Die Frage der demokratischen Legitimation des neu gewählten Europaparlaments spielt für die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Europäischen Rat in Brüssel nur am Rand eine Rolle. Sie kämen wohl auch in Erklärungsnöte, weil sie zugelassen haben, dass auf dem Rücken der eigentlich gemeinsamen Sache Europa ein national bis nationalistisch motivierter Wahlkampf geführt wurde. Und in einer halbwegs aufrichtigen Bilanz des ersten Halbjahres darf nicht die erschreckende Negativ-Erfahrung mit der tschechischen Ratspräsidentschaft fehlen. Von "verlorenen sechs Monaten" spricht der sozialdemokratische Spitzenpolitiker Martin Schulz.
Gerade wegen der erkennbaren Defizite der Prager Präsidentschaft kommt dem zweiten Halbjahr unter schwedischer Führung eine besondere Bedeutung zu: Die Brüsseler Kommission muss neu zusammengesetzt werden; klar ist nur die eher unumstrittene Neukandidatur des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Ein mehrheitliches "Ja" Irlands zum Lissaboner Reformvertrag gilt bei dem zweiten Referendum zwar als durchaus möglich, dennoch ist das Vorhaben für die EU hoch riskant. Und bisher ist nicht erkennbar, dass Stockholm eine Strategie gegenüber der neuen Prioritätensetzung der US-Außenpolitik hat, die Asien in den Vordergrund rückt und Europa schwindende Bedeutung beimisst.
Wie man es auch dreht und wendet: 2009 ist für die EU kein einfaches Jahr.