INNERES
Von Afghanistan bis Zuwanderung: Auf der Agenda der Innenpolitiker steht eine breite Themenpalette
Schon bei der ersten innenpolitischen Bundestagsdebatte der neuen Legislaturperiode hatte es Mitte November ungewohnt harmonische Töne gegeben, und fast noch freundlicher gingen der neue Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und die Opposition am 16. Dezember im Innenausschuss miteinander um. Rund anderthalb Stunden erläuterte der Ressortchef dem Ausschuss seine Vorhaben und diskutierte mit den Parlamentariern über die innenpolitische Agenda der kommenden vier Jahre. Und wie schon im Plenum bot der CDU-Politike den Abgeordneten gleich zu Beginn seiner Ausführungen eine "guten Kooperation" an, versehen mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sich dieses Angebot auch auf die Opposition beziehe.
Dergleichen hörte die Opposition naturgemäß gerne und reagierte entsprechend freundlich: Die SPD-Fraktion sagte de Maiziere eine kritische und konstruktive Begleitung seiner Arbeit zu, und Linksfraktion wie Grüne begrüßten explizit die im Vergleich zu Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) "neuen Töne" des Ministers. Während die Linksfraktion dabei ihrerseits die Hoffnung auf gute Zusammenarbeit äußerte, kündigten die Grünen dem Minister an, ihre Oppositionsrolle unnachgiebig, aber fair auszufüllen. Die FDP-Fraktion wiederum sicherte de Maiziere zu, in den kommenden vier Jahren ein fairer und konstruktiver Partner zu sein.
Der neue Ressortchef machte in der Ausschusssitzung deutlich, hinsichtlich der "öffentlichen Sicherheit" seine Aufgabe als Innenminister auch darin zu sehen, "zusammenzuführen". Sollte es einmal eine wirkliche Krise geben, brauche man ein "Grundvertrauen", argumentierte er und nannte es eine "Kernaufgabe" des Staates, für öffentliche Sicherheit zu sorgen. Zugleich bekannte sich der frühere Kanzleramtschef zu den entsprechenden Maßnahmen einschließlich der Anti-Terror-Gesetze, die die große Koalition in der vergangenen Wahlperiode durchgesetzt hatte, verwies aber auch auf die in der schwarz-gelben Koalition vereinbarten Änderungen am BKA-Gesetz.
Mit Blick auf die innenpolitischen Vorhaben der neuen Legislaturperiode sagte der Ressortchef, er hoffe, dass ein erster Referentenentwurf zum geplanten Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Ende Februar nächsten Jahres vorliege. Zugleich kündigte er an, sich tiefer und gründlicher mit Fragen der Informationsgesellschaft befassen zu wollen, nachdem man sich in diesem Bereich bislang mehr mit Einzelaspekten befasst habe. So stelle sich etwa die Frage, ob der Staat beim Internet eine Eingriffs- oder Gewährleistungsfunktion habe. Als ein weiteres Vorhaben nannte de Maiziere die Gründung einer "Stiftung Datenschutz", über deren genaue Konstruktion noch zu reden sei.
Fortgesetzt werden soll dem Ressortchef zufolge die Islamkonferenz, bei der er Fortschritte etwa im Bereich der religiösen Bildung auf Schul- und Hochschulebene sowie bei der Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau erreichen will. Auch die Abgrenzung des Islam zum Islamismus solle konkretisiert werden.
De Maiziere begrüßte daneben den Beschluss der Innenministerkonferenz, das Bleiberecht für geduldete Ausländer um zwei Jahre bis Ende 2011 zu verlängern, und warb dafür, dass sich der Bundestag in der neuen Legislaturperiode nur einmal mit dem Bleiberecht befasst und nicht "kleckerweise" (siehe Seite 4).
Der Minister verwies zugleich auf die wachsende Gewalt gegen Polizisten und auch Rettungskräfte in Deutschland und hielt dabei einen besseren strafrechtlichen Schutz zugunsten der Polizeibeamten und anderen Betroffenen für geboten. Ferner plädierte er für verstärkte Bemühungen zur Bekämpfung des sich in Ballungszentren wie Berlin verstärkenden Linksextremismus, ohne dabei die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu vernachlässigen.
Die Zahl der in Afghanistan in bilateralem Rahmen sowie bei der EU-Polizeimission EUPOL eingesetzten deutschen Polizisten soll nach den Worten des CDU-Politikers deutlich aufgestockt werden und Mitte des kommenden Jahres bei 200 liegen. Ob sich aus der für Januar 2010 geplanten Afghanistan-Konferenz mehr ergebe, werde man sehen, sagte de Maiziere. Er zeigte sich zugleich unzufrieden mit EUPOL und machte deutlich, eine Änderung des entsprechenden Mandats anzustreben. Einen deutschen Aufwuchs bei EUPOL könne es nur bei einem veränderten Mandat geben.
In der Diskussion bezeichnete die SPD-Fraktion die Integrationspolitik als das "Megathema" der Innenpolitik, dem in allen Facetten "absoluter Vorrang" eingeräumt werden müsse. Zugleich warb sie für Änderungen beim Ausländerrecht und sah "Modernisierungsbedarf" beim Staatsangehörigkeitsrecht. Daneben sprach sie sich für die Aufnahme plebiszitärer Elemente ins Grundgesetz aus - ein Vorhaben, dem de Maiziere indes keine Chance einräumte. Bereits in der Vergangenheit ist bei entsprechenden Vorstößen im Bundestag nie die für Verfassungsänderungen erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande gekommen.
Die Grünen-Fraktion forderte eine Streichung des sogenannten Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht, wonach sich Kinder ausländischer Eltern, die mit ihrer Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben, zwischen 18 und 23 Jahren für einen Pass entscheiden müssen. Sie warnte zudem vor der Vorstellung, dem Problem der Gewalt von Hooligans allein mit Strafrechtsverschärfung begegnen zu können.
Die Linksfraktion mahnte ein "Datenschutzrecht des 21. Jahrhunderts" an und sah dringenden Handlungsbedarf beim Arbeitnehmerdatenschutz. Die FDP-Fraktion wertete es positiv, dass der Minister das Internet "als Chance und nicht als Bedrohung" empfinde.