mittelstand
Viele kleinere Unternehmen behaupten sich trotz Verlusten in der Krise. Ein Beispiel
Noch eine Runde! Noch eine Runde im Kreisverkehr - weil er so schön ist, der Kreisverkehr. In seiner Blütenpracht. Rot, weiß, ein wenig blau. Noch eine Runde und dann abbiegen: nicht zum Wörthsee, der nur ein paar Minuten entfernt liegt, sondern in die Parkanlage auf der anderen Seite der Straße. Auch hier: Blumen über Blumen, viele Rosen. Vom Balkon des großen Hauses mit der typisch oberbayerischen Holzfassade ist nichts zu sehen vor lauter Geranien. Der erste Eindruck: Ein Landhotel, gehobener Standart. Doch die zwei Männer, die gerade aus dem Haus kommen tragen Blaumänner.
Hinter ihnen geht ein untersetzter Mann die Treppe hinunter. Ein freundliches Gesicht, aber mit harten Zügen. Der Händedruck: zupackend. Das ist Heinz Soyer Senior. Chef von Soyer Bolzschweißtechnik aus Etterschlag, einem kleinen Ort 20 Kilometer westlich von München. Soyer ist ein typisch mittelständisches Unternehmen, eines der kleineren. Mehr als 99 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Deutschland sind Mittelständler, sie bilden das oft zitierte "Rückrat der Wirtschaft". Fast 70 Prozent der hierzulande Beschäftigten arbeiten in diesen Unternehmen, 80 Prozent der Lehrlinge werden hier ausgebildet. Auch die Mittelständler wurden von der epochalen Wirtschaftskrise schwer getroffen. Hier am Wörthsee scheint es, als wäre die Krise vorbeigezogen. Auf den ersten Blick.
Wenn man Heinz Soyer darauf anspricht, dass es zwischen den prächtigen Rabatten gar nicht nach Bolzschweißtechnik aussieht, lächelt er kurz, packt den Besucher am Arm und führt über das Grundstück. Drei Fertigungs- und Bürogebäude stehen hier zwischen opulenten Gärten.
Heinz Soyer spricht schnell, ohne Pause. "Auch um den Kreisverkehr draußen vor der Einfahrt kümmern wir uns. Dass das gut ausschaut." Jetzt schließt Soyer die Augen. Er macht das oft. Immer wenn er glaubt, etwas Wichtiges zu sagen. Jetzt sagt er mit geschlossenen Augen: "Das gehört ja auch dazu. Der Mittelstand, der kümmert sich halt noch in der Gemeinde. Wir spenden auch an jeden Verein hier. Wenn einer was bekommt, bekommen alles etwas."
Soyer Bolzschweißtechnik ist ein Begriff in der Region. Vor 40 Jahren gründete Soyer Senior das Unternehmen. Er glaubte, ein Schweißverfahren, welches das amerikanische Militär entwickelt hatte, verbessern zu können. Angefangen hat er alleine. Stetig kamen Mitarbeiter hinzu. Heute arbeiten 70 Menschen für Soyer Bolzschweißtechnik, das mittlerweile zu den weltweit führenden Unternehmen in seiner Branche gehört und im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 18 Millionen Euro verzeichnete.
Soyer produziert Bolzen und Gewinde, verkauft aber auch Schweißsysteme, von der kleinen Pistole für 500 Euro bis zu computergesteuerten Schweißtischen für mehrere 10.000 Euro. Bolzen können damit in weit unter 0,1 Sekunden mit dünnen Blechen verschweißt werden. Es geht um die Festigkeit der Verbindung und darum, dass möglichst keine Schweißwulst zurückbleibt.
In einer der Hallen weicht das friedliche Gartenidyll dem Dröhnen schweren Geräts. Wuchtige Maschinen pressen, drücken und schneiden aus dicken kabelartigen Strängen Metallstifte in allen Formen heraus. Maschinenöl schwere Luft durchwabert die Halle. Krachend fallen die Stifte in Plastikschachteln. Im Nebengebäude dagegen: Ruhe. Hier werden an Werkbänken die Präzisionsschweißgeräte montiert. Nur hin und wieder zerreist ein Knall die konzentrierte Stille. Wenn eines der Geräte ausprobiert wird. Dazu ein roter Blitz und innerhalb von Sekundenbruchteilen ist auch der kleinste Bolzen untrennbar mit einem Blech verbunden.
Soyer hat aufgrund der Wirtschaftskrise niemanden auf die Straße, auch nicht auf Kurzarbeit gesetzt. "Ich habe mir ausrechnen lassen, was wir dadurch sparen könnten. Eine ganze Menge. Aber es geht auch so." Dabei hat die Krise auch ihn schwer getroffen: "Anfang des Jahres war das ein absoluter Schock. Plötzlich bekamen wir keine Aufträge mehr. Vor allem die Nachfrage aus dem Ausland fiel plötzlich fast auf null. Und dann kam auch aus Deutschland kaum mehr etwas. Die Zahlungsausfälle sind deutlich gestiegen. Da haben wir uns schon angeschaut und gefragt: Was jetzt? Wir waren wie erstarrt."
Doch Soyer hat die Schockstarre überwunden: "Man darf auch mit der Aussicht auf schlechte Ernte das Säen nicht einstellen." Heinz Soyer öffnet die Augen wieder. Er hat viele solcher Lebensweisheiten parat. Und er hält sich daran. Sein Sohn und er sind in die Offensive gegangen: haben Kunden besucht, ihre Präsenz auf Fachmessen verstärkt, in neue Maschinen investiert.
Und deshalb erwartet das Unternehmen zwar in diesem Jahr einen Gewinneinbruch, doch Soyer glaubt, gestärkt aus der Krise hervorzugehen - so wie 30 Prozent der mittelständischen Familienunternehmen. Auch die erwartete Kreditklemme bereitet ihm kein Kopfzerbrechen. "Die Banken wollen uns als Kunde. Wir sind gesund."
Den deutschen Mittelstand hat die Krise nicht so schwer getroffen wie andere Wirtschaftsbereiche. Natürlich sind die Augen geschlossen als Heinz Soyer sagt: "Hier wird anders gearbeitet, als bei den Großen - krisensicherer. Es sind vor allem die als altmodisch geltenden Dinge, die dafür verantwortlich sind." Der Chef legt sehr viel Wert auf Unternehmertugenden: "Das Alte kommt wieder", glaubt er. "Und das macht uns auch in der Krise stärker." Er meint damit Tugenden wie Pünktlichkeit ("Ich war immer unpünktlich. Immer fünf Minuten zu früh") oder Sauberkeit (tatsächlich findet sich in den Toiletten der Belegschaft nicht mal ein Wasserfleck am Spiegel). Aber auch soziale Verantwortung, Zuverlässigkeit, Loyalität, Moral, Fleiß. "Erfolg ist immer eine Vergangenheitsgröße. Morgen geht alles wieder bei Null los."
Soyer hat seinen Beruf zum Hobby gemacht. Er war immer für die Firma da. "Ich habe immer gesagt: Erst die Firma, dann die Familie. Das mussten meine Frau und die Kinder einsehen." Und der 69-jährige Soyer, der so lange arbeiten will, wie es eben geht, denkt schon weit in die Zukunft. "Die Enkel lassen wir hier auf dem Firmengelände spielen. Das prägt, die sollen das von klein auf mitbekommen, was ein Familienunternehmen bedeutet."
Und tatsächlich scheint es vor allem ein auf langfristigen Erfolg ausgerichteter Managementstil zu sein, der dem Mittelstand durch die Krise hilft - im Gegensatz zu dem eher kurzfristig orientierten angloamerikanischen Unternehmerstil.
Heinz Soyer ist Unternehmer durch und durch. Er macht kaum Urlaub. Früher war er aber oft Bergsteigen. Da kam es schon mal vor, erzählt Soyer, dass er vormittags auf einen Viertausender stieg und nachmittags wieder hinter dem Schreibtisch saß. Er hasst Stillstand - und er wollte schon immer hoch hinaus. Dabei verlässt er sich am liebsten auf sich selbst: "Ich glaube, die Politiker mögen mich", sagt er, "weil ich nichts von ihnen will. Wir sind autonom, autark, brauchen keine Hilfe - sonst würden wir etwas falsch machen."
Der Autor ist freier Journalist in München.