GESPRÄCH
Der schwedische EU-Ratspräsident Carl Bildt zu Besuch im Bundestag
Außenminister Carl Bildt ist in Schweden berühmt für seinen ausführlichen Internet-Blog. Darin notierte er am Vormittag des 29. Juni: "Bin gerade in Berlin gelandet und werde hier Bundestagsabgeordnete treffen, um verschiedene außenpolitische Herausforderungen zu diskutieren." Tatsächlich kamen rund 50 Politiker und EU-Experten in den Europasaal des Paul-Löbe-Hauses zum Hintergrundgespräch mit dem EU-Ratspräsidenten, der am 1. Juli sein Amt angetreten hat. Eingeladen hatte die Parlamentariergruppe Europa-Union.
Schon in seiner Eröffnungsrede machte Bildt klar, was Schweden sich fürs nächste Halbjahr vorgenommen hat: die Wirtschaftskrise zu bewältigen, den Klimawandel zu bekämpfen, die Ostseepartnerschaft voranzubringen und hoffentlich die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages in allen EU-Staaten abzuschließen.
Noch immer hoffen die Schweden auf den geplanten EU-Beitritt Kroatiens im Herbst. Doch zunächst sollen die Slowenen und Kroaten ihren Grenzstreit um einen kleinen Landstreifen und ein Seegebiet an der Adria klären. "Die beiden Länder müssen über neue Wege reflektieren, um eine baldige Lösung zu finden", sagte Außenminister Bildt im Anschluss an das Treffen im Gespräch mit dieser Zeitung. Der 59-Jährige betonte aber, dass die Schweden ausdrücklich die Erweiterung der EU befürworten. Auch die türkische Kandidatur wollen sie im Gespräch halten. "Die EU sollte sich aber nicht nur nach Osten und Süden öffnen, sondern auch nach Norden", fügte Bildt hinzu, und meinte damit Island. Im arktischen Raum gebe es viel zu regeln, etwa in Energiefragen und im Umweltbereich. Da wäre es von Vorteil, wenn Island Mitglied der EU wäre, sagte der Außenminister, und erklärte, es gebe nur noch "wenige offene Punkte". Es wird erwartet, dass Island in Kürze den Beitritt zur Europäischen Union beantragt.
Der Vorsitzende der Parlamentariergruppe Europa-Union ist da skeptischer: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Isländer auf eine Sonderregelung für die Fischerei verzichten", sagte Michael Link nach dem Besuch. Eine Sonderregelung aber würde den Gedanken der Europäischen Union aushöhlen.
Link war insgesamt sehr zufrieden mit dem Treffen. Keiner der EU-Ratspräsidenten hätte vor Amtsantritt in dieser Runde so offen gesprochen wie der schwedische Außenminister. Und das gehört bei den Schweden zum Programm: Eine "offene Ratspräsidentschaft" hatten sie angekündigt, und Carl Bildt verspricht, in dieser Zeit weiter zu Bloggen. Nur vom Twittern hält er nicht so viel - auf 140 Zeichen lässt sich eben kaum etwas sagen. Dafür ist die EU dann doch zu komplex.