Keine Frage, mir bedeutet es sehr viel, dass ich am 27. September endlich wählen kann. Es gehört doch zum Erwachsenwerden dazu, mitentscheiden zu dürfen! Zur Wahl werde ich aber mit meiner Mutter gehen, denn allein würde ich mir im Wahllokal ein bisschen hilflos vorkommen.
Merkwürdig ist nur: Bis vor einem halben Jahr habe ich mich gar nicht für Politik interessiert. Da wäre mir das alles völlig egal gewesen. Doch meine Einstellung hat sich kurz vor der Europawahl völlig geändert. Damals kamen verschiedene Vertreter der Parteien zu einer Podiumsdiskussion in unsere Schule. Einige habe ich später auf Plakaten wiederentdeckt, das hat mich total begeistert. Die Politiker haben sich sehr viel Zeit genommen und so interessant und spannend diskutiert, dass ich am liebsten schon sofort bei den Europawahlen mitgewählt hätte. Aber da war ich noch nicht 18.
Seitdem begeistere ich mich aber für Politik. Ich gucke mir die Wahlplakate in der Stadt jetzt genau an und möchte wissen, welche Partei was macht. Ich lese auch die Zeitung viel genauer und verfolge die Nachrichten. Neulich habe ich den Wahl-O-Mat gemacht - das Ergebnis hat mich nicht überrascht. Im Nachhinein war es richtig blöd von mir, dass ich bisher so wenig aktiv war. Aber ich sehe es ja auch an meinen Freunden und Klassenkameraden: Ihr Interesse an Politik steigt, je älter sie werden. Insgesamt ist Politik aber kein großes Thema bei mir im Freundeskreis.
Wenn ich die Zeit hätte, würde ich mich gerne selber in der Politik engagieren. Aber jetzt mache ich ja erst mal Abitur. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass man viel öfter wählen darf, nicht nur alle vier Jahre. Es sollte viel mehr Wahlen und mehr Volksentscheide zu bestimmten Themen geben.
Ob ich mit meiner Stimme etwas beeinflussen kann? Das hoffe ich! Natürlich werde ich allein nichts verändern. Aber wenn ich mit anderen Leuten spreche und merke, dass sie die gleiche Meinung haben wie ich und dass sie die gleiche Partei gut finden, dann denke ich: Okay, wenn wir alle wählen gehen, kann das schon etwas verändern. Für mich jedenfalls kommt Nichtwählen nicht in Frage. Leute, die nicht wählen gehen, kann ich nicht verstehen.
Welche Partei ich wähle, entscheide ich ganz allein. Klar wird man immer auch ein bisschen durch seine Eltern beeinflusst. Aber meine Meinung habe ich mir zum größten Teil selbst gebildet. Ich weiß ja, was mir wichtig ist: Umweltpolitik vor allem, weil ich so ein Naturmensch bin. Frauen sind außerdem immer noch benachteiligt in der Gesellschaft. Ich wünsche mir, dass sie wirklich gleichbehandelt werden.
Trotzdem ist es sehr schwer, sich für eine Partei zu entscheiden. Denn im Grunde sagen doch auf den Wahlplakaten alle dasselbe - Umweltschutz zum Beispiel wollen heute alle. Die Parteien kopieren sich gegenseitig! Wenn man keine Ahnung hat, wählt man irgendwas, weil man sie überhaupt nicht unterscheiden kann. Ich finde, da müsste eine klarere Linie gezogen werden.
Mit meinen Eltern rede ich oft über Politik. Diskutieren kann man das eigentlich nicht nennen, weil wir meistens einer Meinung sind. Aber ich frage sie zum Beispiel nach bestimmten Begriffen und Zusammenhängen. In der Politik wird ja viel Fachsprache verwendet, die man als normaler Bürger nicht leicht verstehen kann. Bei einigen Themen, zum Beispiel Steuerpolitik, schalte ich völlig ab - das ist einfach zu kompliziert.
Was mich enttäuscht: Auf die Bundestagswahl werden wir in der Schule gar nicht vorbereitet. Das ist vor allem für uns Erstwähler schlecht - und das sind ja viele in meinem Jahrgang. Wie sollen wir erfahren, wie das alles funktioniert? Was eine Erststimme ist, was eine Zweitstimme? Das musste ich alles meine Eltern fragen.
Klar, ich gehe aufs Gymnasium, die Grundsätze der Demokratie wurden mir vermittelt. Aber man ist schon sehr auf sich allein gestellt. Ich fürchte, viele werden gar nicht wissen, was sie tun müssen, wenn sie erstmal im Wahllokal stehen.