LISSABON-VERTRAG
Die tschechischen Verfassungsrichter entscheiden über seine Zukunft
In dieser Woche wird die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag erwartet. Eine Gruppe von europaskeptischen Senatoren zweifelt die Vereinbarkeit des EU-Reformvertrags mit der tschechischen Verfassung an und hat deshalb die Klage vor dem höchsten Gericht angestrengt. Erst wenn das Verfassungsgericht mit Sitz in Brünn grünes Licht zum Lissabon-Vertrag gibt, kann Staatspräsident Václav Klaus die Ratifizierung abschließen.
Politische Beobachter in Tschechien gehen einhellig davon aus, dass die Richter die Konformität von Lissabon-Vertrag und Landesverfassung bestätigen. Schon im vergangenen Jahr haben sie sich mit dem europäischen Vertragswerk befasst und keine rechtlichen Konflikte festgestellt. Damals überprüften sie allerdings nur einige besonders strittige Passagen und nicht den Lissabon-Vertrag in seiner Gesamtheit. Damit machten sie den Weg frei für eine erneute Anrufung des Gerichts. Nach Ansicht der Kläger steht der Lissabon-Vertrag im Widerspruch zu Artikel 1 der tschechischen Verfassung, der die Souveränität des Rechtsstaates definiert. Mit der Abtretung von Kompetenzen an Brüssel sei diese Souveränität gefährdet.
Ursprünglich wurde die Entscheidung der höchsten Richter schon in der vergangenen Woche für den ersten Verhandlungstag erwartet. Die Anhörung allerdings endete in einem Eklat: Die klagenden Senatoren haben zahlreiche neue Ergänzungsanträge gestellt, mit denen sich die Richter zunächst beschäftigen müssen. Unter anderem stellten sie einen Befangenheitsantrag, weil sich der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Pavel Rychetsky, im Vorfeld des Prozesses mit dem deutschen Botschafter in Prag, Johannes Haindl, getroffen hatte. Das Gericht lehnte den Befangenheitsantrag ab. Rychetsky bezeichnete das Vorgehen der Kläger mit Blick auf die zahlreichen zusätzlichen Anträge als "Obstruktion". Indes hat Staatspräsident Václav Klaus, der als überzeugter Gegner des Lissabon-Vertrags gilt, offenbar dem tschechischen Premierminister Jan Fischer zugesagt, den Lissabon-Vertrag auch wirklich zu unterzeichnen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Ein positives Votum des Verfassungsgerichts und eine Ausnahme Tschechiens von der Grundrechtecharta, die fester Bestandteil des Lissabon-Vertrags ist. Klaus argumentiert, dass die Grundrechtecharta den heimatvertriebenen Sudetendeutschen ein Instrument für Restitutionsforderungen in die Hand geben könnte. Der Ausnahmeregelung stimmten die EU-Staats- und Regierungschefs am 29. Oktober zu. Geben jetzt noch die Richter grünes Licht, steht der Unterschrift des Präsidenten nichts mehr im Weg.