EU-KOMMISSION
Wiederwahl Barrosos bleibt Hängepartie
Eine Mehrheit der neu gewählten Europaabgeordneten will sich nicht dazu drängen lassen, bereits in der Plenumssitzung im Juli über eine zweite Amtszeit von Kommissionspräsident Manuel Barroso abzustimmen. Daher zog der neue EU-Ratsvorsitzende, der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt die Forderung des Rates am 3. Juli zurück. "Wir hoffen, dass die Entscheidung für Barroso später fallen wird", erklärte Reinfeldt. Der Konflikt zeichnete sich bereits letzte Woche ab, als die neu gebildeten Fraktionen ihre Vorsitzenden wählten. Der Rat der Staats- und Regierungschefs hatte am 19. Juni einstimmig beschlossen, Barroso informell zu küren und darüber Gespräche mit den Fraktionen zu führen.
Während die konservative Fraktion den Portugiesen vorbehaltlos unterstützt, sind die Sozialisten in einem Dilemma. Die sozialistisch regierten EU-Länder tragen den Ratsbeschluss aus unterschiedlichen Motiven mit. Die sozialistische Fraktion im Europaparlament muss nun entweder den Regierungen ihrer Parteifreunde in den Rücken fallen oder jeden Anspruch auf eine eigenständige politische Linie aufgeben. Das ist wohl der Grund, dass sich der wiedergewählte Chef der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, in den letzten Tagen recht widersprüchlich zur Personalie Barroso äußerte.
Der Portugiese habe in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, dass er keine arbeitnehmerfreundliche Politik mache. Seine Vorschläge zur Finanzregulierung seien ebenfalls zu schwach, kritisierte Schulz. Andererseits deutete er an, seine Fraktion könne zustimmen, wenn Barroso bei den Arbeitnehmerrechten für bessere Standards kämpfe. Außerdem verlangt er, dass sozialdemokratische Kommissare wichtige Ressorts erhalten.
Er denke dabei an die Entwicklungspolitik, den internationalen Handel, den Binnenmarkt und die Sozialgesetzgebung. Keinesfalls aber, so Schulz, könne Barroso bereits im Juli bestätigt werden. "Ich glaube, dass die Regierungschefs zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihre völlig unangebrachte Hast keinen Erfolg hat."
Noch klarer sagen das die Grünen. Sie verlangen, dass die Wahl der gesamten Kommission frühestens im Herbst stattfindet, wenn nach einem irischen Referendum Klarheit besteht, ob der Lissabon-Vertrag in Kraft treten kann. Zuvor aber müssten jedoch die Regierungschefs einen formalen Beschluss darüber fassen.