BOLIVIEN
Ein modernes Wahlregister soll entstehen. Die Umsetzung wird jedoch schwierig
"Ohne den Hungerstreik würde es das neue Wahlgesetz nicht geben", verkündete der bolivianische Staatspräsident Evo Morales nach mehr als sechs Tagen Nahrungsverweigerung zufrieden. Bis in die frühen Morgenstunden des 14. April hatten die Regierungspartei MAS und die Opposition über die Reform des Wahlgesetzes gestritten. Am Ende gab es einen Kompromiss, mit dem das erste Staatsoberhaupt indianischer Abstammung des Andenlandes durchaus zufrieden sein kann. Rund 2.000 Gewerkschaftsmitglieder und Vertreter von sozialen Bewegungen hatten sich dem spektakulären Hungerstreik des Staatsoberhauptes angeschlossen und so die Opposition zurück an den Verhandlungstisch gezwungen.
Die im Januar angenommene Verfassungsreform ermöglicht Morales, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Am 6. Dezember diesen Jahres stellt sich der ehemalige Gewerkschaftsführer und Koka-Bauer zur Wiederwahl. Bedingung für diese Einigung bei der verfassungsreform war die Vereinbarung, Änderungen am Wahlgesetz vorzunehmen. Die Regierungsgegner hatten Unregelmäßigkeiten bei 30 Prozent der Eintragungen im Wählerregister beklagt und eine Überarbeitung gefordert. Die schließlich von dem linsgerichteten Präsidenten vorgelegte Reform passierte zunächst das Abgeordnetenhaus, scheiterte aber im Senat, in dem die Opposition die Mehrheit stellt. Sie verlangte eine Beschränkung des Wahlrechts der im Ausland lebenden Bolivianer und eine Reduzierung der für indianische Minderheiten vorgesehenen Parlamentssitze. Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen kam erst, als Morales der Forderung nach Einführung eines neuen biometrischen Wahlregisters, in dem Fingerabdruck, Foto und persönliche Daten aller vier Millionen Wahlberechtigten gespeichert sind, nachgab.
Doch bevor dieses hochmoderne Register entsteht, müssen nach Schätzungen der Nationalen Wahlbehörde jeweils 7.000 Maschinen für die Speicherung des Fingerabdrucks und des digitalen Fotos angeschafft werden. Allein die Kosten von 35 Millionen US-Dollar sind für Bolivien, das zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas gehört, schwer zu stemmen. Viel schwieriger noch scheint die praktische Umsetzung. Es fehlt an Technik, Logistik und qualifiziertem Personal. Die Regierung gibt sich skeptisch, ob diese Mammutaufgabe bis Dezember gestemmt werden kann. Seit dem Amtsantritt von Morales vor rund drei Jahren bestimmen Grabenkämpfe der weißen Oberschicht, die überwiegend in den Tieflandprovinzen wohnt, und der armen indianischen Mehrheit in der Hochebene die Politik.