KOOPERATION
Lieferländer wollen Interessen bündeln
Die fallenden Energiepreise haben die wichtigsten Erdgasförderländer näher zusammenrücken lassen. Nach dem Vorbild der Ölförderländer mit ihrer Opec gründeten sie vor einigen Wochen in Moskau eine neue Organisation: Das "Forum Gas exportierender Länder" (GECF) will in Gas-Fragen stärker kooperieren. Die GECF hatte sich bis dahin als lose Gruppierung nur selten und in unregelmäßigen Abständen getroffen. Jetzt gab sie sich eine Satzung und mit Katar auch einen Hauptsitz.
Die Nachricht löste Unbehagen aus. Befürchtet werden seither Preisabsprachen und die gemeinsame Festlegung von Fördermengen. Beobachtern ist die Ölkrise von 1973 noch in guter Erinnerung, als die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) aus politischen Gründen die Fördermenge drastisch senkte und damit eine weltweite Wirtschaftskrise auslöste. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin widerspricht zwar solchen Kartellbefürchtungen, stellt gleichwohl aber langfristig steigende Preise in Aussicht.
In Deutschland sind die Experten geteilter Ansicht in der Beurteilung der Absichten und der Schlagkraft des neuen Bündnisses. Der Energieverband BDEW sieht keine größeren Gefahren für Preise oder Versorgungssicherheit. "Die Ölpreisbindung in Koppelung mit langfristigen Lieferverträgen schützt uns", sagt ein Verbandssprecher. Es bestünden Lieferverträge mit fest geschriebenen Preisen, die zum Teil bis ins Jahr 2036 reichten.
Speziell mit Blick auf Russland hegen andere Vertreter der Branche die Hoffnung, dass sich Deutschlands größter Gaslieferant nach dem letzten Gasstreit mit der Ukraine wohl etwas zurückhalten werde, um sein angeschlagenes Lieferanten-Image nicht weiter zu verschlechtern. Der wochenlange Disput zum Jahreswechsel hatte Lieferengpässe in einigen Ländern Europas zur Folge gehabt. Tatsächlich ist die Analogie der neuen GECF zur Opec schon aus technischen Gründen nicht stichhaltig. Im Unterschied zum Öl wird der größte Teil des weltweit nachgefragten Gases über Pipelines geliefert. Da können die Lieferströme nicht ohne weiteres geändert werden. Auch die von Deutschland und der EU gewünschte stärkere Versorgung mit flüssigem Erdgas (LNG) zur Senkung der Abhängigkeit von Russland-Lieferungen ändert nichts an der Konstellation. Auf lange Zeit wird der LNG-Anteil schon aus Kostengründen vergleichsweise gering bleiben.
Für viele Experten ist die vor allem auf russisches Drängen hin entstandene "Gas-Opec" denn auch in erster Linie ein Mittel, Druck auf die Abnehmerländer auszuüben, um im dortigen Endkundengeschäft stärker Fuß fassen zu können und auch, um die Hoheit über die Transportwege zu behalten. Den Russen missfällt beispielsweise sehr, dass Westeuropa über die geplante Pipeline Nabucco Gas aus Zentralasien an seinem Territorium vorbeiführen will. Neben Russland sind in der GECF unter anderem die drei nächst größeren Gasproduzenten Iran, Algerien und Indonesien vertreten. Zusammen decken die 14 Mitglieder nach eigenen Angaben 42 Prozent der weltweiten Gasproduktion und verfügen über 73 Prozent der Gasreserven.
Skeptiker sehen in der "Gas-Opec" tatsächlich zumindest den Versuch, eine dem Öl-Kartell vergleichbare Marktmacht zu erlangen. "Man sollte sich schon Sorgen machen, denn die Interessen sind eindeutig, den Markt vollständig zu kontrollieren und alles zu tun, um einen funktionsfähigen Wettbewerb zu behindern", ist etwa Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, überzeugt. Eine Diversifikation der Gaslieferungen, so wie die EU es gerne hätte, werde somit unmöglich gemacht, glaubt Kemfert.