internationale Politik
Fareed Zakaria und Nikolaus Busse über die Herausforderer der USA und der westlichen Welt
Zwei Autoren, der US-Amerikaner Fareed Zakaria und der Deutsche Nikolas Busse analysieren die aktuelle Entwicklung der Weltpolitik - und kommen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Während der "Aufstieg der Anderen", allen voran China, laut Zakaria nicht mit einem Abstieg der USA einhergeht, malt Busse das Schicksal der alten Welt in eher düsteren Farben: Begonnen habe ein neues Zeitalter, in dem der Westen nicht mehr das Sagen habe.
Der gebürtige Inder Fareed Zakaria studierte Internationale Beziehungen und Politische Philosophie in Harvard. Danach war er Leitender Redakteur der Zeitschrift "Foreign Affairs", bevor er als Chefredakteur zur "Newsweek International" wechselte. In seinem aktuellen Buch "Der Aufstieg der Anderen" unterstützt Zakaria die Ziele der US-Politik, die die Ideale der freien Gesellschaft, freie Märkte und freien Handel weltweit durchsetzen will. Nach dem Sieg der westlichen Staatengemeinschaft im Kalten Krieg über den Kommunismus habe die Welt in den letzten 20 Jahren eine Phase der Stabilität und der Prosperität mit einem ungewöhnlichen Wachstum erlebt. So habe sich in den letzten zehn Jahren die globale Wirtschaftsleistung von 31 Billionen US-Dollar im Jahr 1999 auf 62 Billionen im Jahr 2008 verdoppelt. Gleichzeitig sei die Inflation "überraschenderweise dauerhaft niedrig" geblieben.
Dieser Erfolgsgeschichte stellt Zakaria die Ursachen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise gegenüber und geißelt dabei schonungslos den Lebensstil der US-Amerikaner, die sich ebenso hemmungslos verschuldetet hätten wie ihre eigenen Regierungen. In den vergangenen 30 Jahren sei die Verschuldung der privaten Haushalte von 680 Milliarden Dollar auf sagenhafte 14 Billionen Dollar gestiegen. Verwundert konstatiert Zakaria, dass der Durchschnittshaushalt in den USA über 13 Kreditkarten verfüge und mit einer 120.000-Dollar-Hypothek belastet sei. Und in dem Maß, in dem die USA und ihre Bürger das Geld mit vollen Händen ausgaben, hätten die "Anderen" - vor allem China und Indien - gespaart. Inzwischen sei China mit Devisenreserven im Wert von zwei Billionen US-Dollar - darunter zehn Prozent der im Umlauf befindlichen US-Schatzbriefe - der größte ausländische Gläubiger der USA. Das hemmungslose Geldausgeben machte Washington "arrogant, faul und leichtsinnig", schreibt Zakaria. "Wir konnten schwere Fehler begehen, die Welt verärgern, Allianzen sprengen, Ressourcen verschwenden, inkompetent Krieg führen - es machte nichts. (...) Aber der Freifahrtschein läuft aus".
Inzwischen sei eine tripolare Welt entstanden mit einem mächtigen China, dessen wirtschaftlicher Aufstieg die zentrale Herausforderung der US-Politik darstellen werde. Zakaria schränkt jedoch ein, dass die beeindruckenden chinesischen Wachstumszahlen allein nicht aussagekräftig seien. Als Beispiel nennt Zakaria die Ingenieure, deren Ausbildung in der Regel mit derjenigen eines US-Technikers vergleichbar sei. Nach wie vor investierten die USA zwar mehr in Wissenschaft und Bildung, unterhielten die stärkere Armee und würden für die Rüstung mehr ausgeben als alle "Anderen" zusammen. Gleichwohl müsse Amerika lernen, kreativer und asymmetrischer zu denken und zu handeln, fordert Zakaria.
Am Beispiel Afrikas und Pakistans zeigt der Autor die Schwachstellen der US-Politik auf: Mit welchem Konzept wollen die USA ihre Präsenz in Afrika ausweiten, den chinesischen Einfluss eindämmen und verhindern, dass aus Krisen humanitäre Katastrophen werden? Washington habe den neuen Militärstab AFRICOM (United States Africa Command) eingerichtet ohne zu verstehen, dass die Probleme Afrikas oder Pakistans mit militärischen Mitteln allein nicht zu lösen sind, betont Zakaria und zitiert Mark Twain: "Wer einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem wie ein Nagel aus". Stattdessen empfiehlt er, den Pakistanern bei der Modernisierung ihres Landes zu helfen und gleichzeitig die amerikanischen Werte und Ideale der Freiheit zu vermitteln. Dies alles hätten die USA nach dem 11. September vernachlässigt. Allein in Militäroperationen investierten sie eine Billion Dollar, während sie für zivile Projekte lediglich knapp zehn Milliarden Dollar ausgegeben hätten.
Zwar rechtfertigt Zakaria die Machtdemonstrationen der Bush-Regierung, zugleich verzichtet er aber nicht darauf, dass Auftreten der USA zu kritisieren: "Es ist eine Sache, seinen Feinden Angst zu machen; eine andere ist es, auch dem Rest der Welt einen Schrecken einzujagen." Washington müsse begreifen, dass die internationale Öffentlichkeit überzeugt werden will. Dies gehöre zum Kern dessen, "was Macht ausmacht". Beim Irak-Krieg habe Washington dies nicht berücksichtigt. Auch wenn das Image der USA und des "amerikanischen Traums" nicht so positiv besetzt sei, wie viele Amerikaner glauben, "es ist noch immer besser als die Alternativen", meint der Autor. Schließlich habe die Welt die Vorherrschaft der USA nur deshalb so lange toleriert, weil die Zukunft in Gestalt der politischen Systeme Chinas oder Russlands lediglich Alpträume hervorrufe.
Insgesamt reiht sich Zakarias Studie in die Glanzlichter der politischen Publizistik ein. Dass er zur Stützung seiner Argumentation mitunter die historischen Tatsachen zurecht biegt, soll an dieser Stelle aber nicht verschwiegen werden.
Im Unterschied zu Zakarias These, nach der der Westen auch die sicherheitspolitischen Interessen der "Anderen" berücksichtigen müsse, sieht sich Nikolas Busse nur einer Seite verpflichtet: Die Werte der freien Welt dürfen keinesfalls für die Interessen der nicht-demokratischen Staaten geopfert werden. Der promovierte Politologe und außenpolitische Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat nach eigenem Bekunden einen "klassischen Essay" über die großen Entwicklungslinien der Weltpolitik verfasst. Treffender wäre jedoch die Bezeichnung "Streitschrift zur Verteidigung der Demokratie angesichts der Herausforderungen einer neuen Welt(un)ordnung".
Zunächst skizziert Busse in schnellem Tempo die Weltgeschichte und die "alte Ordnung". Dann widmet er sich der Globalisierung und ihrer Probleme: Da die Völker der "nicht-westlichen Welt" die Chance bekommen hätten, "aus eigener Kraft zu wachsen, wenn sie ihren eigenen Staat stabil halten und die richtige Wirtschaftspolitik verfolgen", könnten sie jetzt am Westen vorbeiziehen und die Weltordnung verändern. Auf diesen Allgemeinplatz folgen - wie oft in Busses Buch - die Thesen eines neunmalklugen Lehrmeisters: In Deutschland habe man "die Dimensionen dieses Wandels noch nicht wirklich verstanden", glaubt der Journalist. An anderer Stelle kritisiert er den Deutschen Bundestag, weil er nicht bereit sei, die Bundeswehr grundsätzlich weltweit in Einsätze zu schicken. Überhaupt mische sich der Verteidigungsausschuss zu stark in die Auslandseinsätze ein.
Nachdrücklich erklärt Busse, warum die Verbreitung von Nuklearwaffen nicht ignoriert werden darf. Vor allem die Atommacht Iran, die den Westen verhöhne, antiamerikanische Achsen bis nach Lateinamerika schmiede und Israel zerstören wolle, stelle eine Bedrohung dar. "Die Tragweite dieser Vorgänge haben viele im Westen noch gar nicht richtig begriffen", unterstreicht Busse. Doch ist das wirklich so? Über das Wirtschaftswachstum Chinas und Indiens, Russlands Rückkehr auf die weltpolitische Bühne oder den Kampf um die Rohstoffe Afrikas wird in den Medien regelmäßig informiert. Mit seinen Ausführungen betritt Nikolas Busse also kein Neuland. Umso überraschender ist seine Behauptung, die Deutschen seien "intellektuell schlecht vorbereitet auf das neue Zeitalter". Abgesehen von seinen zuweilen gewagten Urteilen ist aber auch Nikolas Busse ein insgesamt informatives und lesenswertes Buch über die Herausforderungen unserer Zeit gelungen.
Der Aufstieg der Anderen. Das postamerika-nische Zeitalter.
Siedler Verlag, München 2009; 304 S., 22,95 ¤
Entmachtung des Westens. Die neue Ordnung der Welt.
Propyläen Verlag, Berlin 2009; 304 S., 22,90 ¤