An den Dezember 2003 kann Gerd Schmitt sich noch gut erinnern. Damals schlief er sogar eine Nacht auf der Couch in seinem Büro. Wenn er denn zum Schlafen kam. Um nach Hause zu fahren, blieb keine Zeit. Und nicht nur ihm ging es so: Sieben Tage und Nächte verhandelten die Mitglieder des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat damals über die Agenda 2010 der damaligen rot-grünen Regierung. Sieben Tage und Nächte arbeiteten nicht nur die Politiker, sondern auch die Menschen hinter den Kulissen. Wie Gerd Schmitt, der Geschäftsführer des Ausschusses.
Das Gremium soll, so sagt es schon der Name, einen Kompromiss aushandeln. Angerufen werden kann es vom Bundesrat, der Bundesregierung oder dem Bundestag. "Der häufigste Fall ist, dass der Bundesrat mit einem Gesetz des Bundestages nicht einverstanden ist und deswegen den Ausschuss anruft", sagt Schmitt. Bundestag und -regierung können den Ausschuss nur zur Hilfe rufen, wenn der Bundesrat zuvor die Zustimmung zu einem Gesetz verweigert hat, das ohne seine Erlaubnis nicht in Kraft treten kann. 16 Mitglieder des Bundestages sitzen 16 Vertretern des Bundesrates gegenüber. Ohne dass die Öffentlichkeit auch nur ein Wort aus den Verhandlungen erfahren soll, verhandeln sie über einen Kompromissvorschlag, der dann von Bundestag und -rat beschlossen werden muss. Wie häufig der Ausschuss angerufen wird, hängt auch von den Mehrheitsverhältnissen in Bund und Ländern ab. In der vergangenen Wahlperiode, in der Union und SPD zusammen regierten und auch die Mehrheiten in den Landesregierungen stellten, war das Leben für Schmitt recht ruhig: Gerade einmal 18 mal kam das Gremium zusammen, zum Beispiel beim Familienleistungsgesetz und dem Gesetz, mit dem die Aufgaben des Bundeskriminalamtes ausgeweitet wurden. Die stressigste Zeit hatte er in den drei Jahren davor. Von 2002 bis 2005, in der der rot-grünen Bundesregierung viele unionsdominierte Länder gegenüberstanden, wurde der Ausschuss ganze 100 mal angerufen.
"Wichtig zu wissen ist, dass der Vermittlungsausschuss kein Über-Parlament ist, sondern nur Vorschläge unterbreiten kann", sagt Schmitt. Die Ergebnisse müssten dann noch von Bundestag und -rat beschlossen werden. Werden sie von den beiden Gremien allerdings genehmigt, werden sie auch Gesetz. Will heißen: Sollten sich dort Fehler einschleichen, könnten diese nur durch ein neues Gesetz korrigiert werden.
Das bedeutet natürlich, dass die Geschäftsstelle des Ausschusses, die an der Formulierung der Texte beteiligt ist, besonders sorgfältig sein muss. Drei Juristen, einschließlich Schmitt, arbeiten dort. Ihre erste Aufgabe: die Vorbereitung der Sitzungen. Der Termin soll möglichst immer vor der nächstmöglichen Sitzung des Bundesrates liegen und am Besten noch in einer Sitzungswoche des Bundestages. Dann gilt es für Schmitt und seine Mitarbeiter, Gesetzesunterlagen zusammenzustellen, den Sitzungssaal zu buchen, die Stenografen zu beauftragen und mit den Referenten der betroffenen Ressorts in der Bundesregierung zu sprechen. "Unser Ziel ist es, die Einigungsvorschläge so aufzubereiten, dass am Ende ein abstimmungsfähiger Vorschlag für Bundestag und Bundesrat vorliegt", erzählt Schmitt.
Dafür müssen sie sich immer wieder in wenigen Tagen in neue Themen einarbeiten. Vor den Sitzungen klopfen sie zum Beispiel die Vorstellungen der Beteiligten ab. Vorschläge setzen sie in Gesetzestexte um, als Diskussionsgrundlage. "Wir müssen die Materie vor der Sitzung schon so gut kennen, dass wir während des Termins schnell auf Änderungswünsche reagieren können", sagt er. Die Belohnung: "Hier werden die wirklich spannenden Themen verhandelt, man befindet sich immer mitten in der politischen Auseinandersetzung. Im Vordergrund steht die Sacharbeit - es werden keine Fensterreden gehalten", schwärmt Schmitt.