiert. In einem Antrag ( 16/7747), den der Bundestag im März 2008 verabschiedet hatte, wurde die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, eine mittel- und langfristige Strategie für diesen Bereich zu entwerfen und die Bereiche Grundsicherung und soziale Sicherung im informellen Sektor zu stärken. Außerdem sollte das Thema als Schwerpunkt im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) implementiert werden.
Ein Jahr später sehen die Abgeordneten jedoch noch immer massiven Nachholbedarf hinsichtlich der Realisierung der Forderungen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte die Bundesregierung zum Handeln auf: Es werde "gekleckert und nicht geklotzt", obwohl es jetzt um die Wirksamkeit und die besten Instrumente gehe. "Da nützen alle schönen Worte nichts, wenn wir nicht Taten sehen."
Die SPD-Fraktion betonte, in Entwicklungs- und Schwellenländern müssten die strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die höchsten Risiken wie Altersarmut, Krankheit und Unfall anzugehen. Dazu gehöre aber seitens des BMZ eine strukturelle, strategisch entwickelte und vom Parlament nachvollziehbare Linie. Diese sei jedoch bisher nicht erkennbar.
Die Unionsfraktion schloss sich der Kritik an und bedauerte, dass das Thema in dieser Legislaturperiode zu keinem erfolgreichen Abschluss mehr komme, sondern auf die Zukunft verschoben werde. Dabei sei die Investition in soziale Sicherungssysteme, so die Abgeordneten, kein Luxus, sondern "gut angelegtes Geld für alle Beteiligten". Die Liberalen sahen ebenfalls Defizite beim strukturellen, strategischen Aufbau eines Systems von sozialer Sicherung. Auch wenn es viele Einzelprojekte gebe, sei insgesamt "noch nicht viel passiert". Jedoch könne man ein Jahr nach Beschlussfassung auch nicht allzu viel erwarten. Das Thema gehöre auf jeden Fall weiterhin auf die Agenda für jede kommende Bundesregierung, so die FDP.
Die Linksfraktion bezeichnete die Tatsache, dass das Thema soziale Sicherungssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern auf die politische Agenda gekommen ist, als einen der wichtigsten Schritte im Rahmen dieser Legislaturperiode. Sie wertete es trotz aller Kritik auch positiv, dass das BMZ in seinem diesjährigen Etat über 100 Millionen Euro für diesen Bereich zur Verfügung stelle und forderte, das Thema noch weiter voranzutreiben.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Karin Kortmann (SPD), wies die Vorwürfe der Fraktionen als "nicht gerechtfertigt" zurück. Die Abgeordneten würden sonst immer fordern, die Partnerländer bei der Entwicklung eines neuen Systems in der Entwicklungszusammenarbeit mit einzubeziehen, um gemeinsam Rahmenbedingungen zu entwickeln und zu überlegen, was machbar sei. Ein solches System zu verankern, brauche Zeit. Nach 12 Monaten habe das Ministerium jedoch schon viel erreicht. Kortmann wies zudem darauf hin, dass Deutschland bereits 50 Vorhaben in 30 Ländern fördere, im Bereich der sozialen Sicherung demnach in der Hälfte aller Partnerländer bereits präsent sei. Jetzt gehe es darum, neue Partnerschaften zu entwickeln. Zudem habe das Thema, so Kortmann, in diesem Jahr auch international noch einmal an Bedeutung gewonnen. Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise werde das Thema bei vielen Regierungen, vor allem in Asien, "jetzt sehr groß geschrieben".
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