BRAUNKOHLE
Die Energiewirtschaft erprobt neue Technologien für den einheimischen Rohstoff an dem rund 55.000 Arbeitsplätze in Deutschland hängen
Kaum ein Rohstoff polarisiert so stark wie die Braunkohle. Knapp ein Viertel des in Deutschland verbrauchten Stroms stammt aus Braunkohlekraftwerken. Tausende Arbeitsplätze hängen von der Akzeptanz des Bergbaus ab. Und es ist der einzige Energieträger, der in Deutschland in großem Umfang zur Verfügung steht und nicht importiert werden muss. Aber die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung bringen die Branche unter Druck. Experten sind sich einig: Das schwarze Gold wird nur eine Zukunft haben, wenn es gelingt, mit neuen Technologien die Umweltverträglichkeit zu verbessern. Vielversprechende Ansätze gibt es in der chemischen Industrie, die Kohle stärker in ihren Prozessen einzusetzen.
Noch sind das Zukunftsszenarien. Deshalb ist Braunkohle trotz hoher CO2-Emission aus dem Energiemix der Bundesrepublik nicht wegzudenken. Wie der Deutsche Braunkohlen-Industrie-Verein Debriv mitteilte, sank zwar im vorigen Jahr die Förderung um fünf Millionen auf 175 Millionen Tonnen. Auch die Stromerzeugung aus Braunkohle ging von 155 auf 150 Milliarden Kilowattstunden zurück. Aber damit stammt immer noch jede vierte in Deutschland erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde Strom aus Braunkohle. "Wir bleiben ein für die sichere und wirtschaftliche Energieversorgung unseres Landes unverzichtbarer Energieträger", sagt Matthias Hartung, Vorstandsvorsitzender im Debriv. Außerdem sei der Absatz bei den Veredlungsprodukten aus Braunkohle deutlich gestiegen. Die Nachfrage nach Braunkohlenbriketts zog um 20 Prozent an und stieg auf 1,6 Millionen Tonnen. Der Absatz von Braunkohlenstaub erhöhte sich um acht Prozent auf mehr als 3,5 Millionen Tonnen.
Für die vier deutschen Braunkohlereviere hat die Förderung und Nutzung des einheimischen Rohstoffes eine wichtige regionalwirtschaftliche Bedeutung. Im Rheinland wurden 2008 rund 96 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Dem größten deutschen Revier folgt die Lausitz mit nahezu 58 Millionen Tonnen, Mitteldeutschland mit knapp 20 Millionen Tonnen und Helmstedt mit mehr als zwei Millionen Tonnen. Insgesamt sind in Deutschland im Bergbau und in der Veredlung rund 55.000 Menschen beschäftigt. "Mit der Braunkohle schlummert nicht nur Energie, sondern auch Wohlstand unter der Erde", formuliert es Rüdiger Hamm, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Braunkohle kann den Platz im deutschen Energiemix aber nur behaupten, wenn es der Industrie gelingt, zukunftsfähige Technologien im großtechnischen Maßstab einzusetzen. Denn durch die von der EU in Brüssel forcierte Einführung des Handels mit Emissionsrechten für Kohlendioxid produzieren einige Betreiber von Braunkohlenkraftwerken bereits heute am Rande der Wirtschaftlichkeit. Der Essener RWE-Konzern spricht von Kosten im Umfang von einer Milliarde Euro im Jahr für den Zukauf von CO2-Zertifikaten.
Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag musste für 2008 erstmals Zertifikate im Wert von zirka 30 Millionen Euro zukaufen, um die Stromerzeugung für den Grubenbetrieb über eigene Kraftwerke abzusichern. Das Unternehmen verdiente mit dem Verkauf von Rohkohle 2007 knapp 40 Millionen Euro. Versuche, einen Investor für den Neubau eines Braunkohlenkraftwerkes zu finden, scheiterten bislang.
Inzwischen arbeitet die Branche jedoch nicht nur an der Erneuerung des Kraftwerkparks. Bei Vattenfall und RWE laufen parallel Pilotprojekte auf Hochtouren, die eine Abscheidung von CO2 im Kraftwerksprozess erproben. Am Vattenfall-Standort Schwarze Pumpe in Spremberg (Lausitz) ging bereits im September 2008 eine Anlage in Betrieb, die Erkenntnisse für den großtechnischen Einsatz bringen soll.
Aber auch die stoffliche Verwertung des Rohstoffes in der chemischen Industrie ist für die Braunkohlenindustrie ein Zukunftsfeld. In Mitteldeutschland unterstützt das Bundesforschungsministerium ein Netzwerk, das die Kohlevergasung auf wirtschaftlich rentable Füße stellen soll. Akteure auf diesem Zukunftsfeld sind nicht nur Bergbauunternehmen zwischen Lausitz und Südharz. Namhafte Konzerne wie Linde, ABB und Siemens sowie wissenschaftliche Einrichtungen stellen gemeinsam die Weichen. "Wir brauchen Alternativen, um die Chemieproduktion und die Arbeitsplätze in Mitteldeutschland zu sichern", sagt Andreas Hiltermann, Geschäftsführer der InfraLeuna, die Infrastruktureinrichtungen in Leuna betreut. Hier glaubt keiner so recht, dass der Rückgang der Öl- und Gaspreise von langer Dauer sein wird und man fürchtet mit steigenden Kosten um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Hiltermann sieht langfristig dabei mehr als 9.000 Arbeitsplätze im Chemiedreieck Leuna-Bitterfeld bedroht.