EUROPA
Die Parlamentarier opponieren gegen das Abkommen zur Weitergabe von EU-Bankdaten. Sie fordern Mitspracherechte
Zwischen den EU-Institutionen in Brüssel ist offener Streit über die Weitergabe sensibler Bankdaten aus Europa an die USA entbrannt. Das EU-Parlament fühlt sich übergangen. Der Ärger der Abgeordneten könnte auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso schaden, der eine Wiederwahl nach der Sommerpause anstrebt.
Zur Debatte steht das so genannte Swift-Abkommen zwischen der EU und den USA, das in Kürze ausgehandelt wird. Die EU erklärt sich bereit, Bankdaten zur Verfügung zu stellen, die Washington im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nutzen will. Dabei geht es um Daten von Firmen, aber auch von Privatleuten. Theoretisch kann jeder betroffen sein, der Überweisungen über den Finanzdienstleister Swift abwickelt. Zum Beispiel Auslandsüberweisungen - vielen Bürgern ist die internationale Bankleitzahl "Swift-Code" ein Begriff. Die Firma verarbeitet täglich rund 15 Millionen Transaktionen zwischen mehr als 8.300 Banken weltweit.
Das System übermittelt unter anderem den Namen des Absenders und des Empfängers einer Überweisung, den Verwendungszweck sowie die Summe. Die EU will die Daten weitergeben, sofern eine entsprechende Anfrage der USA vorliegt. Die Informationen sollen bis zu fünf Jahre gespeichert werden.
Die Verhandlungen unterliegen derzeit keiner parlamentarischen Kontrolle, zur Empörung europäischer und nationaler Abgeordneter. Laut Brüsseler Fachmedien liegt dem EU-Ministerrat sogar ein vertrauliches Gutachten seiner Rechtsexperten vor, in dem diese empfehlen, dem EU-Parlament volle Mitspracherechte einzuräumen. Das wurde ignoriert: Die Verhandlungen führt Schweden, derzeit Ratsvorsitzland, mit Unterstützung der EU-Kommission.
Die Heimlichtuerei sei "inakzeptabel", sagt die niederländische Liberalen-Abgeordnete Sophie in't Veld. Sie fordert Einsicht in das Rechtsgutachten. Bekommt sie diese nicht, will sie Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Der Vorsitzende der CSU-Europaparlamentarier, Markus Ferber, drohte im "Handelsblatt" mit einem Veto gegen die Wiederwahl des konservativen Kommissionspräsidenten Barroso. Dessen Mehrheit wackelt ohnehin. Der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Daniel Cohn-Bendit, versprach laut "Berliner Zeitung" einen "Riesenputsch im Parlament".
Auch in Deutschland kochte die Diskussion hoch. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf, er müsse "schnellstens auf die Bremse treten" und einen Parlamentsvorbehalt schaffen, "damit der Bundestag das Schlimmste noch verhindern kann". Regierungsvertreter beschwichtigten. Das Abkommen werde dafür sorgen, dass es bessere Datenschutz-Regeln und mehr Rechtsschutz gebe als bisher, unterstrich der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Den USA den Zugriff auf die Daten vollständig zu verwehren, ist für die EU-Regierungen derzeit keine Option. Wie Diplomaten bestätigen, hält sich die Europäische Union außerdem die Möglichkeit offen, die Informationen mittelfristig im Rahmen eines eigenen Antiterrorprogramms selbst zu benutzen.