DATENSCHUTZ
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Vorratsdatenspeicherung rechtmäßig ist
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) befand sich in einer wenig beneidenswerten Lage: Hatte die liberale Politikerin 2007 zu denen gehört, die gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu Felde zogen und beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht hatten, kam es Ende 2009 zu einem Rollenwechsel: Leutheusser-Schnarrenberger trat als Justizministerin die Nachfolge von Brigitte Zypries (SPD) an, die das Gesetz vorangetrieben hatte. Um nicht in einen Konflikt mit sich selbst zu geraten, fuhr die FDP-Ministerin am 15. Dezember zur mündlichen Verhandlung über das Gesetz zur Voratsdatenspeicherung gar nicht erst nach Karlsruhe.
Dort kündigte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzende des Ersten Senats, Hans-Jürgen Papier, an, sein Gericht wolle grundsätzlich über die Speicherpflicht von Telefon- und Internetverbindungsdaten entscheiden. "Es wird das verfassungsrechtliche Grundsatzproblem zu beleuchten sein, ob eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung über einen Zeitraum von sechs Monaten, wie sie das Gemeinschaftsrecht zwingend vorgibt, überhaupt mit dem Telekommunikationsgeheimnis vereinbar sein kann", sagte Papier. Insgesamt waren 35.000 Beschwerden gegen das Gesetz eingegangen, das Gericht wählte drei als Musterklagen aus.
Der Grünen-Politiker Volker Beck warnte als einer der Kläger vor einem "schwarzen Tag für die Magna Charta des Datenschutzes". Bundestagsvizepräsidentin und Mitklägerin Petra Pau (Die Linke) ließ wissen, dass mehrere Sachverständige ihre Auffassung bestätigt hätten, wonach die Vorratsdatenspeicherung "demokratiefeindlich" sei und "zahlreiche verbriefte Grundrechte" außer Kraft setze. Und der Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar wehrte sich gegen die Ansicht, dass alle Daten, die nützlich seien, auch gespeichert werden dürften.
Nach dem 2008 in Kraft getretenen Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt, werden Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten für sechs Monate gespeichert. Abrufbar sind sie zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr. Das Gericht hat die Anwendbarkeit des Gesetzes vergangenes Jahr mit zwei einstweiligen Anordnungen vorerst eingeschränkt. Ein Urteil aus Karlsruhe wird im nächsten Frühjahr erwartet.