Den Begriff "Tante-Emma-Laden" hört Hans-Heinrich Lemke gar nicht gerne. "Wir betreiben rollende Supermärkte", betont er und verweist auf das große Sortiment. 2.600 "Artikel des täglichen Bedarfs" führt er in seinen großen Fahrzeugen, sagt der Vorsitzende des Fachverbandes Mobile Verkaufsstellen, der Teil des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels ist.
Lemke ist seit 35 Jahren im Geschäft. Er betreibt im niedersächsischen Göttingen und im thüringischen Körner eine Flotte von 17 Fahrzeugen und beschäftigt 35 Mitarbeiter, wenn auch viele nur stundenweise. In seinen Transportern bieten die Verkäufer "alles vom Joghurt bis zur Schuhcreme" an, in den Wagen stehen Kühltruhen, Zeitschriftenständer und Lebensmittelregale. Fünf Tage pro Woche, von Dienstag bis Samstag, drehen Lemkes Fahrer ihre Runden. 50 bis 60 Mal halten sie täglich zum Verkauf an, schätzt er. Jede Tour fahren sie zwei bis dreimal pro Woche. Nach seinen Angaben erreichen seine Mitarbeiter 450 Ortschaften.
Nach Schätzungen des Fachverbandes fahren rund 1.800 Verkäufer mit Vollsortiment durch Deutschlands Dörfer. Dazu kommt eine ungewisse Dunkelziffer, nicht jeder Händler werde schließlich erfasst. Der Wirtschaftsfaktor "Mobile Verkaufsstelle" sei nicht zu unterschätzen: "Pro Woche haben wir etwa eine Million Kundenkontakte. Das ist schon eine Hausnummer", meint Lemke stolz.
Es ist der Service, der die Transporter für Kunden attraktiv macht. "Die Generation 50plus hat zwar häufig ein Auto, aber keine Lust, für drei Becher Joghurt in den großen Supermarkt zu fahren", sagt Lemke. Diese Zielgruppe spricht auf die "rollenden Supermärkte" an, in denen sie noch persönlich bedient wird. Der Kundenkontakt ist wichtig: "Wir liefern nicht aus, wir bedienen", betont Lemke. Viele Käufer seien Stammkunden. Für diesen Service akzeptierten sie einen "vernünftigen Preis", der eben höher sei als im Discounter. Zu hoch dürfe dieser selbstverständlich nicht sein.
Der klassische Vollsortimenter findet seine Kunden dort, wo Supermarkt-Ketten die traditionellen "Tante-Emma-Läden" unrentabel gemacht haben: Auf dem Dorf, in Kleinstädten und Vororten großer Städte. Aber auch in Seniorenheimen und Wohnsiedlungen von Großstädten. Dazu kommen Spezialisten, etwa ein Bäcker, der Schulen und Betriebe anfährt, um dort belegte Brötchen, Kuchen und Suppen anzubieten.
Das Einkommen der Verkäufer hält sich in der Regel in Grenzen. Zwar sagt Lemke: "Wenn der Händler auf Zack ist, hat er eine Zukunft." Doch als "Einzelkämpfer", also ohne Personal und mit nur einem Fahrzeug, ist es schwierig. "Die Tendenz geht hin zu einer Zentralisierung auf weniger Unternehmer, die mit mehreren Fahrzeugen den Markt bedienen, den vorher viele einzelne bestückt haben."
Einen Wunsch an die Politik hat er: Dass seine Fahrer davon befreit werden, den von der EU vorgeschriebenen Fahrtenschreiber mitzuführen. Damit werden auch die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten dokumentiert. Doch die Arbeit der Verkaufsfahrer unterscheidet sich laut Lemke zu sehr von der der Lkw- und Busfahrer, um die Regeln praktikabel zu machen. Innerhalb eines Radius von 50 Kilometern muss der Tachograph nicht eingesetzt werden. "Aber unsere Touren werden immer größer, deswegen wollen wir eine generelle Befreiung erreichen", sagt Lemke.