Tandem aus zwei Parteien
16,6 Millionen Wähler machten die CDU/CSU zur größten Fraktion im 16. Deutschen Bundestag (davon wählten 13,1 Mio. CDU, 3,5 Mio. CSU). Gut 430.000 Stimmen mehr als für die SPD bedeuteten letztlich auch vier Sitze Vorsprung. Damit können die anfangs 226, nach dem Ausscheiden von zwei Parlamentariern und dem Tod von einem Abgeordneten nunmehr 223 Parlamentarier der Union als größte Fraktion zum Beispiel den Bundestagspräsidenten stellen.
Das spezielle Merkmal steckt schon im Namen. Die Mitglieder entstammen zwei Parteien. Zu Beginn der Wahlperiode haben die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber eine „Vereinbarung über die Fortführung der Fraktionsgemeinschaft“ unterzeichnet, welche die Zusammenarbeit und die Repräsentanz in den Führungsgremien festlegt. So stellt die CSU-Landesgruppe den Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden, den Vertreter des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers und verfügt über eigene Organe. Der Fraktionsvorstand besteht aus dem Vorsitzenden Volker Kauder, seinem Vertreter Peter Ramsauer, acht weiteren Vertretern (Wolfgang Bosbach, Michael Meister, Wolfgang Zöller, Ilse Falk, Andreas Schockenhoff, Hans-Peter Friedrich, Katherina Reiche, Arnold Vaatz), Bundestagspräsident und Vizepräsidentin, fünf Parlamentarischen Geschäftsführern, zwei Justiziaren, 21 Vorsitzenden der verschiedenen Arbeitsgruppen, den sechs Vorsitzenden der soziologischen Gruppen (Frauen, Kommunalpolitik, Arbeitnehmer, Mittelstand, Vertriebene/Flüchtlinge, Junge Gruppe) und weiteren 15 Beisitzern. Für die Abwicklung der Fraktionsarbeit haben sich die CDU/CSU-Abgeordneten eine förmliche „Arbeitsordnung“ gegeben.
Interview mit dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Norbert Röttgen
Blickpunkt Bundestag: Ihre Fraktion ist nicht nur größer als manche Länderparlamente, sie speist sich auch aus zwei Parteien – entstehen da nicht große Spannungen auf dem Weg zu einer einheitlichen Meinung?
Norbert Röttgen: Wie die letzten 50 Jahre gezeigt haben, ist es möglich, immer wieder zu Entscheidungen zu kommen, die von allen getragen werden. In dieser Fraktion gibt es eine große Breite von Auffassungen, von Herkunft, von Alter, von Beruf, von Landesverbänden, von Interessen – aber so ist Demokratie, so ist die damit verbundene Leistung von Integration. Zwei Parteien bilden ein zusätzliches Spannungselement, aber auch ein zusätzliches Erfolgselement. Man muss die Spannung in einen Prozess der Auseinandersetzung, der Meinungsbildung, der Mehrheitsbildung, der Rücksichtnahme einbringen, aus dem am Ende die Entscheidung herausdestilliert wird. Das ist ein ganz vielgliedriger Abstimmungsprozess.
Blickpunkt: Was ist die Hauptaufgabe Ihrer Fraktion in dieser Wahlperiode?
Röttgen: Das ist eine Doppelaufgabe. Wir müssen die Koalition mit ihren gestellten und erkannten Aufgaben zum Erfolg führen. Und wir müssen daneben einen substanziellen Beitrag dafür leisten, dass sich die Union geistig-programmatisch fortentwickelt, dass sie die Idee christlich-demokratischer Politik in den einzelnen Bereichen weiter präzisiert. Neben dem unmittelbaren parlamentarischen Geschäft einer guten Gesetzgebung geht es also um eine geistige Innovation über den Tag hinaus.
Blickpunkt: Was hebt diese Fraktion von anderen ab?
Röttgen: Mich hat die Gemeinschaftsleistung nach den Wahlen besonders beeindruckt. Das war in schwieriger Lage ein Maß an Geschlossenheit und Stabilisierung, wie sie andere Teile der Union nicht hätten leisten können. Diese Fraktion hat dafür gesorgt, dass die Union nicht nur keinen Schaden genommen hat, sondern als führende politische Kraft aus dieser Situation hervorgegangen ist und damit auch dem Land wieder Stabilität, Berechenbarkeit und Handlungsfähigkeit geben konnte.
Foto: Deutscher Bundestag
Aktualisiert am 30. Juni 2008