NORWEGEN
Bei der Parlamentswahl haben vor allem die großen Parteien Stimmen gewonnen
Der von vielen erwartete Machtwechsel ist doch ausgeblieben. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg und seine rot-grüne Koalition haben es geschafft, bei der Wahl vom 14. September im norwegischen Parlament Stortinget wieder die Mehrheit zu erreichen. Stoltenbergs Arbeiderpartiet (AP, Arbeiterpartei) gelang es sogar, um drei Mandate auf 64 zuzulegen, während seine kleinen Koalitionspartner Senterpartiet (SP, Zentrum) und Sosialistisk Venstreparti (SV, Sozialistische Linkspartei) zusammen nur noch 22 statt zuvor 26 Parlamentssitze gewinnen konnten.
Die Tendenz ist auch im bürgerlichen Block zu erkennen, wo die großen Parteien, die konservative Høyre (H, Rechte) und die rechtsliberale Fremskrittsparti (FrP, Fortschrittspartei), zulegten, während die liberale Venstre (V) und die Kristelig Folkeparti (KrF, Christliche Volkspartei) weniger Mandate erlangten als noch vor vier Jahren. "Wir sehen eine verstärkte Blockbildung, Gegenströmungen, die die kleinen Parteien repräsentieren, sind für die Wähler weniger interessant gewesen als früher", sagt Trond Nordby, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Oslo.
Ziel der FrP, die erneut und mit leicht verbessertem Ergebnis zweitstärkste Partei geworden ist, war es, Stoltenberg zu stürzen und selber den Regierungschef zu stellen. Die Høyre wäre zu einer Koalition bereit gewesen, die beiden kleinen bürgerlichen Parteien KrF und Venstre aber hatten angekündigt, die FrP verhindern zu wollen, weil sie ihnen zu rechts war. Die Wähler hat das nicht überzeugt. Im Gegenteil: Høyre, die sich klar auf Seiten der FrP positionierte, legte im Schlussspurt zu.
Doch gewonnen hat die alte Regierung. "Der Koalition ist zugute gekommen, dass sie die Finanzkrise so gut gehandhabt hat. Norwegen steht besser da als alle anderen Länder in Europa", sagte Nordby.
Norwegen unterscheidet sich auch im parlamentarischen System von den meisten anderen Staaten Europas. In Norwegen gilt zwar das Verhältniswahlrecht, wobei die Regionen, fylke und kommune, eigene Listen haben und neben den 150 festen Mandaten an alle Parteien, die national mehr als vier Prozent der Stimmen erhalten, Überhangmandate vergeben werden.
Nun bleibt also alles beim alten. Oder doch nicht? Schließlich hat die Arbeiterpartei in der Koalition an Stärke gewonnen. "Gleichzeitig ist Stoltenberg aber auf die SV angewiesen, um die Koalition fortzusetzen. Sie werden womöglich einen Ministerposten verlieren, aber nicht unbedingt an Macht einbüßen", sagte Nordby. Die SV ist programmatisch in etwa eine Mischung aus Linkspartei und Grünen. "Die eigentlichen Grünen sind in Norwegen anders als in Deutschland bedeutungslos, die SV erfüllt deren Position im Parlament", erklärt der Politikwissenschaftler Nordby.
Aktuell steht Norwegen vor der nicht nur umwelt-, sondern auch wirtschaftspolitisch besonders schwerwiegenden Entscheidung, ob vor den Lofoten nach Öl gebohrt werden darf. Die kleinen Koalitionspartner sind dagegen, die Sozialdemokraten haben sich im Wahlkampf nicht festlegen wollen. Norwegen ist einer der größten Ölexporteure weltweit und hat seinen Reichtum - Platz zwei in der Industrieländerorganisation OECD - vor allem dem schwarzen Gold zu verdanken.
In der Koalition gibt es viele mögliche Bruchstellen, nicht nur die Lofoten. Womöglich könnte die neue alte Regierung also vor Ende der Wahlperiode zerbrechen. Dann könnte es wieder zu einer Minderheitsregierung der Sozialdemokraten kommen - das gilt ohnehin als Stoltenbergs geheimer Wunsch.
Der neue und alte Ministerpräsident Jens Stoltenberg am Wahlabend.