TSCHECHIEN
Eine Klage gegen das Begleitgesetz gefährdet die Ratifizierung des EU-Vertrages
Deutschland hat das Verfahren hinter sich, jetzt bringt eine Klage gegen das Prager Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag den Ratifizierungsprozess ins Stocken. Es wird erwartet, dass Staatspräsident Václav Klaus mit der Unterzeichnung des Lissabon-Vertrages auf das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überprüfung wartet.
Tschechien ist eines der wenigen EU-Länder, das ein so genanntes gebundenes Mandat als Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag vorsieht. Anders als bisher hätte die Regierung nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags keine Vollmacht für weitreichende europapolitische Entscheidungen, sondern müsste sich in jedem Einzelfall beim Parlament rückversichern. In der Regelung ist festgelegt, dass beide Kammern des Prager Parlaments - sowohl Senat als auch Abgeordnetenhaus - zustimmen müssen.
Einer Gruppe von Senatoren geht das gebundene Mandat allerdings nicht weit genug. Die 17 Senatoren, die das Verfassungsgericht angerufen haben, verlangen die Einführung einer Drei-Fünftel-Mehrheit bei Entscheidungen über die EU. Sie ist in Tschechien auch für Verfassungsänderungen notwendig.
Bei den meisten ihrer Parlamentskollegen stößt dieses Ansinnen auf Unverständnis. "Der Senat soll kontrollieren und nicht regieren", sagt Ludek Sefzig, Vorsitzender des EU-Ausschusses im tschechischen Senat und Mitglied der bürgerlich-konservativen ODS. "Wenn für solche Fragen künftig eine Drei-Fünftel-Mehrheit notwendig sein sollte, dann droht die Gefahr, dass die Regierung damit gelähmt wird." Sefzig verweist darauf, dass das Begleitgesetz auch in seiner jetzigen Form eine Ausweitung der Kompetenzen von Senat und Abgeordnetenhaus bedeute: Während die Regierung bislang bei EU-Themen alleinverantwortlich sei, bekomme das Parlament nun mit dem gebundenen Mandat weiter reichende Kontrollmöglichkeiten. "Dass sowohl Abgeordnetenhaus als auch Senat künftig bei Kompetenzabtretungen zustimmen müssen, ist eine ausreichend hohe Hürde", sagt Sefzig.
Zugleich wirbt er aber um Verständnis für die klagenden Senatoren. Tschechien habe sowohl zu Zeiten der Sowjetunion als auch später im gemeinsamen Staat mit der Slowakei seine eigenen Erfahrungen mit dem Föderalismus gemacht. "Aus dieser Erfahrung heraus ist man hier deshalb vorsichtig, wenn es um die Abtretung von Kompetenzen geht", sagt er.
Indes hat die Gruppe der europaskeptischen Senatoren angekündigt, auch noch den Lissabon-Vertrag als solches vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. In einer ersten Entscheidung haben Tschechiens höchste Richter dem Vertragswerk zwar 2008 zugestimmmt, dabei stützten sie sich aber lediglich auf einige besonders strittige Passagen.
Zur endgültigen Ratifizierung des Lissabon-Vertrags fehlt in Tschechien lediglich die Unterschrift von Präsident Vaclav Klaus, der als EU-Kritiker gilt. Bereits in der Vergangenheit hat er angekündigt, seine Unterschrift frühestens nach einer positiven Entscheidung der Iren im zweiten Referendum zum Lissabon-Vertrag zu leisten.
Ob bis dahin ein Urteil vorliegt, ist schwer abzusehen, da die Richter an keinerlei Fristen gebunden sind. Ludek Sefzig hofft auf eine baldige Lösung: "Ich bin mir sicher, dass das Verfassungsgericht seine Entscheidung schnell treffen wird", sagt er. Wenn durch ein irisches Ja zum Lissabon-Vertrag der Druck auf Tschechien zunehme, könnten die fehlenden Schritte zur Ratifizierung rasch folgen.