20. Sitzung
Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung darauf verständigt, die Frist für die Einreichung von Fragen für die Fragestunde am Dienstag, dem 9. Februar 2010, auf Donnerstag, den 4. Februar 2010, 10 Uhr, vorzuverlegen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme und zur Einführung eines Sonderprogramms mit Maßnahmen für Milchviehhalter sowie zur Änderung anderer Gesetze (Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz - SozVersStabG)
- Drucksache 17/507 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE
Versicherte in der Krise schützen - Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit entschärfen
- Drucksache 17/495 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Steffen Kampeter das Wort.
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die soziale Marktwirtschaft als die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ist keine Schönwetterveranstaltung. Sie hat sich in ihrer mehr als 60-jährigen Geschichte vor allen Dingen bei großen Herausforderungen bewährt. Dabei kam es uns allen zugute, dass unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung kein statisches System ist, sondern sich ständig fortentwickelt hat.
Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geburtsstunde und zugleich die erste Bewährungsprobe einer Ordnung, die Freiheit und Verantwortung miteinander verknüpft. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass viele von dieser Phase als der Zeit des Wirtschaftswunders sprechen. Diese Ordnung hat Staat und Markt so miteinander verknüpft, dass die Verheißung vom ?Wohlstand für alle? sich nicht lediglich für wenige erfüllte.
Die Wiedervereinigung war eine große Bewährungsprobe, aber auch eine Bestätigung für das Konzept der sozialen Marktwirtschaft, in dem Maß und Mitte eine zentrale Rolle spielen. Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion wurde die soziale Marktwirtschaft als die Ordnung für das gesamte Deutschland fortentwickelt. In einer beispiellosen Solidaritätsaktion wurden die Folgekosten des Sozialismus übernommen und der Grundstein für eine Erfolgsgeschichte der Ideen von Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke und Alfred Müller-Armack gelegt.
Wie zu den Zeiten der beiden ersten großen Herausforderungen unserer Ordnung ist es wiederum eine christlich-liberale Regierung, die die soziale Marktwirtschaft als Maßstab für ihre Handlungen in der Krise nimmt, dieses Mal für die Wiedererlangung von Wachstum und Stabilität nach der weltweit größten Wirtschafts- und Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rezession ist vorbei; die Gefahr von Rückschlägen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. In jedem Falle sind die Krisenfolgen allerorten noch deutlich spürbar. Dies gilt nicht nur für die Finanzmärkte, die durch eine internationale Aktion stabilisiert wurden; dies gilt auch für die sozialen Sicherungssysteme, die krisenbedingt unter einem erheblichen Stress stehen.
Wir, die christlich-liberale Regierung, wollen die Anpassungslasten in den sozialen Sicherungssystemen nicht ausschließlich den Beitragszahlern aufbürden. In einer sozialen Marktwirtschaft, so wie wir sie verstehen, gilt es jetzt, Beschäftigung und die sozialen Sicherungssysteme in einer gleichwohl ungewöhnlichen Solidaritätsaktion zu stabilisieren. Diesem Ziel, dieser Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft, dient der heute eingebrachte Gesetzentwurf.
Wir wollen konjunktur- bzw. krisenbedingte Mindereinnahmen in der Arbeitslosenversicherung und in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Steuermitteln auffangen und damit sowohl die Lohnzusatzkosten als auch die Nettoeinkünfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stabilisieren. Das heißt, im Bereich der Bundesagentur für Arbeit soll das nach bisheriger Rechtslage im Haushaltsjahr 2010 zu gewährende Darlehen in einen Zuschuss an die Bundesagentur umgewandelt werden.
Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2010 sieht hierfür einen Betrag in Höhe von 16 Milliarden Euro vor. Ausschlaggebend ist: Ohne diesen Zuschuss des Bundes müsste der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung spürbar erhöht werden. Nur so würde die Bundesagentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, das sonst notwendige Darlehen zeitnah zurückzuzahlen. Ich bin sicher, dass Sie meine Meinung teilen: Eine signifikante Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung wäre in der gegenwärtigen arbeitsmarkt- und konjunkturpolitischen Lage gelinde gesagt mehr als kontraproduktiv. Sie gilt es zu vermeiden.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung soll der Gesundheitsfonds im laufenden Jahr einen einmaligen zusätzlichen Zuschuss in Höhe von 3,9 Milliarden Euro erhalten. Ohne diesen einmaligen Zuschuss zur Kompensation krisenbedingter Einnahmeausfälle im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung würde sich der Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen - Stichwort Zusatzbeiträge - noch weiter erhöhen, als es zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedauerlicherweise der Fall ist.
Unter Berücksichtigung dieses zusätzlichen Zuschusses erhält der Gesundheitsfonds im laufenden Jahr Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt in Höhe von fast 16 Milliarden Euro; das sind rund 5 Prozent der von der Regierung veranschlagten Ausgaben für das Jahr 2010. Nehmen wir die Bereiche Arbeitslosenversicherung und gesetzliche Krankenversicherung zusammen, wird deutlich, dass jeder zehnte Euro dieses Bundeshaushalts für Maßnahmen zur Stabilisierung der Beiträge in den sozialen Sicherungssystemen ausgegeben wird. Das zeigt, wo derzeit der Schwerpunkt unserer Aktivitäten als Reaktion auf die Finanzmarktkrise liegt.
Zur Unterstützung der milcherzeugenden Landwirte schaffen wir einen Ausgleich der konjunkturell bedingt schwierigen Einnahme- bzw. Liquiditätssituation der deutschen Landwirte. Es geht auch darum, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung leistungsfähige Betriebe am Markt zu erhalten. Uns ist es besonders wichtig, die Milchproduktion an sogenannten Grünlandstandorten zu bewahren. Auf Grünland besteht häufig keine Alternative zur Milchproduktion. Gleichzeitig ist Grünland aus ökologischen, aber auch aus landschaftskulturellen Aspekten ein Milcherzeugungsstandort, der in der gegenwärtig schwierigen Situation auch unter konjunkturellen Gesichtspunkten einer besonderen Beachtung bedarf.
Neben dem Grünlandmilchprogramm, dessen wesentlicher Bestandteil das Milchsonderprogramm ist und für das der Bund im laufenden Jahr ungefähr 300 Millionen Euro aufbringt, wird der Bereich Landwirtschaft mit weiteren Maßnahmen unterstützt. Wir stabilisieren durch einen Zuschuss die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Zudem gibt es Liquiditätshilfen für Landwirte. Im Jahr 2010 sind für die Landwirtschaft insgesamt 425 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen. Es bleibt bei unserer Festlegung, die wir im Koalitionsvertrag getroffen haben: Wir werden den Bereich der Landwirtschaft in diesem und im kommenden Jahr auf Initiative der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner mit insgesamt 750 Millionen Euro zusätzlich unterstützen.
Neben diesen drei finanziellen Unterstützungsmaßnahmen enthält der Entwurf dieses Gesetzes auch Änderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik; denn soziale Marktwirtschaft bedeutet auch, in dieser Krisensituation die Lebensleistung der Menschen zu berücksichtigen. Konkret: Wir verdreifachen das Schonvermögen für Langzeitarbeitslose von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr.
Die Menschen, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Arbeit verlieren, sollen nicht gezwungen sein, ihre private Altersvorsorge aufzulösen, um damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, und dies im schlimmsten Fall mit der möglichen Folge, dass sie im Alter unterstützungsbedürftig werden. Demgegenüber erfordert die von uns vorgeschlagene gerechtere Vermögensanrechnung mehr Eigenverantwortung. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut. Sie stärkt in allen Bevölkerungsgruppen die Anreize, für das Alter vorzusorgen. Sie ist gelebte soziale Marktwirtschaft, so wie sie die christlich-liberale Koalition versteht.
Bundesminister Schäuble hat bereits in der vergangenen Haushaltswoche bekräftigt: Der Bundeshaushalt 2010 ist ein wichtiger und zentraler Meilenstein zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir schreiben die Konjunkturpakete I und II und das Bürgerentlastungsgesetz fort, und wir entwickeln das Sofortprogramm der christlich-liberalen Koalition weiter. Aber erst mit dem Inkrafttreten des heute vorgelegten Entwurfs des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes können die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Der Bundeshaushalt auf der einen und dieses Gesetz auf der anderen Seite sind eng miteinander verzahnt.
Beide tragen dazu bei, dass die Lasten bei der Bewältigung der großen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht einseitig und ungerecht verteilt werden.
Zulasten der öffentlichen Haushalte haben wir das Überleben des Finanzsektors unseres Landes gesichert. Jetzt wollen wir der Gesamtheit der Beitragszahler zu den sozialen Sicherungssystemen in einer entsprechenden Weise Teile der Lasten abnehmen. Das ist die Zielsetzung dieses Gesetzesvorhabens.
So richtig und wichtig es ist, in der gegenwärtigen Krise zu stabilisieren, so richtig und wichtig ist es auch, auf eine konsistente und geordnete Strategie für den Ausstieg aus den staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen zu achten und diese - das haben wir angekündigt - entschieden durchzusetzen. Das heißt auch: Wir müssen uns jetzt mit Bedacht mit den Strukturen des Bundeshaushaltes und mit den Strukturen unserer sozialen Sicherungssysteme beschäftigen. Wir müssen gerade im Hinblick auf die neue Schuldenregel im Grundgesetz ganz genau hinschauen: Wo gibt es Ineffizienzen? Was können wir besser machen? Wo besteht über dieses Gesetz hinaus ordnungspolitischer Handlungsbedarf?
Dabei ist für uns die soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert Maßstab des Handelns zur Wiedererlangung von Wachstum und Stabilität.
Das bedeutet für diese Bundesregierung: Wir lassen die Menschen nicht im Stich. Konsolidierung und Gerechtigkeit sind kein Widerspruch, nein, sie bedingen einander. Auf unsere Wirtschaftsordnung, die sich in der Krise so handlungs- und reaktionsfähig zeigt, sollten wir stolz sein. In diesem Sinne werbe ich um die Zustimmung zu diesem Gesetz.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion.
Bettina Hagedorn (SPD):
Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Kampeter, ich bin Ihnen eigentlich sehr dankbar dafür, dass Sie gerade darauf hingewiesen haben, dass zwischen diesem Gesetzentwurf und dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2010, über den wir hier vor einer Woche diskutiert haben, eine enge Verzahnung besteht. Allerdings meine ich das ganz anders, als Sie das gerade suggeriert haben.
Es ist nämlich so: Wenn man sich den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2010 genau anschaut, dann könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass sich in diesem Gesetz ein Zuschuss der Steuerzahler und an verschiedene Gruppen der Gesellschaft, vor allen Dingen aber an die BA und den Gesundheitsfonds von 20,6 Milliarden Euro verbirgt. Das ist aber nicht so. Um das zu erkennen, muss man das Kleingedruckte in diesem Gesetzentwurf lesen. In Wahrheit werden wir am Ende dieses Haushaltsjahres gemeinsam feststellen, dass es ungefähr, wenn überhaupt, 14 Milliarden Euro sein werden. Die 6 Milliarden Euro Differenz, die dazwischenliegen, werden nur bei einem Träger eingespart, so werden Sie es jedenfalls nennen - Sie werden von ?Einsparungen? reden -, und das wird die Bundesagentur für Arbeit sein. Wenn irgendeiner von den Kollegen hier das nicht so ganz nachvollziehen kann, bin ich gerne bereit, ihm das auf Nachfrage näher zu erläutern.
Wir reden heute über den Entwurf eines Gesetzes mit dem prägnanten, aber leicht irreführenden Titel ?Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz?. Die Gesetzesbegründung gibt vor, die in der Wirtschaftskrise notleidenden sozialen Sicherungssysteme bei Arbeitslosigkeit und Krankheit jeweils mit einem einmaligen Steuerzuschuss absichern zu wollen - ich sprach schon davon: 20 Milliarden Euro sollen es laut Haushaltsentwurf der Regierung sein -, um Beitragserhöhungen mitten in der Krise zu vermeiden und die Lohnnebenkosten stabil zu halten. Ein prinzipiell guter und richtiger Gedanke, dem sich auch die SPD prinzipiell sofort anschließen kann.
Aber Achtung: Nur weil jemand einen richtigen Gedanken zu haben vorgibt oder ein richtiges Ziel wie eine Monstranz vor sich herträgt, will er noch lange nicht die richtigen Instrumente gesetzlich festlegen, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen.
Mit den Namen von Gesetzen ist es bei dieser schwarz-gelben Koalition ja so eine Sache, wie wir schon in den ersten Regierungsmonaten lernen mussten. Auf der Verpackung steht manchmal etwas ganz anderes, als drin ist.
Gemeinhin ist dieser Tatbestand als Etikettenschwindel bekannt. Das war schon beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz so,
von dem alle Sachverständigen der Republik übereinstimmend sagen, dass es weder zu wirtschaftlichem Wachstum führt noch dieses etwa beschleunigt.
Schuldenbeschleunigungsgesetz oder Hotelierfördergesetz wären zutreffendere Namen.
Wie dem auch sei, wer keinem Etikettenschwindel aufsitzen will, der ist gut beraten, sich den Inhalt kritisch anzuschauen und auch das Kleingedruckte zu lesen.
Was also steckt im sogenannten Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz? Es steckt ein ganzer Bauchladen drin, ein Maßnahmebündel, das teilweise gut und richtig ist
und teilweise in die falsche Richtung geht. Da ist zunächst das Sonderprogramm für Milchviehhalter in Höhe von knapp 200 Millionen Euro pro Jahr. Da sind die Gründland- und die Kuhprämie, für die im Gesetzentwurf minutiös 54 Rinderarten aufgelistet sind. Das ist sicherlich weder ein Beitrag zum Bürokratieabbau à la FDP noch einer zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme.
Mein Kollege Wilhelm Priesmeier wird noch im Detail darauf eingehen.
Als weitere Maßnahme sieht der Gesetzentwurf die Verdreifachung des sogenannten Schonvermögens vor, das Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, zur Vorsorge für das Alter absichern soll. Dieser Maßnahme stimmt die SPD mit ganzem Herzen zu. Schade ist nur, liebe Kollegen der CDU/CSU, dass Sie solche vernünftigen sozialen Maßnahmen, solange wir gemeinsam regiert haben, stets blockierten und erst jetzt auf solche vernünftigen Vorschläge kommen.
Das könnte mit dem sozialeren Teil Ihrer Partei und mit bevorstehenden Wahlen in NRW zu tun haben. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Wie dem auch sei, mit dieser Maßnahme helfen wir zu Recht einer Bevölkerungsgruppe. Leider ist dies nur eine sehr kleine; denn nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem dritten Quartal 2009 können nur 0,2 Prozent der Antragsteller auf Arbeitslosengeld II von dieser Regelung profitieren. Immerhin, für diejenigen, die jahrzehntelang gearbeitet, gespart oder geerbt haben und jetzt gerade in der Krise - entgegen der Unterstellung von Ministerpräsident Koch meist trotz großer Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz - ohne Chance auf einen Job bleiben,
ist es tröstlich und gerecht, dass ihnen dieser stattliche Betrag zur zusätzlichen Altersvorsorge bleibt.
Ferner sieht dieser Gesetzentwurf einen steuerfinanzierten einmaligen Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung von 3,9 Milliarden Euro vor. Auch das ist eine grundsätzlich positive und richtige Maßnahme. Allerdings bleibt die Frage, warum in diesem Gesetzentwurf krisenbedingte Einnahmeausfälle im Bereich Gesundheit in Höhe von 3,9 Milliarden Euro genannt werden und bei der Bundesagentur für Arbeit der komplett gleiche Sachverhalt nicht mit einer klaren Zahl wie im Haushaltsentwurf, nämlich 16 Milliarden Euro, beschrieben wird, sondern mit einer ausgesprochen komplizierten Formulierung. Dies wird automatisch dazu führen, dass die Bundesagentur für Arbeit bis Ende dieses Jahres ihre momentane Rücklage von 3 Milliarden Euro komplett plündern muss. Denn uns wurden niedrigere Arbeitslosenzahlen prognostiziert; dies wurde uns im Jahreswirtschaftsbericht diese Woche gezeigt.
Wenn man das zugrunde legt, dann kommen wir auf einen steuerfinanzierten Zuschuss an die BA nicht von 16 Milliarden Euro, wie Sie uns glauben machen wollen, sondern von ungefähr 10 Milliarden Euro.
Dass die Bundesagentur für Arbeit durch dieses Gesetz gezwungen wird, ihre Rücklagen auf null zu schrauben, eröffnet ihr ganz schwierige Perspektiven für die Jahre ab 2011. Es ist zu vermuten, dass diese Koalition das so will. Wenn die Bundesagentur für Arbeit in schwierige Zeiten kommt, lässt dies Übles befürchten hinsichtlich einer möglichen Anhebung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages ab 2011. In dieser Koalition wird die BA als Steinbruch benutzt. Dafür kommt nur ein Titel der Bundesagentur für Arbeit infrage: Das ist der Eingliederungstitel. Beim Eingliederungstitel geht es um nichts anderes als aktive Arbeitsmarktpolitik. Es ist in der Finanz- und Wirtschaftskrise und angesichts des drohenden Fachkräftemangels genau das falsche Signal, der BA die Möglichkeit zu nehmen, Instrumente einzusetzen, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Den Arbeitslosenversicherungsbeitrag haben wir in der Großen Koalition gemeinsam gesenkt.
Es war durchaus das Ziel unserer gemeinsamen Bemühungen, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 Prozent auf aktuell 2,8 Prozent zu senken. Dadurch sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den letzten Jahren um 70 Milliarden Euro entlastet worden.
Diese 70 Milliarden Euro haben dann aber logischerweise der Bundesagentur für Arbeit gefehlt.
Wenn Sie nicht ab 2011 wieder einen angemessenen Arbeitslosenversicherungsbeitrag erheben oder Steuerzuschüsse über 2011 hinaus gewähren, werden Sie - das wollen Sie offensichtlich - die aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit an die Wand fahren.
Das Problem ist doch: Der Zuschuss, über den hier heute beraten wird, ist einmalig, das Defizit aber nicht.
Als Herr Weise im Dezember im Haushaltsausschuss den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit für 2010 vorgestellt hat, hat er, auf Nachfrage, auch gesagt, dass die BA in Krisenzeiten wie den jetzigen, um auskömmliche Einnahmen zu haben, einen Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 4,5 Prozent bis 4,8 Prozent bräuchte. Bei dem Berichterstattergespräch, das vor ein paar Tagen im Bundesministerium für Arbeit stattfand - auch Frau Winterstein und Herr Fischer waren dabei -, hat Herr Weise gesagt: Auch wenn wir keine Krise hätten, bräuchte er, um auskömmlich wirtschaften zu können, einen Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 3,25 Prozent. Da der Arbeitslosenversicherungsbeitrag aber bei 2,8 Prozent liegt und der von Ihnen vorgeschlagene Zuschuss ein einmaliger Zuschuss sein soll, ist eines klar: Dieses Gesetz trägt die Beitragserhöhung ab 2011 schon in sich.
Mehr Netto vom Brutto entpuppt sich unter diesem Gesichtspunkt als reine Augenwischerei.
Die Koalition hat dieses Ziel insbesondere im Wahlkampf wie eine Monstranz vor sich her getragen. In Wahrheit wird mit den Differenzen zwischen Haushalt und Gesetz, die ich gerade zu erläutern versucht habe, der Wählerbetrug offenbar. Was Sie ab 2011 machen, bedeutet doch nichts anderes, als dass - das ist hier angelegt - der Arbeitslosenversicherungsbeitrag massiv steigen muss. Sie wollen es nur noch nicht zugeben, vor allen Dingen nicht vor der Wahl in NRW.
Den Gesundheitsbereich stützen Sie einmalig mit 3,9 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Ab 2011 wollen Sie aber die Arbeitgeberbeiträge deckeln. Auch das geht zulasten der Arbeitnehmer; denn in dieser Maßnahme ist versteckt, dass die Zusatzbeiträge - im Moment ist davon die Rede, dass ein Zusatzbeitrag von 8 Euro erhoben werden soll - massiv steigen müssen. Hinzu kommt, dass Sie wollen, dass auch für die Pflege privat vorgesorgt wird. Rechnet man all das zusammen, erkennt man, dass für die normale Familie, für den normalen Arbeitnehmer in Deutschland spätestens ab 2011 erheblich weniger Netto vom Brutto übrig bleiben wird.
Ich komme zum Schluss.
Dieses Gesetz stabilisiert die sozialen Sicherungssysteme leider nur für ein Jahr. Dieses Gesetz verhindert Beitragserhöhungen bei Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung leider nur für ein Jahr.
Dieses Gesetz ist eine unehrliche Antwort auf die Unterfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Diese Unterfinanzierung wird zwar, wie wir alle wissen, durch den demografischen Wandel verursacht; durch die massiven Steuersenkungen, die Sie vornehmen wollen, verschlimmern Sie diese Unterfinanzierung aber mutwillig.
Zu diesem Gesetzentwurf muss - da sind wir uns bei diesem Volumen und dieser Brisanz für unseren Staat und für die sozialen Sicherungssysteme sicherlich einig - eine Anhörung stattfinden.
Ich sage abschließend: Mit diesem Gesetz spannen Sie tatsächlich, wie Sie es dargestellt haben, einen Schutzschirm auf - allerdings für die Kälte, die Sie selbst erzeugen.
Das ist mitnichten eine Solidaritätsaktion, Kollege Kampeter. In Wahrheit ist es so, als würden Sie einen Radiator gegen die Kälte anstellen und gleichzeitig den Strom abschalten.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Claudia Winterstein für die FDP-Fraktion.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns hier mit dem zweiten Teil der Sofortmaßnahmen der Koalition, nämlich - Frau Hagedorn hat es schon gesagt - dem Schutzschirm für Arbeitnehmer. Nach der steuerlichen Entlastung zum Jahreswechsel durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden hiermit weitere Punkt aus der Koalitionsvereinbarung umgesetzt.
Frau Hagedorn, haben Sie eine Glaskugel, oder legen Sie Karten?
Ich frage mich, wie Sie zu Ihrem Urteil über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz kommen, das gerade einmal seit vier Wochen in Kraft ist. Warten Sie es doch einfach ab! Sie werden ganz sicher positiv überrascht werden.
Das geplante Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit wird in einen Zuschuss umgewandelt. Der Gesundheitsfonds erhält einen zusätzlichen Bundeszuschuss. Das Gesetz beinhaltet eine besonders gute Nachricht für die Menschen - das ist schon gesagt worden -, die derzeit vielleicht Sorge um ihren Arbeitsplatz haben oder seit einiger Zeit arbeitslos sind und möglicherweise in die Lage kommen, Arbeitslosengeld II beziehen zu müssen: die Anhebung der Freibeträge für die Altersvorsorge. Diese Freibeträge werden - wie vor der Wahl versprochen und in der Koalitionsvereinbarung festgelegt - von 250 Euro auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht und damit verdreifacht. Hierzu wird mein Kollege Johannes Vogel nachher Näheres berichten.
Das Gesetz beinhaltet außerdem zwei gute Nachrichten für alle Beitragszahler in der Sozialversicherung: Die konjunkturell bedingten Mindereinnahmen in der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung werden nicht in vollem Umfang den Beitragszahlern aufgebürdet, sondern mit einem Zuschuss vom Bund aufgefangen. Beide Versicherungen müssen 2010 mit einem erheblichen Defizit rechnen; das ist uns allen klar. Der Bund deckt das erwartete Defizit bei der Krankenversicherung mit seinem Zuschuss zu mehr als der Hälfte ab - Frau Hagedorn, das ist ein festgelegter Betrag in Höhe von 3,9 Milliarden Euro -, bei der Arbeitslosenversicherung sogar in vollem Umfang. Insofern ist hier nicht von einer Kürzung die Rede. Es gibt diese unterschiedlichen Beträge, weil wir eben noch nicht genau wissen, wie hoch das Defizit ausfallen wird. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach der Größe des Defizits.
Wirtschaftskrisen wirken sich bei der Bundesagentur für Arbeit immer besonders stark aus, weil sie sowohl bei den Einnahmen wie auch bei den Ausgaben betroffen ist: Die Einnahmen brechen weg, weil es weniger Beschäftigte gibt und die Versicherung somit geringere Einzahlungen erhält; die Ausgaben steigen, weil es mehr Arbeitslose gibt, von denen Leistungen bezogen werden. Mit dem Defizit aus dem Jahr 2009 in Höhe von 13,9 Milliarden Euro ist die Bundesagentur ja noch selber zurechtgekommen, weil sie Geld aus der Rücklage entnehmen konnte. Im Jahr 2010 sieht das anders aus: Wir müssen von einem Defizit von bis zu 17,8 Milliarden Euro ausgehen. Wir wissen aber noch nicht, ob das Defizit so hoch sein wird, und warten die weitere wirtschaftliche Entwicklung ab. Dementsprechend wird der Zuschuss ausfallen:
vielleicht 16 Milliarden, 14 Milliarden oder 17 Milliarden Euro. Wir wissen es noch nicht. Frau Hagedorn, ich denke, als Haushälterin sollten Sie sich freuen, wenn es letztendlich ein Zuschuss von nur 13 oder 14 Milliarden Euro wird, weil sich die Konjunktur so positiv entwickelt hat.
Schon von der vorherigen Regierung war im ersten Haushaltsentwurf für 2010 verankert worden, dass die Bundesagentur ein entsprechendes Darlehen bekommt. Insofern sind wir einen Schritt weitergegangen: Wir haben gesagt, dass ein Darlehen zum jetzigen Zeitpunkt sicher ein Problem wäre, weil die Bundesagentur nicht in der Lage wäre, dieses zurückzuzahlen, es sei denn - das wollen wir nicht -, die Beiträge würden erhöht. Daher haben wir uns entschlossen, hier einen Zuschuss zu gewähren. Das ist zwar eine hohe Belastung für den Bundeshaushalt - das muss man ganz klar sehen -; aber ich denke, es ist die einzige praktikable Lösung, die es in diesem Jahr gibt.
Es ist aus meiner Sicht wichtig, hinzuzufügen, dass diese Entlastungsmaßnahmen natürlich für das Jahr 2010 gelten und nicht auf Dauer angelegt sind. Ich habe auch schon in der Beratung zum Einzelplan 11 deutlich gesagt: Wir wollen, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Aufgabenkritik sehr bald zu konkreten Ergebnissen und damit eben auch zu Kostensenkungen bei der Bundesagentur führt; denn wir wollen eine Erhöhung der Beitragssätze vermeiden.
Auch beim Gesundheitssystem strahlt die Krise ins Jahr 2010 aus. Die Einnahmen aus den Versichertenbeiträgen werden nicht ausreichen, um alle Gesundheitskosten abzudecken. Deswegen müssen wir nun zusätzlich und - ich betone - einmalig 3,9 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stellen. Der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds wächst damit im Jahr 2010 auf 15,7 Milliarden Euro an. Bedenklich ist, dass damit das Geld für die Krankenkassen noch immer nicht ausreicht. Millionen Versicherte werden Zusatzbeiträge an ihre Kassen zahlen müssen.
Das ist kein Betriebsunfall und schon gar nicht die Schuld des jetzigen Gesundheitsministers.
Der Zusatzbeitrag in Kombination mit dem Gesundheitsfonds war der faule Kompromiss in der Gesundheitspolitik der Großen Koalition, zwei völlig gegensätzliche Konzepte zu vereinen.
- Nein, nein.
Die Ausgabeseite wurde dabei von Ulla Schmidt völlig vernachlässigt. Als Folge davon wurden die Ausgaben der Kassen - das muss man sich einmal vorstellen - von 144 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf über 167 Milliarden Euro im Jahre 2009, also um 23 Milliarden Euro, angehoben. Die Zeche zahlen jetzt die Versicherten.
Durch die jetzt entstandene Situation wird überdeutlich gezeigt, dass wir die Gesundheitsfinanzierung dringend neu organisieren müssen. Die Regierungskommission wird hierzu ja auch Vorschläge unterbreiten.
Es geht aber natürlich auch darum, Effizienzreserven im System ausfindig zu machen. Wir wollen die Ausgaben durch mehr Wettbewerb dämpfen und müssen prüfen, ob wir durch bessere Organisationsstrukturen effektiver mit den Beitragsgeldern umgehen können.
Auch die Kassen sind aufgefordert, ihre Ausgaben auf Einsparpotenziale zu durchforsten.
Immer mehr Steuermittel in ein nicht funktionierendes System zu leiten, ist keine Lösung.
Das letzte Element dieses Gesetzentwurfs ist ein Sonderprogramm mit Hilfen für Milcherzeuger, das sogenannte Grünlandmilchprogramm. In diesem Sonderprogramm sind für die Jahre 2010 und 2011 besondere Grünlandprämien vorgesehen, wodurch den Milchbauern geholfen wird, die existenziellen Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu überwinden.
Noch eine letzte Bemerkung. Alle Belastungen, die dieser Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt mit sich bringt, sind im Haushaltsentwurf 2010 bereits berücksichtigt. Die Nettoneuverschuldung musste gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf von Finanzminister Steinbrück nicht erhöht werden. Wir satteln also nicht drauf.
Dies ist aus Haushältersicht eine durchaus positive Nachricht.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollegin Kathrin Senger-Schäfer für die Fraktion Die Linke.
Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Rösler, welch ein Glück für Sie: Sie haben Ihre medizinische Ausbildung bei der Bundeswehr erhalten. Dort haben Sie gelernt, sich zu tarnen - eine Fähigkeit, die Ihnen heute sehr zugutekommt.
Sie tarnen den radikalen Bruch in der gesetzlichen Krankenversicherung als notwendige Reform.
Damit wollen Sie Millionen von Krankenversicherten täuschen. Das ist unverantwortlich.
Zu diesem Vorgehen passt dann auch das Konzept von Herrn Schäuble, das er zur Sicherung der Sozialsysteme auf den Weg bringen will. Der von ihm geplante Schutz der Arbeitnehmer ist in Wirklichkeit ein Schirm zum Schutz der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lässt er in der Finanzkrise in unchristlicher Art im Regen stehen.
Das ist unredlich. Es ist unsozial und entspricht auch nicht dem Gedanken, dass starke Schultern mehr tragen sollten als schwache.
Das ist typisch für diese Regierung. Herr Rösler, Sie wollen in der gesetzlichen Krankenversicherung die Ausfälle des Gesundheitsfonds mit 3,9 Milliarden Euro aus Steuermitteln auffangen.
Mir ist schleierhaft, wie Sie mit 3,9 Milliarden Euro ein voraussichtliches Finanzloch von sage und schreibe 7,9 Milliarden Euro stopfen wollen. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus, dass diese Regierung den Rest den Versicherten aufs Auge drücken wird.
Zur Wahrheit gehört auch, dass der Gesundheitsfonds nicht ausschließlich durch die Finanzkrise in die derzeitige schlechte Lage gebracht wurde. Der Gesundheitsfonds war und ist von Anfang an - ich behaupte: bewusst - mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet worden.
Im Übrigen handelt es sich hierbei um eine Hinterlassenschaft der Großen Koalition, also auch der SPD.
Von Anfang an war gewollt, dass einzelne Krankenkassen über die sprichwörtliche Klinge springen sollten, um damit den Wettbewerb zu verschärfen. Diese Wettbewerbsverschärfung führt aber weder zu einem fruchtbaren Wettstreit um die besten Leistungsangebote noch zu einer besseren Qualität der Versorgung. Weil die Kassen in diesem Fall das Sonderkündigungsrecht ihrer Versicherten fürchten, sind sie sich mehrheitlich einig, Zusatzbeiträge zu erheben.
Wir erleben dazu nun einen großen Aufschrei, und selbst Frau Merkel verzieht dabei die Miene und ruft jetzt nach dem Kartellamt. Aber: Gesundheit ist keine Ware. Dabei bleibt die Linke.
Alle Menschen in unserem Land haben einen Anspruch auf eine gute, solide und gerechte Gesundheitsversorgung. Wettbewerb hat im Gesundheitswesen nichts verloren.
Ich frage auch Sie: Wer muss Ihre grandiosen Wettbewerbsideen bezahlen? Das sind die 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung und auch die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden, die ohnehin jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Das ist, mit Verlaub, zutiefst unsozial.
Zweifellos gibt es zusätzliche Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die wir auch wollen. Dazu gehört zum Beispiel die spezialisierte ambulante Palliativversorgung, also die Betreuung und Versorgung von todkranken Menschen. Das ist aber nur dann möglich, wenn man sich vorher überlegt hat, wie man das bezahlen will. Der Gesundheitsfonds ist aber chronisch unterfinanziert. Genau dieses Dilemma ließe sich durch den Antrag meiner Fraktion Die Linke verhindern.
Zurzeit zahlt der Staat einen festgelegten Pauschalbetrag von derzeit 126 Euro im Monat für alle Arbeitslosengeld-II-Beziehenden als Beitrag zur Krankenversicherung. Das reicht längst nicht, und das wissen Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Wir haben vorgeschlagen - und dabei bleiben wir auch -, diesen Betrag auf circa 260 Euro im Monat und pro Mitglied zu erhöhen. Das brächte rund 5 Milliarden Euro mehr für die gesetzliche Krankenversicherung, was zweifelsohne die gesundheitliche Versorgung verbessern würde.
Das wäre jedenfalls ein sinnvolleres Sofortprogramm für die Krankenversicherung als die unsinnige Einführung von kleinen oder großen Kopfpauschalen, getarnt als Zusatzbeitrag bzw. Gesundheitsprämie. Damit erübrigte sich jede Diskussion um die Zusatzbeiträge und auch darüber, ob die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden die Zusatzbeiträge selber zu tragen hätten. Für die Linke bleibt aber im Grundsatz die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, die Abgeordnete genauso wie die Mitarbeiterin in der Kantine, die einzig denkbare und wirksame Alternative.
Denn für uns, die Partei Die Linke, ist der Mensch das Maß der Dinge.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Werte Kollegin, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Gratulation und alle guten Wünsche für Ihre weitere Arbeit in diesem Hause!
Das Wort hat nun Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein der Titel des Gesetzentwurfes, über den wir heute in erster Lesung beraten, ist ein Täuschungsmanöver: Gesetz zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme. Das, was Sie von der Regierung als Stabilisierung bezeichnen, ist in Wahrheit nicht mehr als das notdürftige Verpflastern von Wunden am Sozialstaat, die größtenteils oder jedenfalls zu einem nicht geringen Teil erst durch Sie und die Vorgängerregierung gerissen wurden.
Beginnen wir mit dem Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung. Sie von der Union haben doch die strukturelle Unterfinanzierung der gesetzlichen Krankenkassen in die Wege geleitet, indem Sie gemeinsam mit der SPD den Gesundheitsfonds beschlossen und die mutwillige Senkung der Beitragssätze in der GKV vorgenommen haben.
Frau Aigner, dass Sie jetzt über die Erhebung von Zusatzbeiträgen jammern, ist schon scheinheilig genug. Aber dass Sie sich nun selbst für einen Steuerzuschuss loben, der zumindest in dieser Höhe gar nicht notwendig gewesen wäre, wenn Sie nicht den Gesundheitsfonds mit seinen Unterdeckungsregeln beschlossen hätten, ist dreist. Ein besonderes Licht auf Ihren Stil der Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme wirft etwa die Entlassung von Herrn Sawicki, dem Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Anstatt die Voraussetzung für eine Dämpfung des Kostenanstiegs etwa bei den Arzneimitteln zu schaffen, nehmen Sie das Geld der Steuerzahler. Die Steuerzahler sollen nach Ihrem Willen für die Interessen von Pharmaindustrie bis hin zu Apothekern aufkommen. Wir dürfen vielleicht schon auf die Spendenzahlungen des Jahres 2010 gespannt sein.
Kommen wir zur Arbeitslosenversicherung. Auch bei der Arbeitslosenversicherung ist ein Großteil des bisherigen Defizits der erheblichen Senkung des Beitragssatzes auf bis zu 2,8 Prozent geschuldet, die ebenfalls mit der SPD beschlossen wurde, zu einem Zeitpunkt, als die Krise bereits am Horizont erschien. Sei?s drum! In der gegenwärtigen Situation gibt es natürlich keine Alternative zum Defizitausgleich durch den Bund. Sie bleiben aber jegliche Aussage schuldig, wie es ab 2010 weitergehen soll. Wie soll denn die Bundesagentur für Arbeit das für 2011 erwartete Defizit in Höhe von 11,3 Milliarden Euro decken?
Wie soll denn das in der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesagentur für Arbeit vorgesehene Gesamtdefizit in Höhe von 25,4 Milliarden Euro gedeckt werden? Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass die Bundesagentur dies als Darlehen schultert oder sogar zurückzahlt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass man ein Defizit in diesem Umfang, selbst wenn man hart einschneidet, nicht durch Einsparungen auffangen kann.
Was also mit Sicherheit kommen muss, ist eine Erhöhung des Beitragssatzes. Nach unseren Berechnungen ist ein Anstieg auf 4,5 Prozent notwendig, um den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit dauerhaft zu stabilisieren. Aber dazu schweigen Sie natürlich. Es wäre ja auch zu peinlich, wenn Sie bereits wenige Wochen nach Ihrem merkwürdigen Klientelbegünstigungsgesetz zugeben müssten, dass etwa die Kindergelderhöhung bei den Beitragszahlern gar nicht ankommt, weil Sie ihnen das durch Beitragssatzsteigerungen wieder wegnehmen. Also wird munter mit Steuerzuschüssen weiter geflickt, um über den Termin der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hinwegzukommen.
Damit Sie das Ganze als Wohltat verkaufen können, garnieren Sie Ihre Mogelpackung noch mit zwei Zückerchen: der Erhöhung des Schonvermögens für die Altersvorsorge im Rahmen des Arbeitslosengeldes II und einem Sonderprogramm für Milchviehhalter.
Zu Letzterem wird nachher mein Kollege Friedrich Ostendorff etwas sagen. Deshalb kann ich mich jetzt auf die Erhöhung des Schonvermögens konzentrieren. So sinnvoll das im Grundsatz natürlich ist, so sehr geht es doch an den Sorgen und Nöten der Masse der Langzeitarbeitslosen vorbei;
denn nur ein Bruchteil der Arbeitslosengeld-II-Beziehenden erhält aufgrund zu großer Vermögen keine Leistungen. Die meisten Langzeitarbeitslosen haben doch in ihrem Leben nie die Chance gehabt, ein Vermögen von rund 50 000 Euro für die Altersvorsorge anzusparen und festzulegen.
Der Masse der Langzeitarbeitslosen wäre sehr viel mehr etwa durch eine Erhöhung des Regelsatzes geholfen, und diese Erhöhung hätte überdies auch noch positive konjunkturelle Effekte, weil sie unmittelbar der Steigerung der Binnennachfrage zugute käme.
Vollends absurd wird Ihre Behauptung einer Stabilisierung des Systems der sozialen Sicherung, wenn man sich anschaut, was Sie sonst noch planen und bereits tun. Sie deckeln etwa die Mittel für das Programm ?JobPerspektive? und verringern damit die beinahe einzige Chance für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bekommen. Die Arbeitsministerin bereitet die Zerschlagung der Jobcenter vor, die vor Ort wirklich niemand will, weil absehbar ist, dass sich die Betreuung der Betroffenen vor Ort verschlechtern und die Bürokratie sich verdoppeln wird.
Meine Damen und Herren von der Regierung, was Sie mit diesem Gesetz stabilisieren, sind Ihre Klientelinteressen.
Was Sie mit diesem Gesetz stabilisieren, ist ein berechtigtes Misstrauen mit Blick auf die Zukunft. Sie versuchen, den Patienten Sozialstaat noch einmal mit Pflastern aufzuhübschen, aber Sie wissen schon genau, dass Sie ihn nach der NRW-Wahl amputieren wollen.
Wir vom Bündnis 90/Die Grünen werden dafür kämpfen, dass dieses Manöver nicht aufgeht; denn die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land und besonders diejenigen in Nordrhein-Westfalen wollen mehr vom Sozialstaat als nur einen Torso.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Georg Schirmbeck für die CDU/CSU-Fraktion.
Georg Schirmbeck (CDU/CSU):
Herr Abgeordneter Kelber, auf diesen Punkt kommen wir noch bei der zweiten und dritten Beratung des Bundeshaushaltes zurück. Dann werden Sie den Saal hier unter Tränen verlassen; das verspreche ich Ihnen jetzt schon.
Das Pulver wird trocken gehalten. Sie können mich heute nicht provozieren, das schon jetzt zu verschießen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich die Debatte hier eine Zeit lang anhört, könnte man depressiv werden, und man hat den Eindruck, wir wären hier in einem Entwicklungsland, einem Land jedenfalls, das mit Deutschland überhaupt nichts zu tun hat. Können wir auf diesen Sozialstaat, so wie wir ihn heute ganz konkret erleben, nicht stolz sein, darauf, dass wir es gemeinsam geschafft haben, dass wir fleißige Bürgerinnen und Bürger haben?
Wo ist die Krankenversicherung wesentlich besser als in Deutschland? Wo ist die Unfallversicherung wesentlich besser als in Deutschland? Wo wird sich um Arbeitslose wesentlich besser gekümmert als in Deutschland? Das haben wir doch gemeinsam auf den Weg gebracht. Haben wir nicht wirklich Grund, darauf stolz zu sein?
Was wir als Große Koalition jetzt machen, ist Folgendes: Wir helfen im ländlichen Raum den Bauern - -
- Meine sehr geehrten Damen und Herren, man ist ja manchmal nicht so auf den neuesten Terminus eingestellt; das ändert sich auch manchmal. Die liberal-christliche Koalition, das kriegen wir ja auch gut hin.
Was wir konkret gemacht haben und was wir konkret tun, besteht darin, dass wir bei unseren Bauern die Beiträge für die landwirtschaftliche Unfallversicherung durchschnittlich um 45 Prozent senken. Das ist doch ein Ergebnis für alle im ländlichen Raum.
- Frau Hagedorn, Sie haben ja schon nicht verstanden, was Sie vorhin vorgetragen haben. Deshalb kann ich auch nicht erwarten, dass Sie das verstehen, was ich jetzt vortrage. Das ist eben ein bisschen zu schwierig.
Ich sage Ihnen dazu eines. Es ist nach wie vor wahr: Wenn die Bauern, auch wenn es wenige geworden sind, im ländlichen Raum gute Stimmung haben, wenn sie sich unternehmerisch etwas vornehmen, dann ist gute Stimmung im ganzen Dorf. Es führt dazu, dass in den Dörfern etwas unternommen wird, dass dort investiert wird, dass sich etwas bewegt, und dann haben viele im ländlichen Raum Arbeit. Das ist es doch, was wir wollen. Wenn nämlich viele Arbeit haben, bekommen wir viele Beiträge für die verschiedenen Sozialversicherungssysteme. Dann brauchen wir uns auch nicht mehr vorzuhalten, ob der Zuschuss des Staates an die Kassen größer oder kleiner ist. Wir brauchen nicht mehr zu spekulieren, was 2011 oder 2012 sein wird. Bei Ihren Formulierungen, so wie Sie sie hier vortragen, habe ich manchmal den Eindruck, dass Sie ganz erschüttert sind, dass die Arbeitslosenzahlen nicht um 1 Million höher sind. Über die tatsächlichen Zahlen sollten wir uns doch freuen.
Wir können uns doch freuen, dass im vorigen Jahr das Staatsdefizit um 15 Milliarden Euro geringer war, als es noch vor Weihnachten prognostiziert wurde - das ist doch schon einmal ein Ergebnis -; denn Sie hätten sich doch auch mit den negativen Zahlen auseinandersetzen müssen, wenn die Prognose eingetreten wäre.
Jetzt wollen wir für den ländlichen Raum etwas machen, weil besonders die Grünlandbetriebe, also die Milchbauern, erhebliche Probleme haben. Daraufhin überlegen wir uns: Wie kann man da helfen? Dabei müssen wir uns eingestehen, dass in der Agrarpolitik ein sehr ausgeprägtes Gemeinschaftsrecht gilt und dass wir deshalb nicht einfach sagen können: Wir Deutschen haben eine Idee und setzen diese um.
Wir müssen uns nun fragen: Wie kann man beispielsweise 100 Millionen Euro für eine Gründlandprämie konkret zur Verfügung stellen? Da stellen wir fest, dass man erst 2 Millionen Euro EU-Zuschüsse aktivieren muss, um national überhaupt handeln zu können. Man kann jetzt an der einen oder anderen Stelle beklagen, dass das alles sehr kompliziert ist. Aber dann muss man einen Weg finden, diese Schwierigkeiten zu überwinden, damit ganz konkret Geld zur Verfügung gestellt werden kann.
Jetzt darf man aber nicht nur das sehen, was wir für die Grünlandbetriebe tun. Wir haben auch im Hinblick auf die Gasölverbilligung etwas getan. Ich habe eben gesagt, dass wir im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung etwas getan haben. Wenn man dieses gesamte Maßnahmenpaket sieht, dann bedeutet das für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ein Plus von durchschnittlich 4 500 Euro. Nun kann man sagen: 4 500 Euro sind nicht die Welt. Andererseits ist das doch eine Menge Geld. Eine alte Frau muss schon sehr lange stricken, bis sie das verdient hat.
Ich sage noch einmal: Es geht gar nicht so sehr um den absoluten Betrag, der zur Verfügung gestellt wird. Viel entscheidender ist, dass die Betroffenen sehen, dass der Staat die Betriebe in dieser schwierigen Situation nicht alleine lässt, sondern dass er sich entschieden für sie einsetzt.
Ich sage aber auch deutlich: Sosehr wir überzeugt sind, dass hier konkret gehandelt werden muss, so sehr muss die liberal-christliche Koalition darauf hinweisen, dass diese Maßnahmen Strukturentscheidungen, die im landwirtschaftlichen Bereich getroffen und umgesetzt werden müssen, nicht ersetzen. Auf Dauer kann der Staat unternehmerischen Erfolg und gute Preise in der Landwirtschaft durch Maßnahmen wie diese, die wir hier beschließen wollen, nicht ersetzen. Dies ist eine Übergangshilfe in einer schwierigen Zeit, die aber nicht die richtigen unternehmerischen Entscheidungen für die Zukunft ersetzt.
Ich habe bei der ersten Lesung des Einzelplanes 10 in der vorherigen Woche schon gesagt: Ich bin nicht sicher, dass wir alle Ansätze so, wie wir sie in der Vergangenheit gewohnt waren, zukünftig halten können. Ich sage das in der Öffentlichkeit, damit sich die Betroffenen darauf einstellen können. Das gehört mit zur Redlichkeit.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen: Es kommt nicht darauf an, hohe Zuschüsse zu geben, sondern es kommt darauf an, dass diese Zuschüsse zielgenau erfolgen, dass wir den Leuten Mut machen, dass wir einen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmer etwas unternehmen, damit die Leute in unserem Staat Arbeit bekommen. Jeder kann hier an seinem Platz in den Ausschüssen, aber auch in seinem Wahlkreis ganz gezielt Maßnahmen ergreifen, damit in den nächsten Jahren nicht die Zahl der Arbeitslosen, sondern die Wirtschaft wächst. Wenn nämlich unsere Wirtschaft wächst, dann werden damit auch die Probleme unserer Volkswirtschaft gelöst.
Das muss man mit einer gesunden Portion Optimismus machen. Man darf nicht alles schlechtreden; denn Optimismus, das Bauchgefühl, etwas für die Zukunft zu gestalten, macht mindestens 50 Prozent des Erfolges unserer Volkswirtschaft aus.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Ewald Schurer für die SPD-Fraktion.
Ewald Schurer (SPD):
Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich - das wird Sie wundern - den Herrn Minister Rösler vor den giftigen Pfeilen der Kollegin von der Linken in Schutz nehmen.
Der Grund ist, dass das, was Sie gesagt haben, so nicht stimmt. Der Herr Minister Rösler ist bisher offen gewesen und hat auch hier in diesem Hause klar gesagt: Er ist für einen Ausstieg aus einer einkommensabhängigen Finanzierung; er will für die Zukunft eine einkommensunabhängige Finanzierung. Er will mehr oder minder aus dem Prinzip der Parität in der Krankenversicherung aussteigen und in das System der Kopfpauschale einsteigen. Das ist eine gravierende Veränderung.
- Der Sozialausgleich - danke für diesen netten Zwischenruf - sieht so aus, dass der Ausgleich - so sagt der Minister, und das nehme ich ihm ab - nicht mehr über die Sozialbeiträge, sondern über Steuern erreicht werden soll.
- Hören Sie zu, dann lernen Sie noch etwas!
Herr Schäuble aber sagt: Dafür habe ich kein Geld, es sei denn, wir würden eine Sondersteuer zur Finanzierung des Gesundheitssystems einführen. Das ist die aktuelle Faktenlage.
Hinzu kommt, dass ab Februar 2010 eine Kommission zur Gesundheitsreform tagen wird. Die Arbeit dieser Kommission kann sich hinziehen. Das Ergebnis dieser Arbeit wird auf jeden Fall nicht dazu führen, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren eine größere Orientierung bekommen. Bekanntlich braucht aber das Gesundheitssystem jetzt Orientierung. Von daher sehe ich das ein bisschen anders.
Der Herr Minister hat eine klare Botschaft verkündet. Er will in eine neue Richtung marschieren, aber er weiß noch nicht, wie das umgesetzt werden soll. Das schafft bei den Akteuren im Gesundheitswesen nicht mehr Vertrauen, sondern Unsicherheit en masse.
Es geht um die 3,9 Milliarden Euro, die innerhalb der 15,7 Milliarden Euro Gesamtzuschüsse an den Gesundheitsfonds geleistet werden sollen. Dieser Betrag ergibt sich ja aus drei Komponenten: zum ersten die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder und der Jugendlichen in Ausbildung, zum zweiten die zum 1. Juli 2009 noch von der Großen Koalition - Herr Kollege Schirmbeck, Sie sehnen sich danach zurück; ich kann es auch verstehen - induzierte Beitragssatzsenkung von 15,5 Prozent auf 14,9 Prozent. Der dritte Bestandteil ist die krisenbedingte Komponente in Höhe von 3,9 Milliarden Euro, die in der Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgesehen ist. Aber es geht um mehr.
Diese Woche ist von der Debatte über die Zusatzbeiträge beherrscht, die allerorten für Aufmerksamkeit sorgen. Der Presse habe ich entnommen, dass die Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel, mit einem großen Unwohlsein auf diese Zusatzbeiträge reagiert hat. Das Ganze ist schon ein Riesenproblem. Dem werten Kollegen von den Grünen muss man es noch einmal erklären: Wir als Sozialdemokraten wollten bekanntlich damals die Regelung nicht, nach der bis zu 8 Euro Zusatzbeitrag in einem vereinfachten Verfahren erhoben werden können. Wir wollten den Zusatzbeitrag paritätisch finanziert haben. Wir wollten, dass im Rahmen eines Prüfverfahrens nachgewiesen werden muss, dass die Kassen einen solchen Zusatzbeitrag unbedingt benötigen, weil sie sonst mit ihrer Finanzierung nicht mehr zurechtkommen; immerhin geht es um 71 Millionen Versicherte und Mitversicherte der GKV in Deutschland.
Es gab dann in der Großen Koalition, die der Herr Schirmbeck noch so emotional in sich trägt, einen sehr schwierigen Kompromiss mit gewissen Hilfskrücken, den wir - Sie haben an der Stelle recht - mitgetragen haben.
Herr Minister, Sie müssen in der Zukunft einen wirklichen Dialog mit den Kassen führen. Sie müssen die Steuerungsfunktion der Krankenkassen ernsthaft einfordern. Es geht darum, ein Kostenmanagement in den Sektoren des Gesundheitswesens zu etablieren, in denen die Kosten seit Jahren und Jahrzehnten steigen, etwa in der Medizintechnik oder bei den verordneten Medikamenten.
Sie müssen versuchen, die Steuerungsfunktion der gesetzlichen Krankenkassen, der Volkskassen, zu aktivieren. Sie müssen mit den Krankenkassen auch darüber diskutieren, welche Instrumente sie brauchen, um genügend Substanz zu haben, um wirklich steuern zu können. Das sind die Fragen, die anstehen. Es geht nicht darum, darüber zu reden, wie wir künftig vielleicht mit irgendwelchen Zusatzbeiträgen agieren, die letztendlich den Leuten mit geringem Einkommen zum Nachteil gereichen, weil sie die Zusatzbeiträge nicht von der Steuerlast absetzen können und damit erneut eine soziale Benachteiligung erfahren.
Zum Schluss, meine werten Kolleginnen und Kollegen, Folgendes: Es gilt, in der Gesundheitspolitik wieder Orientierung zu geben. Das vermag die derzeitige Regierung nicht zu leisten.
Wenn man ein bewährtes Finanzsystem an Haupt und Gliedern reformieren will, dann muss man auch sagen, wie das gehen soll. Ich sage Ihnen voraus, Herr Minister, bei aller persönlichen Sympathie: Sie werden eine Kommissionsarbeitszeit von ein, zwei Jahren nicht durchhalten. Sie werden schon eher sagen müssen, wie Sie das machen wollen. Sie werden eine riesige Hürde zu überwinden haben. Die Bundeshaushalte 2011 und 2012 mit den strukturellen Defiziten werden Ihnen nicht mehr Spielräume geben, sondern weniger. Das heißt, das Umswitchen von der Beitragsfinanzierung auf eine Steuersubvention wird so nicht funktionieren.
Die 3,9 Milliarden Euro werden heute von Ihnen vorgeschlagen. Sie sind - das gebe ich zu - eine Hilfsmaßnahme. Sie werden aber große Mühe haben, uns davon zu überzeugen, wie es nach Ihrem Willen weitergehen soll. Ich hoffe jedenfalls, dass sich der Arbeitsmarkt so gut entwickelt, dass in den nächsten Jahren nicht ein höherer, sondern ein geringerer Zuschussbedarf entsteht, um die GKV im Sinne der Versicherten mit genügend finanziellen Mitteln auszustatten.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Johannes Vogel für die FDP-Fraktion.
Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schurer, ich fand es interessant, dass Sie gesagt haben: Wir müssen in der Gesundheitspolitik wieder Orientierung geben. - Ich glaube auch, dass wir das tun müssen.
Es muss nur eine andere Orientierung sein als die von der früheren Gesundheitsministerin Schmidt; denn die hat das System überhaupt erst an die Wand gefahren, und das hat zu den Problemen geführt, die wir heute lösen müssen.
Schauen wir doch einmal, was die Regierung vorhat! Natürlich geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf auch darum, kurzfristig einen Zuschuss an den Gesundheitsfonds zu geben, um die Einnahmeausfälle zu kompensieren. Aber es ist nicht so, dass wir darüber hinaus nichts machen. Wir sind nämlich der Meinung, dass es keinen Sinn macht, in ein Gefäß mit einem Leck Wasser nachzuschütten, damit vorübergehend wieder Wasser drin ist. Ohne dass das Leck gestopft wird, werden die Probleme dieses Systems nicht gelöst. Wir führen eine grundlegende Reform durch, damit dieses System an sich wieder funktioniert.
Liebe Frau Kollegin Senger-Schäfer, ich glaube, Sie machen einen Denkfehler: Sie sind davon überzeugt - das war auch bisher ihr Problem im Hinblick auf das Gesundheitswesen -, dass Wettbewerb dort nichts verloren hat. Ich sehe das anders. Wettbewerb ist genau das Instrument, das dieses System und damit die beste Gesundheitsversorgung für alle langfristig finanzierbar hält. Deshalb ist mehr Wettbewerb zwischen den Kassen, also das, was Gesundheitsminister Rösler vorhat, genau das Richtige für das Gesundheitssystem.
Immer wieder wird kritisiert, das sei sozial ungerecht. Es ist sehr sozial, den Faktor Arbeit weniger als bisher zu belasten; denn das schafft Arbeitsplätze. Außerdem wollen wir den Sozialausgleich über das Steuersystem organisieren. In das Steuersystem zahlen nämlich alle ein, auch diejenigen, die besonders viel verdienen, weil es da keine Beitragsbemessungsgrenze gibt. Das kann ich nur als gerecht empfinden. Das Gesundheitssystem, wie es bisher besteht, ist ungerecht, weil der Solidarausgleich nicht vollständig funktioniert. Insofern würde die Umsetzung unserer Vorschläge das System gerechter machen.
Ich möchte auf einen anderen Aspekt dieses Gesetzes eingehen, nämlich auf den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit. Frau Kollegin Hagedorn, ich habe mich sehr darüber gewundert, dass Sie die Regierung quasi dafür kritisiert haben, dass sie möchte, dass die Bundesagentur für Arbeit erst einmal ihre Reserven aufbraucht und dass erst dann über die Höhe des Zuschusses entschieden wird. Sie tun so, als ob das ein Problem wäre. Wenn der Zuschuss niedriger ausfällt, als im Bundeshaushalt angesetzt - mit 16 Milliarden Euro -, dann heißt das doch nur eines: Die Konjunktur ist wieder angesprungen, und weniger Menschen als befürchtet sind arbeitslos. Das kann ich nur als gute Nachricht empfinden. Wie Sie daraus Kritik ableiten, ist mir völlig schleierhaft.
- Herr Poß, lassen Sie mich doch ausreden. - Dass wir diesen Zuschuss gewähren, ist Ausweis dessen, dass die Kritik, diese Regierung entlaste die Bürger auf der einen Seite bei den Steuern und belaste sie auf der anderen Seite bei den Abgaben - diese Kritik wird gelegentlich vorgebracht -, nicht richtig ist. Die Sicherstellung dieses Zuschusses ist der Ausweis dafür, dass dieser Vorwurf absurd ist. Wir wollen die Bürger entlasten, statt sie zu belasten.
- Ja, daran können sie mich gerne erinnern, Herr Kurth. - Das zeigt sich in diesem Gesetz.
- Herr Kurth, es ist schön, dass Sie dazwischenrufen.
Ich will auf einen weiteren Aspekt dieses Gesetzentwurfs zu sprechen kommen, nämlich auf die Verdreifachung des Schonvermögens. Ich freue mich sehr, dass Sie diesen Punkt gelobt haben. Sie haben ihn als grundsätzlich sinnvoll bezeichnet. Das hörte sich im letzten Herbst noch anders an. Man konnte damals der Presse entnehmen, dass Sie das als Symbolpolitik gegeißelt haben. Ich will Ihnen sagen, warum ich glaube, dass das eine ganz entscheidende Maßnahme ist und keine Symbolpolitik.
Es wird immer wieder das Argument geäußert, das betreffe so wenige Menschen. Dieses Argument grenzt in meinen Augen an Hohn. Wer dies sagt, vergisst, dass die private Vorsorge in Zukunft noch viel wichtiger werden wird, gerade zur Verhinderung von Altersarmut. Um Altersarmut entgegenzuwirken, müssen wir diese Maßnahme durchführen. Sie übersehen auch, dass es schon heute viele Menschen gibt, die Hartz IV gar nicht erst beantragen - neben einer Dunkelziffer gibt es dokumentierte Fälle; das wissen Sie so gut wie ich -, weil sie Angst haben, dass ihre Altersvorsorge angetastet wird. An dieser Stelle geht es ein Stück weit aber auch darum, welche Ethik in unserem System, in unserem Sozialstaat herrscht.
Kann es sein, dass jemand, der eigenverantwortlich für das Alter vorsorgt, dafür bestraft wird?
Das ist doch eine völlig falsche Herangehensweise.
An so einer Stelle spürt eine Gesellschaft, welche Wertvorstellungen ihr zugrunde liegen. Diese Wertvorstellungen sind entscheidend dafür, ob etwas Akzeptanz findet und ob die Solidargemeinschaft funktioniert. Es kann nicht sein, dass jemand, der bedauerlicherweise in Hartz IV rutscht, also die Unterstützung der Solidargemeinschaft braucht, dazu gezwungen wird, Geld, das er für das Alter angespart hat - vielleicht hat er sich mühsam eine kleine Rentenversicherung abgespart -, möglicherweise sogar mit Verlust antasten muss und später in Altersarmut rutscht. Es ist nicht fair, Menschen dafür zu bestrafen, dass sie für das Alter vorgesorgt haben. Wir müssen Eigenverantwortung belohnen.
Selbst wenn die Erhöhung des Schonvermögens noch wenige Menschen betrifft - in Zukunft wird sich das ändern -, ist sie genau das richtige Signal an die Gesellschaft; denn dadurch machen wir das Grundsicherungssystem, das Hartz-IV-System, fairer, und wir korrigieren so die Fehler, die die rot-grüne Bundesregierung in das System eingeführt hat.
Diese Maßnahme der Regierung ist insofern völlig richtig. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Aussage, dass das grundsätzlich sinnvoll ist, aufrechterhielten. Vielleicht trägt die Tatsache, dass auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das in Ihrem Wahlprogramm stehen hatten, nur in den letzten Jahren, als Sie Regierungsverantwortung trugen, nicht die Kraft gehabt hatten, das auch durchzuführen, dazu bei, dass Sie dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Matthias Birkwald, Fraktion Die Linke.
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für dieses Jahr rechnet die Bundesagentur für Arbeit mit einem Defizit in Höhe von gut 18 Milliarden Euro.
Das ist ein trauriger Nachkriegsrekord. Nur einen Bruchteil davon kann die Bundesagentur selbst aus ihren Rücklagen ausgleichen. Wie konnte es dazu kommen? Die Krise sei schuld gewesen, sagt die Bundesregierung. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Die Politik der ganz großen Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP hat es vermasselt.
Sehenden Auges hat diese ganz große Koalition die Finanzen der Bundesagentur an die Wand gefahren.
Meine Damen und Herren von der Union, Sie haben, in wechselnder Besetzung, grob fahrlässig gehandelt, indem Sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr als halbiert haben. Sie haben die Gewitterwolken aufziehen sehen. Sie haben alle Unwetterwarnungen von Experten in den Wind geschlagen. Jetzt stellen Sie sich hin, beklagen die Löcher im Dach der Bundesagentur und spannen Schutzschirme für die Banken. Gerecht geht anders!
Die Bundesregierung will die Beiträge stabil halten. Das waren sie doch. 14 Jahre lang, bis Ende 2006, lagen sie bei 6,5 Prozent. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als die ersten Anzeichen der Krise für jede und jeden sichtbar wurden, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wurde der Beitragssatz auf unter 3 Prozent gesenkt. Das ist der niedrigste Wert seit 1975. Doch wer hier Beiträge kürzt, hat Sozialabbau im Sinn.
Beim Arbeitslosengeld war es zunächst andersherum, aber nicht anders: Rot-Grün hat die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I massiv verkürzt und die Arbeitslosenhilfe gleich komplett gestrichen. Dann wurden die Beitragssätze gesenkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb: Wer heute auf Teufel komm raus niedrige Beiträge sät, wird morgen größere Defizite ernten. Und was machen Sie dann? Das Arbeitslosengeld I kürzen? Wir Linken sagen: Das Gegenteil ist richtig. In der Krise muss die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld verlängert werden, und zwar auf zwei Jahre für alle. Das hilft den Beschäftigten, die jetzt entlassen werden,
zum Beispiel bei Siemens, wo jetzt, wie heute Morgen in den Nachrichten zu hören war, 2 000 Stellen gestrichen werden sollen.
Der Gesetzentwurf, den Sie nun vorlegen, ist reine Flickschusterei. Die Linke sagt: Die Bundesagentur muss grundsätzlich wieder solide finanziert werden. Wir brauchen eine Staatsgarantie für die Sozialversicherungen, keinen einmaligen Zuschuss, sondern eine dauerhafte Defizithaftung.
Heute Morgen konnte man einer Pressemitteilung der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel: ?Koalitionshaushälter wollen Zuschüsse für Sozialkassen kürzen? - sie lief auch über den Ticker - entnehmen, dass Ihnen der Zuschuss von 16 Milliarden Euro zu hoch ist und auf 11 Milliarden Euro gesenkt werden soll und dass dafür unter anderem Qualifizierungsprogramme der BA gestrafft werden sollen. Ich sage Ihnen: Es ist komplett der falsche Weg, auch noch bei den Qualifizierungsmaßnahmen zu sparen. Auch hier wäre der umgekehrte Weg richtig; denn wir brauchen mehr Bildung und bessere Qualifikation.
Mit dem sogenannten Eingliederungsbeitrag werden letztendlich die Beitragszahler mit 5 Milliarden Euro dafür haftbar gemacht, dass es Langzeiterwerbslosigkeit gibt. Das darf nicht sein; denn die Lösung gesamtgesellschaftlicher Probleme muss auch von der gesamten Gesellschaft finanziert werden.
Das Schonvermögen für die Altersvorsorge von Hartz-IV-Betroffenen deutlich anzuheben, ist richtig.
Mit dieser Forderung ist die Linke bei der Wahl angetreten. Bleiben Sie uns treu: Heben Sie die Vermögensfreigrenzen an! Erhöhen Sie den Hartz-IV-Regelsatz auf 500 Euro! Streichen Sie die unwürdigen Sanktionen und Schikanen für Hartz-IV-Betroffene und führen Sie endlich - das ist ganz dringend - eine eigenständige Mindestsicherung für Kinder ein! Im Übrigen bin ich der Meinung: Hartz IV muss überwunden werden.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Friedrich Ostendorff für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ministerin Aigner musste leider schon gehen. Das vorliegende Artikelgesetz enthält als zweiten Teil das Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter, besser bekannt unter dem Namen ?Kuhschwanzprämie?. Herr Schirmbeck, dieses Programm bringt einem durchschnittlichen Milchviehbetrieb mit 30 Milchkühen, der in 2009 Milchgeld in Höhe von 13 Cent pro Liter bzw. insgesamt 20 000 Euro verloren hat, zwei Jahre lang jährlich 1 600 Euro bzw. 1 Cent pro Liter Milch mehr. Natürlich sagen die Bäuerinnen und Bauern, auch meine Frau daheim, nicht Nein, wenn der Staat ihnen Geld schenken will, so wie auch der Autokäufer letztes Jahr nicht Nein gesagt hat, als er für das Auto, das er sowieso verschrotten wollte, noch 2 000 Euro geschenkt bekam. Aber so wie die Abwrackprämie für Autos der Wirtschaft insgesamt geschadet hat, wird auch diese Abwrackprämie für Milchbauern dem Milchsektor mehr schaden als nützen.
Dieses Grünlandprogramm zeigt erneut das vollkommen widersprüchliche Vorgehen der Bundesregierung. Sie gerieren sich als Vertreter der reinen Marktlehre, doch sieht ihre Realpolitik ganz anders aus. Dort zünden Sie erst einmal eine Subventionsrakete, wie ich sie in 40 Jahren Agrarpolitik selten erlebt habe - 750 Millionen Euro extra, einfach so, ohne Qualifizierung, ohne Fokussierung, ohne Lenkungswirkung. Das Problem ist nicht, auf Marktkräfte zu bauen, und auch nicht, gesellschaftliche Solidarität in einer Notsituation zu leisten. Beides ist richtig und notwendig. Das Problem ist, wie Sie es machen. Ihre sogenannte Marktorientierung basiert auf einer vollkommen falschen Marktanalyse. Bei Ihrer Förderpolitik vergessen Sie das Wichtigste, nämlich die Lenkungswirkung der Fördergelder zu bedenken.
Wenn Sie sich den Milchmarkt einmal ansehen würden, so wie es das Bundeskartellamt gerade getan hat, so würden Sie feststellen, dass dieser Markt total verzerrt ist
und eine eklatante Benachteiligung der Milcherzeuger gegenüber den Molkereien besteht. Diesen Markt sich selbst zu überlassen, hieße nicht, die Marktkräfte zum Zuge kommen zu lassen, sondern hieße, allein die Monopolisten zu stärken, meine Damen und Herren Marktexperten von der FDP.
Wir brauchen jetzt Maßnahmen, um diesen Markt erst einmal wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir müssen die Erzeugerseite stärken und in gesunde regionale Marktstrukturen investieren. Das bedeutet: Wir brauchen jetzt eine Bündelungsinitiative zur Förderung bäuerlicher Erzeugergemeinschaften,
wie es das Bundeskartellamt empfiehlt. Die Bundesregierung ist hier gefordert, mit einer gezielten bundesweiten Kampagne den Zusammenschluss der Milcherzeuger unabhängig von Molkereien und Genossenschaften zu unterstützen. Als Beispiel kann hier die bestehende bundesweite Milcherzeugergemeinschaft, das Milch Board, dienen. Das wäre ein marktorientierter und solidarischer Ansatz zugleich und würde den Steuerzahler keine 750 Millionen Euro, sondern gerade mal 1 Prozent davon kosten.
In Wahrheit wollen Sie der bäuerlichen Landwirtschaft eben nicht helfen. In Wahrheit wollen Sie mit diesem Mammutprogramm Ihre politische Haut retten; ansonsten verfolgen Sie ganz andere Ziele.
?Wir haben die Antworten für die Probleme der Welt?, hat der selbsternannte CSU-Export-Staatssekretär Müller diese Woche im Agrarausschuss großspurig erklärt.
Das klingt wie eine Drohung gegenüber den ärmsten Ländern der Welt und ist wohl auch als Drohung gemeint, wie man annehmen muss, wenn man sich ansieht, wie Sie mit Ihrer Exportstrategie die Welt mit billigem Fleisch und billiger Milch überschwemmen wollen.
Was Sie hier treiben, zerstört das, was der Weltagrarbericht als das Zukunftsmodell zur Lösung der globalen Herausforderungen im ländlichen Raum bezeichnet: die bäuerliche Landwirtschaft, die nachhaltig Umwelt, Natur und Tiere schont und schützt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Stefanie Vogelsang für die CDU/CSU-Fraktion.
Stefanie Vogelsang (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Entwurf dieses Gesetzes führen wir Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise fort, mit denen wir in der Großen Koalition begonnen haben. Gestern haben wir hier über den Jahreswirtschaftsbericht debattiert und zur Kenntnis genommen, dass es erste Anzeichen einer langsamen Erholung gibt. So erfreulich das Ende der Abwärtsdynamik auch ist: Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einem tiefen Tal. Die leicht positiven Signale für das laufende Jahr geben keinen Anlass zu euphorischen Einschätzungen.
Jetzt ist es von besonderer Bedeutung, die beginnende Erholung in ihren Kräften zu stützen und weitere Impulse in Richtung Wachstum zu setzen. Richtig war es, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung gesenkt haben. Richtig war es, dass wir den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung festgeschrieben haben.
Aus dieser nicht in Deutschland verursachten internationalen Krise konnten wir etliche Erkenntnisse gewinnen; internationale Handlungsnotwendigkeiten zur Verhinderung einer erneuten Krise dieses Ausmaßes wurden deutlich. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft hat sich als durchaus krisenfest erwiesen. Deutschland hat diese Krise deutlicher besser überstanden als viele andere Länder.
Frau Kollegin Senger-Schäfer, wie sozial und wie gerecht ein System ist, das ohne Wettbewerb funktioniert, mussten viele Menschen in unserem Land viele Jahrzehnte ertragen. Ich glaube nicht, dass wir in diese Richtung wollen.
Eines ist ganz klar und deutlich geworden: Unsere sozialen Sicherungssysteme sind in erheblichem Maße konjunkturabhängig. Dieser Gesetzentwurf enthält neben dem Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter, der Anhebung des Schonvermögens und dem Zuschuss für die Bundesagentur für Arbeit auch den Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung, auf den ich mich jetzt konzentrieren möchte.
Gerade wegen der hohen Konjunkturabhängigkeit ist es richtig, die gesetzliche Krankenversicherung zunehmend von dem Faktor Arbeit zu entkoppeln. Dafür haben wir die Einrichtung einer Regierungskommission beschlossen, die uns den Weg für eine neue Basis für eine gerechte und solidarische Finanzierung unseres Gesundheitssystems erarbeiten wird. Herr Kollege Schurer, Sie können ganz sicher sein, dass die christlich-liberale Koalition
auf diesem Weg die Orientierung hat und die Richtung weiter vorgeben wird.
Noch in der Großen Koalition haben wir beschlossen, den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung stabil zu halten. Wir alle waren erleichtert, dass im Jahr 2009 das im zweiten Nachtragshaushalt beschlossene überjährige Liquiditätsdarlehen des Bundes an den Gesundheitsfonds zur Kompensation ebendieser krisenbedingten Mindereinnahmen nicht benötigt wurde. Im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets ist der Bundeszuschuss 2010 zur Finanzierung der Beitragssatzsenkung von 6,3 Milliarden Euro auf 11,8 Milliarden Euro erhöht worden. Mit diesem Gesetz wollen wir die Grundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss in Höhe von 3,9 Milliarden Euro schaffen. Dies ist als gesamtgesellschaftliche, flankierende Maßnahme in diesem Jahr notwendig; sonst wird der Druck auf unsere gesetzliche Krankenversicherung noch größer, und das wollen wir verhindern.
Wir haben schon in der ersten Lesung des Bundeshaushalts letzte Woche über die Etatisierung dieser Mittel geredet. Derzeit berät der Haushaltsausschuss über den Etat. Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf ebenfalls an den Haushaltsausschuss überweisen. Meine Damen und Herren vor allen Dingen von der SPD, aber auch von den Grünen, dieser Schutzschirm, den wir jetzt aufspannen, ist, um im Farbenspiel zu bleiben, ein schwarz-gelber Schutzschirm.
- Frau Kollegin, er ist ein Schutzschirm für 2010. Wir warten ab und schauen, wie sich die Lage entwickelt. Wir alle können das nicht vorhersehen oder Prognosen abgeben. - Ich glaube, dass es der Kontinuität Ihres Handelns und der Verantwortung, die Sie in Ihren Wahlkreisen Ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber haben, entsprechen würde, wenn Sie ganz gründlich darüber nachdenken würden, ob ein solcher Schutzschirm nicht auch rote und grüne Farbpunkte tragen sollte.
Danke.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Wilhelm Priesmeier für die SPD-Fraktion.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer bislang noch nicht gewusst hat, was ein Kuhschwanz wert ist, dem sei gesagt: Die Regierung hat Maßstäbe gesetzt, es sind 20 Euro,
unabhängig davon, wie lang er ist, unabhängig davon, zu welcher Kuh er gehört, unabhängig davon, ob die Kuh 3 000 Liter oder 10 000 Liter Milch gibt. All das wird über einen Kamm geschoren. Jede Kuh in Deutschland kann jetzt froh sein: Vor dem Gesetz sind sie alle gleich. - Hervorragend! Kompliment, das habt ihr gut gemacht! Ihr habt das Fass in Feierlaune aufgemacht. Da wird Party gefeiert, Geld ausgeteilt, und keiner kümmert sich um die Rechnung. Das ist die derzeitige Politik im Agrarbereich. Ihr verschenkt heute die finanziellen Spielräume, die ihr in den nächsten Haushaltsjahren noch dringend brauchen werdet.
Es wurde angesprochen: Die Agrarhaushalte 2011, 2012 und 2013 werden von drastischen Einsparungen nicht verschont werden; das ist jedem klar.
Heute feiert ihr noch einmal kräftig, heute teilt ihr noch einmal Geschenke aus.
Kollege Ostendorff hat gerade deutlich gemacht, wo die strukturellen Schwächen dieses Programms liegen. Das, was hier geplant ist, ist für die Agrarpolitik ordnungspolitisch ein Super-GAU sondergleichen.
Die FDP sitzt daneben und hat die Prinzipien der Agrarpolitik, die sie sonst vertreten hat, grundlegend verraten.
Geschuldet ist dies dem Kompromiss, den man eingehen musste, nachdem im Vorwahlkampf in Bayern schon mal eine hauseigene Prämie gezahlt wurde. Das hat nicht viel genutzt; die Bauern sind trotzdem von der CSU weggelaufen. Jetzt will man nachlegen, die Dimension vergrößern, in der Hoffnung, man könne die Bauern kaufen. Das ist keine Strategie. Langfristig kann man die Bauern nicht kaufen; auch die CSU in Bayern kann das nicht.
Frau Ministerin Aigner ist nicht mehr da. Sie kann jetzt mit der Gießkanne durch Bayern fahren und jeden Hektar begießen. Die Frage ist, was dies nützt. Das hat nichts mit strukturierter Agrarpolitik zu tun. Wir brauchen den Strukturwandel, wir müssen ihn begleiten; das ist unabdingbar. Das Programm, das hier aufgelegt worden ist, begleitet nichts, erzeugt nur Mitnahmeeffekte und hat unterm Strich keine strukturellen Folgewirkungen. Der Strukturwandel wird aufgeschoben und behindert.
Dabei wäre es doch notwendig, dafür zu sorgen, das umzusetzen, was im Vorbericht zur Sektoruntersuchung seitens des Bundeskartellamts - Kollege Ostendorff hat es angesprochen - klar und deutlich gesagt worden ist, um den Milchsektor zu stärken.
Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeuger stärken. Wir müssen ihre Position auf dem Markt stärken. Da können Sie ins Volle greifen. Nach den Vorgaben der EU dürfen Sie jede Erzeugergemeinschaft mit 500 000 Euro fördern. Legen Sie ein entsprechendes Programm auf! Fördern Sie die Strukturen auf dem Markt, fördern Sie die Wettbewerbsfähigkeit und fördern Sie die Marktgerechtigkeit! Dieser Ansatz wird zukünftig im Bereich der Milchpolitik notwendig sein und nicht die Größenordnung des Programms hier.
Das Programm an sich ist löchrig wie ein deutscher Käse. Die Verteilungsungerechtigkeit ist eklatant. Der bayerische Landwirtschaftsminister rühmt sich, dass über ein Viertel der Mittel des Gesamtprogramms nach Bayern fließt. Das ist mehr, als den Bayern in der Relation zu der Milchmenge, die sie normalerweise produzieren, zusteht. Ich weiß nicht, ob dies bei den Betrieben in Schleswig-Holstein oder in den neuen Bundesländern viel Zustimmung gefunden hat; denn da gibt es Kappungsgrenzen aufgrund der De-minimis-Regelung; bei 187 Kühen ist Schluss. Aber auch das sind Betriebe, die Arbeitnehmer beschäftigen und Arbeit sichern. Sie gehen bei diesem Programm, so wie es gestrickt ist, zwar nicht leer aus, werden aber erheblich benachteiligt.
Das ist nicht der richtige Ansatz. Die Politik, die hier offenkundig betrieben wird, ist ein Anachronismus. Dies ist der Rückfall in die Agrarpolitik der 60er-Jahre, als es eine Abschlachtprämie und andere Dinge gab. Das kann man nicht gutheißen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schirmbeck?
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Ja.
Georg Schirmbeck (CDU/CSU):
Herr Kollege Priesmeier, Sie sind eigentlich ein sehr sachlicher Kollege und beschäftigen sich inhaltlich mit diesen Themen. Ich weiß nicht, welche Zahlen man Ihnen vorgelegt hat. Ich weiß aber, dass der zuständige Beamte im Landwirtschaftsministerium sehr solide rechnet. Sieht man sich die mir vorliegenden Zahlen vor dem Hintergrund des Pakets an, das wir geschnürt haben, wozu natürlich auch die Gasölverbilligung und die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung gehören, dann ergibt sich, dass Bayern einen Anteil von 25,63 Prozent an der Milchproduktion in Deutschland und einen Anteil von 26,35 Prozent an den Mitteln hat, die der Landwirtschaft jetzt zur Verfügung gestellt werden. Jetzt zu behaupten, das sei zugunsten eines Bundeslandes, das geht an diesen Zahlen vorbei. Ich frage Sie, ob Sie andere Zahlen haben und ob die Zahlen, die mir das Ministerium zur Verfügung gestellt hat, falsch sind.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Herr Schirmbeck, fragen Sie einmal in Mecklenburg-Vorpommern nach, warum es im Bundesrat gegen das Gesetz gestimmt hat.
Das Missverhältnis zwischen den süddeutschen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern und den norddeutschen ist belegbar. Sobald ich Zeit habe, suche ich die Zahlen heraus. Dann können wir uns später gerne darüber unterhalten. Die Beweisführung scheue ich nicht. Sie konstruieren hier Gesamteffekte aus dem Bereich Agrardiesel und anderen Einzelmaßnahmen im Rahmen der Unfallversicherung. Die Aussage, die ich getroffen habe, bezieht sich allein auf das Grünland-Milchprogramm, das Sie vorgelegt haben.
- Vielen Dank, Herr Kollege. Genau darum geht es.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Haben Sie eine Nachfrage? - Gestatten Sie das, Herr Kollege?
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Ja.
Georg Schirmbeck (CDU/CSU):
Herr Kollege Priesmeier, wenn wir fair miteinander umgehen wollen, dann müssen wir das Gesamtkonstrukt sehen, das wir für den ländlichen Raum vorgesehen haben. Meine Frage: Die Zahlen für die neuen Bundesländer belegen, dass sie einen Milchanteil von 22,57 Prozent haben; ihre Zuschüsse belaufen sich auf 21,18 Prozent. Ich weiß nicht, ob Sie sich einen Schlüssel vorstellen können, der diese Mittel bei den zugegebenermaßen unterschiedlichen Strukturen, die wir in Deutschland haben, noch gerechter aufteilt; es ist ohnehin schwierig, das mit einem einheitlichen Maßstab auf den Weg zu bringen.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Zugegebenermaßen ist es so, dass die Milchviehbetriebe in der Relation weniger Agrardiesel beziehen als die Ackerbaubetriebe. Allein daraus ergibt sich, dass Ihre eben vorgetragene Annahme nicht ganz richtig sein kann.
Ich kann nur an Sie appellieren: Streichen Sie die 300 Millionen Euro für das Grünlandprogramm aus dem Haushalt und kommen Sie Ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nach! Diese 300 Millionen Euro sind schuldenfinanziert. In der jetzigen desaströsen Haushaltslage ist es nicht angemessen, diese Form von Geschenken zu machen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Happach-Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Sowohl in der letzten Debatte als auch durch die Fragen und Antworten der Kollegen Schirmbeck und Priesmeier ist deutlich geworden, worum es in dieser Debatte geht. Es geht um das Sonderprogramm Landwirtschaft, das wir, die christlich-liberale Koalition, gemeinschaftlich im Koalitionsvertrag vereinbart haben,
weil wir der Auffassung sind, dass gerade Milchviehbetriebe durch die Wirtschaftskrise, durch den absolut niedrigen Milchpreis geschwächt worden sind und dass sie eine Unterstützung brauchen, damit sie durchhalten können, damit sie die Chance haben, zu überleben.
Unsere Maßnahmen umfassen drei Teile. Zum einen gibt es das Grünlandprogramm. Ich finde es schon etwas seltsam, dass der grüne Abgeordnete sein umweltpolitisches Gewissen total aufgegeben und verloren hat.
Sie alle wissen, dass Grünland gebraucht wird. Die Nutzung von Grünland ist nur durch Milchviehhaltung, durch Tierhaltung möglich. Deswegen ist es richtig, wenn wir ein Umbruchverbot für Grünland haben, dass wir die Betriebe stärken, die es nutzen.
Zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Wir wissen, dass gerade tierhaltende Betriebe mehr Unfälle haben und dass sie gestützt werden, wenn wir die landwirtschaftliche Unfallversicherung stärken.
Wir haben auch eine ?Kuhschwanzprämie? vorgesehen.
- Vielen Dank für die Heiterkeit im Plenum, aber für die Betriebe ist das eine ernste Angelegenheit. - Es ist in der gesamten Diskussion ein Wermutstropfen für uns Liberale, dass sie auf 178 Kühe begrenzt wird. Wir kritisieren an dieser Kuhprämie, dass sie strukturkonservativ ist, dass sie keine lenkende Aufgabe hat und letztendlich der Gemeinschaftsaufgabe ?Agrarstruktur und Küstenschutz? entgegenwirkt. Auf ihrer Grundlage wurden Programme entwickelt, die gewährleisten, dass gute Betriebe gestärkt werden und schwache Betriebe eine Möglichkeit zum Ausstieg bekommen, damit wir einen sozialverträglichen Strukturwandel haben. Das kritisieren wir. Hier sehen wir Verbesserungsbedarf im Bereich der Kuhprämie. Wir hoffen auf Unterstützung, insbesondere aus der Opposition.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Priesmeier.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Verehrte Kollegin Happach-Kasan, vielen Punkten Ihrer Analyse kann ich ohne Weiteres zustimmen. Das würde ich ohne Weiteres unterschreiben. Ich weiß, wie sich die Situation der FDP in den Koalitionsverhandlungen dargestellt hat. Es war sicherlich nicht einfach, diese Kröte zu schlucken. Es war sicherlich nicht einfach, auf die Begehrlichkeiten der Bayern in dieser Weise eingehen zu müssen. Das entspricht an sich nicht der agrarpolitischen Tradition der FDP.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei dem Szenario, das Sie aufgezeigt haben, wenn es um die Linie und die Strukturpolitik geht, durchaus kompromissfähig sein können. Zu dem vorgelegten Programm, wie es sich jetzt darstellt, gibt es aber nur ein ganz klares Nein. Ich kann Sie unterstützen: Hoffentlich setzen Sie sich mit Ihrer Position innerhalb der Koalition durch. Das wäre zum Vorteil für die deutsche Landwirtschaft. Da würde Ihnen einiges an Ärger und Folgekosten erspart bleiben.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.
Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Bisher hat Deutschland die Wirtschafts- und Finanzkrise im Vergleich mit anderen von der Krise betroffenen Staaten verhältnismäßig gut überstanden. Das entschlossene Handeln der Bundesregierung im letzten Jahr hat den Finanzmarkt stabilisiert und die Talfahrt der Wirtschaft gestoppt. Offensichtlich greifen die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung.
Positiv hat sich in Deutschland vor allem die Ausweitung der Regelung für das Kurzarbeitergeld ausgewirkt. Wir haben erst gestern Abend hier darüber diskutiert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte so stark begrenzt werden wie in keinem anderen Industrieland weltweit. Der zu Beginn der Wirtschaftskrise vorausgesagte Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 4 Millionen ist erfreulicherweise nicht eingetreten.
- Dass die SPD einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet hat, will ich nicht in Abrede stellen.
Es wäre allerdings ein Fehler, sich jetzt auf den positiven Entwicklungen auszuruhen. Die Krise reißt spürbare Lücken in die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Ihre Folgen für die Wirtschaft, besonders für den Arbeitsmarkt, sind noch längst nicht überwunden. Mit dem Ziel, Beschäftigung möglichst zu sichern, hat die Bundesregierung durch ihre Sofortmaßnahmen zwar viele Härten abfedern können, es gibt aber immer noch Schieflagen, die wir beseitigen, und Entwicklungen, denen wir gegensteuern müssen.
Viele Menschen, die für ihr Alter mit einer Lebensversicherung oder dem Bau eines Eigenheims vorgesorgt haben, sehen sich mit einer Situation konfrontiert, in der ihr sichergeglaubter Arbeitsplatz bedroht ist. Ihre Selbstvorsorge soll bei länger dauernder Arbeitslosigkeit nicht umsonst gewesen sein. Deshalb gliedern wir sie in den Schutzschirm für Arbeitnehmer ein, den wir mit dem Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz, über dessen Entwurf wir hier und heute debattieren, aufspannen.
Wir erhöhen den Freibetrag beim Schonvermögen im SGB II, der verbindlich der Altersvorsorge dient, deutlich, von 250 Euro auf 750 Euro pro Lebensjahr; einige der Vorredner haben bereits darauf hingewiesen. Bedingung dafür ist, dass das Altersvorsorgevermögen erst mit Eintritt in den Ruhestand verfügbar ist. Erwerbslose wären so seltener gezwungen, ihre Ersparnisse für das Alter anzugreifen. Für einen 50-Jährigen läge der Freibetrag dann immerhin bei 37 500 Euro. Ansprüche aus Rürup- und Riester-Renten werden nicht mit diesem Freibetrag verrechnet. Sie bleiben generell verschont.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, als die Sätze für das Schonvermögen 2004 festgeschrieben wurden, reichte es aus, dass jeder, der Arbeitslosengeld II beantragte, für sich und seinen Partner je 150 Euro pro Lebensjahr behalten durfte. Das SGB II ist aber ein lernendes System. Wir haben registrieren müssen - dafür haben wir sogar Applaus von der Linkspartei bekommen -, dass die Vorsorge fürs Alter etwas stärker geschützt werden muss, um jungen Leuten, die im Berufsleben stehen, die Motivation zu geben, selbst Werte fürs Alter zu schaffen, sei es das Eigenheim, sei es eine entsprechende Altersvorsorge.
Die Rahmenbedingungen sind heute jedoch schwieriger als noch vor sechs Jahren. Viele Mittelständler, Kleinunternehmer und Selbstständige, sind widrigen wirtschaftlichen Umständen ausgesetzt und mitunter von längerer Arbeitslosigkeit bedroht. Diesen Menschen wollen wir helfen, damit sie nicht ihr Erspartes schon einsetzen müssen, bevor sie Arbeitslosengeld II bekommen. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass sie nicht im Alter auf Sozialleistungen angewiesen sind, nur weil der Freibetrag für die Altersvorsorge zu gering war. Im Übrigen - auch darauf muss einmal hingewiesen werden - entlasten wir langfristig die öffentliche Hand, wenn wir das Schonvermögen erhöhen und durch den Behalt des Eigenheims zukünftige Leistungen für Wohnkosten im Zusammenhang mit der Alterssicherung nach dem SGB XII bereits jetzt vermeiden.
Ein wichtiges Ziel unserer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik war immer, die private Altersvorsorge zu fördern, um einer möglichen Altersarmut von breiten Bevölkerungsschichten rechtzeitig vorzubeugen. Auch aus diesem Grund wird innerhalb unserer Partei schon lange gefordert, das Schonvermögen zu erhöhen. So haben wir in der christlich-liberalen Koalition
- ich habe es bewusst gesagt, Herr Kollege, damit Sie Ihren Zuruf machen können - beschlossen, als eine der ersten Maßnahmen den Freibetrag beim Schonvermögen im SGB II deutlich anzuheben. Ich freue mich ganz besonders, dass dieser Beschluss in den Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP Eingang gefunden hat. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir uns darauf geeinigt, die Freibeträge für das Altersvorsorgevermögen von 250 auf 750 Euro je vollendetem Lebensjahr zu verdreifachen. Kollege Vogel von der FDP hat in seiner Rede darauf hingewiesen.
Unsere Botschaft lautet: Wer für das Alter vorsorgt, hat auch für den Fall der Arbeitslosigkeit richtig gehandelt.
Ich weiß, auch vonseiten der Opposition gab und gibt es Forderungen und Anträge in diese Richtung. Wir aber wollten einen vernünftigen und ordentlich ausgearbeiteten Gesetzentwurf. Dieser liegt Ihnen jetzt vor. Damit haben wir unser Versprechen eingelöst.
Noch einen weiteren Aspekt, der für die Arbeitsmarktpolitik von Bedeutung ist, wird das Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz regeln. Durch die krisenbedingten Einnahmeausfälle und steigenden Ausgaben verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit für das vergangene Jahr ein Defizit von 10,9 Milliarden Euro. Die Rücklage der BA ist zum Jahresende 2009 auf rund 1,9 Milliarden Euro gesunken. Für das Haushaltsjahr 2010 erwartet die BA bei einem unveränderten Beitragssatz in Höhe von 2,8 Prozent ein Defizit in Höhe von rund 17,9 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Fehlbestand von rund 16 Milliarden Euro am Jahresende.
Wenn Herr Kollege Birkwald von der Linkspartei hier ausführt, es sei ein Fehler gewesen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge von damals 6,5 Prozent auf heute 2,8 Prozent zu reduzieren, so sei Ihnen, aber auch den Zuschauern auf den Tribünen und am Fernseher gesagt: Wenn wir die Beitragssätze bei 6,5 Prozent belassen hätten, wäre die Konsequenz gewesen, dass jeder Arbeitnehmer und natürlich jeder Arbeitgeber - das Ganze ist ja paritätisch finanziert - Monat für Monat 3,7 Prozentpunkte mehr an Sozialabgaben hätte zahlen müssen. Wenn Sie den Wunsch erfüllen wollen, müssen Sie den Forderungen der Linkspartei folgen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald?
Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Ja, natürlich. Ich bitte darum.
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
Herr Kollege Lehrieder, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Wunsch der Linken ist, dass alle Erwerbslosen in der Krise 24 Monate Arbeitslosengeld erhalten? Dafür braucht man Geld, und es ist sinnvoller, höhere Beiträge zu zahlen, damit man dann, wenn man auf das Pflaster geworfen wird, einen gewissen Schutz hat und erst später in das unsoziale Hartz-IV-System gelangt.
Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Herr Kollege Birkwald, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir genau diesen Schutzschirm haben und dass wir in diesem Gesetzentwurf vorsehen, die Beiträge zur Bundesagentur stabil zu halten und den Ausgleich des Defizits aus steuerfinanzierten Mitteln zu übernehmen? Es ist ja auch ein Wunsch, den Sie als Umverteilungspartei hier regelmäßig vortragen, dass wir über steuerfinanzierte Leistungen die Arbeitnehmer, all diejenigen, die im Berufsleben stehen, ein Stück weit entlasten sollen. Da sind wir mit Sicherheit sozialer als die Linkspartei.
Dieser Fehlbestand soll nun nicht als zurückzuzahlendes Darlehen, sondern als einmaliger Bundeszuschuss zur Verfügung gestellt werden. Wie wir auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, muss die Auszahlung dieses Zuschusses selbstverständlich an strenge Kriterien gebunden werden.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir einen weiteren Markstein auf dem Weg zur Überwindung der Krise und ihrer Folgen. Aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und dem Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz ergeben sich steuerliche Erleichterungen. Allein mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz entlasten wir die Bürger und Unternehmen um insgesamt rund 8,5 Milliarden Euro. Wir wollen die Sozialbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern stabil halten - hier unterscheiden wir uns von den Linken - und die Lohnnebenkosten nicht zusätzlich belasten. Es gilt, im Rahmen des haushaltspolitisch Verantwortbaren zusätzliche Impulse zu geben. Nur so werden wir das Vertrauen von Investoren und Konsumenten in die Kontinuität der künftigen Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik stärken und damit langfristig die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung stellen.
Nur so wird es uns gelingen, dabei zu helfen, dass die Unternehmen die Krise meistern, Beschäftigungsverhältnisse erhalten und mehr Arbeitsplätze schaffen. Wir können es uns nicht leisten, in der konjunkturellen Talsohle zu verharren und sehenden Auges zuzulassen, dass die Unternehmen und damit die Arbeitsplätze immer stärker unter Druck geraten.
Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass Sie das eigentlich genauso sehen. Deshalb möchte ich Sie einladen, uns auf unserem Weg zu unterstützen und diesen Gesetzentwurf mitzutragen.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 17/507 und 17/495 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 19 a bis 19 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicolette Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Maßnahmenbündel gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten und ungerechtfertigte Banker-Boni
- Drucksache 17/526 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Nicolette Kressl, Joachim Poß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die Lasten der Krise gerecht verteilen, Spekulationen eindämmen - Internationale Finanztransaktionssteuer einführen
- Drucksache 17/527 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Finanztransaktionssteuer international vorantreiben und national einführen
- Drucksache 17/518 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Joachim Poß für die SPD-Fraktion.
Joachim Poß (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanzmarktkrise, in der wir seit gut zwei Jahren stecken, ist für uns insgesamt eine große Zäsur, und zwar eine gesellschaftliche Zäsur und nicht nur eine vordergründig politisch-ökonomische.
Wir mussten erfahren, dass unsere Abhängigkeit von Banken und Finanzindustrie größer und tiefer ist, als wir bis dahin vielleicht gedacht hatten. Die Verantwortungslosigkeit und Gier, die Risikobereitschaft und manchmal sogar die Dummheit von Bankern, Finanzmanagern und auch von Verwaltungsräten öffentlicher Landesbanken sprengen das bisher Vorstellbare.
Hier setzt unsere gemeinsame Aufgabe ein, meine Damen und Herren, die Aufgabe der Politik: Wir müssen diese Leute aus der Parallelwelt holen, in der sie sich - jede Äußerung dieser Tage macht das deutlich - noch immer befinden.
- Ich rede von denen, die offenkundig auch im Namen anderer sprechen. Ich halte überhaupt nichts von Ackermann-Bashing; aber Herr Ackermann ist nun einmal ein Sprecher der ganzen Branche,
und jede Äußerung von ihm belegt, dass wir die Branche aus ihrer Parallelwelt holen müssen.
Nehmen wir als Beispiel nur die Diskussion über die Boni. Welche Rechtfertigung gibt es denn für ein solches Bonisystem? Arbeiten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die es kein solches System gibt, nicht auch motiviert? Solche Fragen muss man stellen. Einige haben sich eingerichtet in diesem System und haben politische Unterstützer gefunden. Da müssen wir umkehren.
Nur dadurch, dass die Notenbanken und die Staaten bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und Mittel gegangen sind, konnte ein flächendeckender Kollaps der Finanzmärkte verhindert werden. Uns allen, meine Damen und Herren, muss klar sein: Noch eine solche Krise, wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben, könnte auch Deutschland nicht mehr bewältigen. Daraus lässt sich nur eine Konsequenz ziehen: Die Strukturen in der Finanzindustrie, die Bankenwelt und die Finanzmärkte insgesamt sind so zu verändern, dass sich eine solche Krise möglichst nicht mehr wiederholt.
Wenn man die Berichte aus Davos verfolgt, bekommt man mit, dass - polemisch gesprochen - beim Champagner schon wieder gesagt wird: Das darf aber nicht zu weit gehen. Nach der Obama-Rede haben Herr Ackermann und andere aus der Branche in die gleiche Richtung argumentiert - Originalton -: Die Regierungen werden jetzt doch nicht die falschen Schlussfolgerungen ziehen, weltweit und europäisch!
Angesichts dessen muss man sich fragen: In welcher Welt leben diese Menschen? Sie sollten Davos schnell verlassen und sich einmal die soziale Realität, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, anschauen.
Das ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben dieses Hauses: Wir müssen uns nicht den Kopf zerbrechen, ob und wie wir für diesen oder jenen noch mehr Steuern senken können; das aber machen Sie in dieser Koalition hauptsächlich. Sie müssen endlich zu Potte zu kommen und eine Strategie entwickeln, wie wir mit nationalen, europäischen und internationalen Maßnahmen die Aufgabe, die ich beschrieben habe, endlich in den Griff bekommen.
Da ist bei Ihnen Pause, Ende der Durchsage. Warum denn? Es ist doch ein Skandal, dass sich diese schwarz-gelbe Koalition in einer der zentralen Fragen unserer Zeit nicht verständigen kann,
bei der Finanzmarkttransaktionsteuer unterschiedlicher Meinung ist.
Frau Merkel äußert Verständnis. Aus der CSU kommen sozialdemokratische Töne.
Die FDP sagt wie üblich Nein, weil sie am engsten mit dem Finanzmarkt verflochten ist. Das Ganze offenbart ein erschreckendes Defizit im Hinblick auf ein ernsthaftes Politikverständnis.
Was wurden hier, auch während der Zeit der Großen Koalition, für Reden gehalten, von Frau Merkel, philosophisch von Ihrem Herrn Röttgers - -
- Röttgen. Röttgers ist die Mischung aus Rüttgers und Röttgen; denn die beiden tun sich da nicht viel: Große Reden, nichts dahinter!
Die Rede von Herrn Röttgen war philosophisch angelegt, blieb aber ohne Konsequenzen. Wenn es um Konkretes geht: Ende der Durchsage. Sie sind in diesem Politikfeld blank, so wie in der Gesundheitspolitik und in anderen Politikfeldern. Sie haben für die Zukunft unseres Landes konzeptionell nichts zu bieten. Das ist die Realität; darüber wird hinweggetäuscht.
Eine solche Haltung können wir uns nicht mehr leisten: Es werden immer nur Fensterreden von Frau Merkel oder von Herrn Schäuble gehalten. Jetzt wird eine Finanzmarktkonferenz abgehalten, aber nicht erst im Mai, sondern schon im April,
rechtzeitig vor einer wichtigen Landtagswahl, um zu sagen: Irgendwann werden wir uns um die Probleme kümmern. Was ist das für eine Regierung, die in dieser Situation nicht die Ärmel aufkrempelt!
Man kann fast den Eindruck haben, dass in dieser Koalition nicht die schwäbische Hausfrau Merkel, sondern die schwäbische Drossel Homburger das Sagen hat.
Da fragt man sich doch, welche speziellen Interessen sich hier durchsetzen. Wir werden einmal recherchieren, welche Spenden da vielleicht unterwegs sind oder waren.
Wir haben es doch nicht vergessen: Kurz vor der Wahl kamen einige ganz dicke Spenden aus der Finanzindustrie bei den jetzigen Koalitionspartnern an. Da wird doch wohl kein Zusammenhang zu dem konkreten Nichthandeln bestehen?
Sie sind von der letzten Obama-Rede aufgeschreckt worden. Erst muss der amerikanische Präsident kommen und etwas zur Begrenzung von Bankenmacht und hochriskanten Finanzgeschäften ausführen; dann kommt die deutsche Regierung und sagt: Wir halten eine Konferenz zu diesem Thema ab. Das ist in der Tat ein Armutszeugnis. Es muss wirklich anders gehen. Wir brauchen dringend so etwas wie einen deutschen Aktionsplan, ein konkretes Konzept, wie Deutschlands Beitrag zur nachhaltigen und dauerhaften Stabilisierung der Finanzmärkte und des Bankensektors aussehen soll.
Viel Zeit wurde vertan. Wir haben diese Diskussion schon in der Großen Koalition geführt, auch über eine Sonderabgabe des Bankenbereichs. Da haben Sie blockiert. Ich habe mit Ihnen in einer Gruppe zur Begrenzung von Managergehältern verhandelt. Ein Dreivierteljahr lang mussten wir Ihnen Stück für Stück notwendige gesetzliche Veränderungen regelrecht aus der Nase ziehen, je nachdem, wie hoch der Druck in der Finanzmarktkrise gerade war. Bei der Frage der Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehältern und Abfindungen - dazu zählen Boni - haben Sie sich von vornherein verweigert.
Was ist denn das für eine Haltung! Auch da müssen Sie sich bewegen.
Sie müssen doch auf nationaler Ebene machen, was auf nationaler Ebene möglich ist. Diese Chance nutzen Sie nicht. Sie machen unverbindliche Gedanken- und Meinungsaustausche und gehen die Probleme nicht an. Wir haben auch auf nationaler Ebene Regelungsbedarf. Sie sind nicht glaubwürdig.
Auch Frau Merkel, die ein internationales Renommee hat - wer wollte das denn bestreiten! -, kann mit ihrem europäischen oder internationalen Renommee überhaupt nichts anfangen, weil sie gar nicht weiß, wofür sie sich bei den Gipfeltreffen in Europa oder den G-20-Treffen in der Welt nachhaltig einsetzen soll; denn sie hat kein eindeutiges Mandat dieser Koalition. Dieser Zustand muss sich ändern.
Um Ihnen da auf die Sprünge zu helfen, haben wir zwei Anträge formuliert, die heute im Einzelnen noch gut begründet werden. Wir werden dann ja sehen, wie Sie sich dazu verhalten.
Die Zeit des Stillstands auf einem zentralen Politikfeld in Deutschland muss vorbei sein. Ihre Zeit ist in diesem Punkt jedenfalls abgelaufen. Bewegen Sie sich bitte!
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Poß, durch Ihren Beitrag haben Sie im Grunde wieder bekundet, dass Sie sich hier unter Wert darstellen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das, was wir bereits in der Großen Koalition auf den Weg gebracht haben; denn das war stimmig. Die Argumente und Vorwürfe, die Sie heute hier dargestellt haben, entbehren jeder Grundlage. In der neuen Koalition, in der christlich-liberalen Koalition, führen wir jetzt die Dinge zielgenau fort, mit denen wir bereits im Finanzmarktstabilisierungsgesetz und durch weitere Maßnahmen begonnen haben.
Ich darf vielleicht daran erinnern, was wir beispielsweise hinsichtlich der Vergütungsstrukturen schon auf den Weg gebracht haben, was wir gemeinsam beschlossen haben. Wir waren eben nicht bereit - das ist nach wie vor richtig -, bei den Vergütungsstrukturen unter steuerlichen Gesichtspunkten zwischen guten und schlechten Bezügen bzw. Einkünften und Ausgaben zu differenzieren. Das ist der falsche Ansatz.
Man setzt zu spät an, wenn man damit anfängt - das wurde auch in England teilweise vollzogen -, Boni zu versteuern. Diese Boni dürfen den Bereich der Banken im Grunde gar nicht verlassen, sondern sie sollten dafür genutzt werden, die Eigenkapitaldecke der Banken zu stärken. Das wäre der bessere Beitrag als der, hier zu einem späteren Zeitpunkt eine Besteuerung herbeizuführen, die über andere Vergütungssysteme teilweise wieder so ausgeglichen wird, dass Sie das, was Sie damit eigentlich beeinflussen wollen, gar nicht erfassen.
Deshalb geht es darum, systematisch die Dinge fortzusetzen, mit denen wir bereits begonnen haben. Die Verabschiedung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, dem bis auf die Linke alle Fraktionen in diesem Hause zugestimmt haben, war national der richtige Weg, um eine Stabilisierung zu erreichen. Das muss fortgesetzt werden.
Wenn wir uns anschauen, was auf europäischer Ebene und international momentan diskutiert wird und was wir national in der Pipeline haben, dann sehen wir, dass dies von folgenden Zielen gekennzeichnet ist:
Wir stimmen Ihnen zu, dass sich die Krise, die sich jetzt mit all ihren Folgen ereignet hat, so nicht wiederholen darf. Sie können nie ausschließen, dass es immer wieder Krisen geben wird, aber aufgrund der Erkenntnisse, die man aus der aktuellen Krise gewonnen hat, muss man jetzt die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit sich eine solche Krise mit den entsprechenden Folgen nicht wieder ereignet.
Mit allen Anträgen, die hier von den Oppositionsfraktionen gestellt worden sind, greifen Sie im Grunde zu kurz, da Sie nur über Abgabesysteme und Belastungen reden. Es wird nicht gesagt, wie wir systematisch und zielgenau die Erkenntnisse aus der Krise ziehen, die erforderlich sind, um die entsprechenden Maßnahmen durchführen zu können.
Als weiteres Ziel gilt es deshalb in der Tat, bestimmte Banken - die, die gerettet wurden; über die Rettung erfolgte eine Stabilisierung und wurde ein Nutzen erzielt - an den Kosten zu beteiligen. Man muss nur fragen, mit welchen Instrumenten dies geschehen soll. Dies muss auch differenziert geschehen.
- Wie lange wir brauchen? Wir sind jetzt seit einem bzw. zwei Monaten dabei. Durch Schnellschüsse, wie Sie sie fordern, wird uns hier nicht weitergeholfen, sondern das muss durch eine nationale, europäische und internationale Vereinbarung im System verankert werden.
Deshalb war es richtig, dass Herr Obama zumindest Vorschläge unterbreitet hat. Das ist die Grundlage dafür, dass man annehmen kann, dass sich etwas bewegt. Bisher war es das größte Problem bei der internationalen Abstimmung, dass man das Stichwort ?Regulierung? den Vertretern des angelsächsischen Raums gegenüber im Grunde gar nicht ansprechen konnte. Herr Steinbrück
und Frau Merkel haben doch das Thema Regulierung mit Recht immer betont. In Heiligendamm ist vereinbart worden, dass wir auch im angelsächsischen Bereich eine stärkere Regulierung erreichen müssen.
Wenn der Obama-Vorschlag etwas Gutes enthält, dann ist es die Öffnung für Maßnahmen. Dabei müssen wir uns aber fragen, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen in unserer europäischen und nationalen Bankenstruktur, Finanzmarktstruktur und auch Finanzmarktkultur adaptierbar und umsetzbar sind. Müssen wir nicht besser von der nationalen Ebene ausgehend bis hin zur europäischen Ebene Maßnahmen in die Diskussion einbringen, die unserer Finanzmarkt- und Bankenstruktur entsprechen?
Obamas Vorschlag bedeutet nämlich eine Rückkehr zum Trennbankensystem. Dadurch werden die Investmentbanken und damit die Banken begünstigt, die uns teilweise mit in die Krise geführt haben. Universalbanken aber dürfen keinen Eigenhandel mehr machen. Es geht doch nicht um die Frage, ob Eigenhandel zugelassen wird, sondern darum, in welchem Umfang er zulässig ist. Das muss aufsichtsrechtlich mit Eigenkapitalanforderungen geregelt werden.
Je risikoreicher und systemisch relevanter, desto höher sollte die Eigenkapitalunterlegung sein, Herr Poß. Das ist die richtige Antwort, um Krisen und Blasenbildung in diesem Bereich zu verhindern,
statt über die Schaffung von Besteuerungsgrundlagen zu diskutieren. Dabei sind wir auf einem guten Weg, der zwischen den beteiligten Häusern abgestimmt wird.
Wichtig ist für uns auch die Effizienzsteigerung der Aufsicht. Dazu haben wir vorgeschlagen, dass die BaFin insgesamt mit ihren Strukturen bei der Bundesbank andocken kann.
- Richtig. - Der vom Bundesbankvorstand unterbreitete Vorschlag, nicht nur die Bankenaufsicht, sondern auch die Solvenzaufsicht über die Versicherungen zu übernehmen, war im Grunde zu kurz gesprungen,
Zudem wurde in der Frage der Eingriffsverwaltung betont, dass in schwierigeren Fällen weiterhin das BMF für die Rechts- und Fachaufsicht zuständig sein soll. Das ist nicht zu akzeptieren.
Wir können die Unabhängigkeit der Bundesbank sicherstellen, Kollege Poß. Es lässt sich organisatorisch gestalten, indem einzelne Teile voneinander getrennt werden und dadurch die Aufsicht ausgeklammert wird. Darin sind wir nicht weit auseinander. Das lässt sich machen.
Ferner muss die Aufsicht mit mehr präventiven Kompetenzen ausgestattet werden. Im HRE-Untersuchungsausschuss wurde immer wieder vorgetragen, dass die Aufsicht auf das Geschäftsmodell keinen Einfluss nehmen kann. Wenn aber Geschäftsmodelle in den Ruin führen, dann muss die Aufsicht die Möglichkeit haben, präventiv auf die Tätigkeit der Bank Einfluss zu nehmen.
Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Der regulatorische Ansatz ist besser geeignet.
- Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Damit werden wir schon klarkommen. Ich wünsche mir nur, dass Sie mit Ihren Vorschlägen konsistent zu dem stehen, was wir sinnvollerweise gemeinsam gemacht haben. Dann wären wir schon einen wesentlichen Schritt weiter.
Nun kommen wir zu Obamas weiterem Vorschlag des Trennbankensystems. Wir haben ein Universalbankensystem. Das ist unsere Kultur bis hin zu den kleinsten Einheiten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Wollen Sie die alle mit der von Ihnen gewünschten Finanztransaktionsteuer erfassen? Sie waren doch an den Ursachen der Finanzkrise gar nicht beteiligt.
Lassen Sie uns doch die systemischen Banken heranziehen, die entsprechend gesichert worden sind. Damit sind wir wieder bei der Frage der Eigenkapitalunterlegung.
Gleichzeitig müssen wir in Basel dafür kämpfen, dass eine bestimmte Qualität des Eigenkapitals, was das Kernkapital anbelangt, erhalten bleibt. Wenn nämlich Mezzanine-Kapital, also stille Beteiligungen, demnächst nicht mehr zum Kernkapital gehören, ist das ein Schlag gegen unsere Finanzierungskultur bei den Banken sowohl auf nationaler als auf europäischer Ebene. Hier müssen wir dem angelsächsischen Raum etwas entgegensetzen, der hier zum Nachteil des deutschen und des europäischen Bankensystems interessengeleitet ist. Wenn Sie bereit sind, dabei mitzumachen, sind wir wiederum einen Schritt weiter.
Herr Kollege Poß, mit der Reform der Finanzaufsicht muss ein Insolvenzrecht für Finanzinstitute einhergehen.
- Nein, hier können wir auf das aufbauen, was schon während unserer Zeit in den Häusern erarbeitet wurde.
Es dürfen hier keine Verzögerungen entstehen, nur weil man sich in den Ministerien nicht einig ist, wer hier die Führung übernehmen soll.
Wir werden parallel dazu im Parlament darüber befinden, welcher Ausschuss dafür zuständig ist.
Da wir im Insolvenzrecht für Finanzinstitute, im Grunde abgehoben vom gewerblichen Teil des Insolvenzrechts, im Wesentlichen Besonderheiten für Finanzinstitute brauchen, werden sich die Änderungen überwiegend auf das KWG konzentrieren. Die entsprechenden Arbeiten laufen bereits. Aber der Gesetzentwurf muss seriös erarbeitet sein. Nach wie vor muss nämlich die Leitmaxime in der sozialen Marktwirtschaft gelten, dass auch Finanzinstitute scheitern können. Sie dürfen nicht immer aufgrund von ?too big to fail? oder der Systematik vom Steuerzahler gerettet werden müssen.
Aber dann braucht man neben einem Insolvenzrecht für Finanzinstitute eine Einrichtung wie den SoFFin, der Zahlungsströme sicherstellen kann. Im Insolvenzrecht für Finanzinstitute ist die Möglichkeit, Sicherungen, Abwicklungen und Neustrukturierungen vorzunehmen, das Wichtigste. Die entsprechenden rechtlichen Grundlagen kann man nicht innerhalb eines Monats legen. Das bedarf längerer Beratungen. Die Arbeiten werden bereits in den Häusern geleistet.
Wir sind auf gutem Weg, die internationale Diskussion nicht nur mit Absichten, sondern mit konkreten Maßnahmen und Zielsetzungen zu begleiten.
Kollege Poß, wir haben aus der Krise gelernt und werden die richtigen Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer und internationaler Ebene ergreifen. Herr Zöllmer, mit Schnellschüssen ist uns nicht gedient. Wir werden uns an unseren Leitgedanken orientieren.
- Ich war doch schon konkret genug. Sie haben offenbar nicht zugehört oder haben eine selektive Wahrnehmung, weil Sie vielleicht das, was ich vorgeschlagen habe, nicht erwartet haben.
Mit den drei Anträgen, die sich alle nur auf eine Maßnahme konzentrieren, können Sie die vor uns liegenden Herausforderungen jedenfalls nicht bewältigen. Wir sind mit unseren Vorstellungen auf einem besseren Weg.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Axel Troost für die Fraktion Die Linke.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Diskussion stehen zwei Anträge zur Finanztransaktionsteuer.
Das ist in der Tat nicht alles, worum es geht. Aber es handelt sich zumindest um eine ganz konkrete Maßnahme. Wer die zwei Anträge der SPD und der Linken zu dieser Steuer genau liest, wird eine sehr große Übereinstimmung feststellen, und das ist auch gut so.
Wir Linken begrüßen insbesondere die Analyse, die sich die SPD in ihrem Antrag zu eigen gemacht hat. Ich möchte kurz zitieren:
Die Ursachen der Krise liegen in weltweit liberalisierter Regulierung und Aufsicht als Ergebnis einer marktradikalen Ideologie, bei der es nur um die Maximierung von Profit, Kapitalrenditen und höchstmögliche Boni ging und die die ursprünglich dienende Funktion von Finanzmärkten und deren Funktionen für das Gemeinwohl oft vollständig ignorierte.
Sehr wohl, das ist das, was Die Linke hier in den letzten Jahren immer gesagt hat.
Wir sind froh, dass sich bei der SPD diese Erkenntnis jetzt auch durchgesetzt hat,
und wir hoffen, dass die Politik jetzt auch entsprechend ausfallen wird, wenn auch erst in der Opposition.
In unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung zu Folgendem auf. Erstens: Die Bundesregierung soll sich in internationalen Organisationen wie UNO und Internationalem Währungsfonds, in einzelnen Staatengruppen wie G 20 und OECD und in der Europäischen Union nachdrücklich für die Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzen.
Zweitens: Über den Fortgang dieser Verhandlungen soll die Bundesregierung das Parlament und die Öffentlichkeit regelmäßig informieren.
Drittens: Während diese Verhandlungen laufen, soll die Bundesregierung parallel einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland vorlegen.
Wenn die Verhandlungen sich dann in die Länge ziehen, sollen wir gemeinsam, Bundesregierung und Bundestag, unsere Glaubwürdigkeit dadurch unter Beweis stellen, dass die Finanztransaktionssteuer mit einem niedrigeren Steuersatz im Alleingang bereits eingeführt wird.
Wir wissen, es kommen immer wieder zahlreiche Gegenargumente; auf zwei davon will ich eingehen: Erstens wird vorgebracht, eine solche Steuer treffe Unschuldige und die kleinen Leute. Wenn man sich das in unserem Antrag genau ansieht, so ist zu erkennen, dass wir davon ausgehen, dass bei einem nationalen Alleingang ein Steuersatz von 0,01 Prozent umgesetzt wird. Im Maximum ist ein Steuersatz von 0,1 Prozent in der Diskussion.
Das bedeutete, dass Sparerinnen und Sparer, die ein Depot mit Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren von zum Beispiel 10 000 Euro anlegen, einmalig mit einem Euro bzw. im Höchstfall mit zehn Euro belastet würden. Bei 100 000 Euro wären es zehn Euro oder 100 Euro. Wenn man das mit den Bankgebühren für solche Depots vergleicht, die in der Größenordnung von 1 000 bis 2 000 Euro bei 100 000 Euro liegen - -
- Das ist doch ganz einfach. Das sind 1 bis 2 Prozent des Volumens, und das ist das, was an Bankgebühr verlangt wird.
- Nein, das ist einmalig; beim Erwerb wird dies fällig, und unabhängig davon, ob ich jeden Monat 100 Euro spare oder einmal 10 000 Euro, ergibt die Summe mathematisch immer das Gleiche, Herr Kollege.
Zweitens wird immer wieder gesagt, das gehe nur global. Das war sicherlich früher ein weit verbreitetes Gegenargument. Heute ist es aus unserer Sicht nur noch eine ignorante Schutzbehauptung, denn es gibt inzwischen viele Untersuchungen, die die Einführung auf EU-Ebene für machbar und für funktional halten.
Hinzu kommt, dass sich weltweit Regierungen positiv zur Finanztransaktionssteuer äußern, gerade auch von Ländern mit großen Finanzzentren, zum Beispiel Großbritannien. Ich appelliere daher an alle in diesem Haus, insbesondere an diejenigen, die immer wieder sagen, wir brauchten eine weltweite Finanztransaktionssteuer - ich wende mich also insbesondere an die Kollegen in der CDU -, die gegenwärtige Gunst der Stunde zu nutzen, dass der Premierminister Großbritanniens, Gordon Brown, sich im Augenblick so weit hervorgewagt hat.
Wir halten es für sinnvoll, auch ins deutsche Parlament einen entsprechenden Vorratsbeschluss einzubringen, wie ihn das belgische und das französische Parlament gefasst haben. Nur zur Information: Das belgische Parlament hat am 1. Juli 2004 ein Gesetz beschlossen, in dem sich Belgien mit einem Vorratsbeschluss selbst verpflichtet, eine Tobinsteuer einzuführen, sobald die EU einen entsprechenden Beschluss fasst.
Die französische Nationalversammlung hat das Gleiche bereits im Herbst 2001 gemacht. Beide Staaten - das war die damalige Diskussion - haben jetzt schon entweder eine Besteuerung auch von Börsenumsätzen wie in Belgien oder aber wie in Frankreich einen Präsidenten Sarkozy, der sich ganz eindeutig für die Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzt.
Die G 20 haben in Pittsburgh den Internationalen Währungsfonds beauftragt, nach Möglichkeiten zu suchen, wie der Finanzsektor stärker zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden kann. Das ist aus unserer Sicht eine etwas salomonische Umschreibung der Tatsache, dass geprüft werden soll, ob eine Einführung einer solchen Finanztransaktionssteuer möglich ist und wie sie entsprechend umgesetzt werden könnte. Wir glauben, dass die gegenwärtige Situation dafür reif ist, eine solche Steuer wirklich national und international einzuführen.
Bitte denken Sie daran: Es geht nicht darum, der SPD, der Linken oder den Grünen einen Gefallen zu tun. Es geht um sinnvolle Regulierung. Es geht um dringend benötigte Staatseinnahmen. Es geht um nachholende Gerechtigkeit, nämlich die Beteiligung der bisherigen Profiteure des Finanzmarktkapitalismus an den Kosten der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1930.
Wenn Sie sich für eine solche Finanztransaktionsteuer entscheiden, tun Sie uns allen einen Gefallen, denn unsere traurigen Staatsfinanzen können Einnahmen gut gebrauchen. Wir gehen davon aus, dass selbst bei einem minimalen Steuersatz von 0,01 Prozent - ich sage es noch einmal - insgesamt jährliche Mehreinnahmen in der Größenordnung von 15 bis 18 Milliarden Euro entstehen.
Dabei ist zum Teil ein Rückgang bis zu 80 Prozent, zum Beispiel im Bereich der Derivate, unterstellt. Das ist auch gut so, denn es geht eben nicht nur um die Einnahmen, sondern auch um eine Entschleunigung.
Es darf bei diesen Einnahmen aus unserer Sicht nicht nur um die Bedürfnisse des Inlandes gehen. Wir schlagen deswegen vor, die Mehreinnahmen zur Hälfte für den sozial-ökologischen Umbau zu verwenden und die andere Hälfte für Umwelt- und Klimaschutz sowie für die Finanzierung von Entwicklung und Armutsbekämpfung in Ländern des Südens.
Deshalb unser dringender Appell: Werden Sie Ihrer Verantwortung in dieser besonderen Konstellation gerecht und nutzen Sie die Chance, einen internationalen Prozess nicht nur anzustoßen, sondern ihn auch mitzugestalten. Denken Sie bitte auch daran, dass sich über 65 000 Bürgerinnen und Bürger in einer Petition für die Einsetzung der Finanztransaktionsteuer ausgesprochen haben,
dass viele gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen, Hilfswerke, Nichtregierungsorganisationen und auch Attac die Bundesregierung in einem offenen Brief aufgefordert haben, entsprechende Aktivitäten zu entwickeln.
Wenn man sich mit Vertretern der Finanzbranche ein bisschen unterhält, dann weiß man auch, dass diese mit der Einführung einer solchen Steuer durchaus rechnen. Ich habe vor zwei Tagen ein Gespräch mit einer Vertreterin der Deutschen Börse geführt, die schon davon ausgeht, dass diese Diskussion ganz konkret auf sie zukommt.
Viele von uns waren gestern beim parlamentarischen Abend des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, wo Herr Haasis genau diese Frage angesprochen und deutlich gemacht hat: Wenn man Maßnahmen ergreift, um die Finanzwirtschaft an diesen Kosten zu beteiligen - -
- Herr Dautzenberg, Sie sagen immer wieder, Sie wollen im Prinzip die Finanzindustrie an den Kosten beteiligen.
Wenn die Einführung dieser Steuer die geringste der schlimmen Maßnahmen ist, dann lassen Sie uns diese doch ergreifen.
Die Alternative ist, dass Sie gar nichts machen. Das ist doch der Punkt.
Deswegen der dringende Appell an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Befreien Sie sich endlich von dem Blockadegriff der FDP, die jede Art von Maßnahme auf diesem Gebiet verhindern will. Es kann auf Dauer nicht sein, dass der Schwanz, in diesem Fall die FDP, mit dem Hund - das ist der Rest des Parlaments - wackelt und sagt: Wir wollen die Einführung einer solchen Steuer nicht. Angesichts der letzten Umfrage würde ich sagen: Der Schwanz ist inzwischen ein kleiner Stummelschwanz geworden.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank Schäffler das Wort.
Frank Schäffler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Debatte verfolgt, die jetzt zum wiederholten Male hier im Parlament stattfindet - in der nächsten Sitzungswoche wird sie übrigens noch einmal geführt -,
dann erkennt man: Sie beschäftigen sich viel mit den Wirkungen der Finanzkrise, aber mit den Ursachen beschäftigen Sie sich, ehrlich gesagt, viel zu wenig. Wir tun das.
Die Justizministerin hat angekündigt, ein neues Insolvenzrecht, insbesondere für den Bankenbereich, vorzulegen, um letztendlich dem Ordnungsrahmen in Europa und vor allem in unserer sozialen Marktwirtschaft wieder Geltung zu verschaffen. Das heißt, derjenige, der Risiken eingeht, hat nicht nur die Früchte zu ernten, sondern, wenn es schiefgeht, im Zweifel auch zu haften. Das ist die andere Seite der sozialen Marktwirtschaft. Wir werden dafür eintreten, dass das in Deutschland wieder zusammengehört.
Es gibt noch einen Bereich, mit dem wir uns beschäftigen werden. Die Bankenbranche muss für das, was sie bei HRE und WestLB verursacht hat
- die Commerzbank nehme ich gern hinzu -, wofür bisher der Steuerzahler eintritt, im Rahmen eines Versicherungssystems geradestehen und dafür entsprechende Gebühren und Beiträge entrichten, sodass am Ende diejenigen, die von den Rettungsaktionen profitiert haben, auch dafür bezahlen. Darüber müssen wir uns in den nächsten Wochen und Monaten unterhalten. Da ist ein Schnellschuss nicht möglich. Vielmehr müssen wir uns darüber Gedanken machen, inwieweit wir den SoFFin dahin gehend weiterentwickeln können.
Entscheidend ist, dass Sie viel über die Symptome und zu wenig über die Ursachen der Krise sprechen. Die Ursache der Krise ist eine Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts. Um es einfacher zu sagen: Die Ursache der Krise ist das verstärkte Gelddrucken der Notenbanken und hier vorneweg der amerikanischen Fed.
- Ich will das auch mit Zahlen belegen. Zwischen 1998 und 2009 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt in Amerika - in Europa war es ähnlich - um rund 20 Prozent.
Die Geldmenge in Amerika ist im gleichen Zeitraum um 200 Prozent gestiegen. Das Kreditvolumen, das die Banken ausgereicht haben, ist in Amerika um 250 Prozent gewachsen. Im Euroraum sind die Zahlen, wie ich schon gesagt habe, nahezu identisch.
Die heutige Weltfinanzkrise ist eine Überschuldungskrise der Banken. Das Kernproblem besteht darin, dass im heutigen Geldsystem Kredite geschaffen werden, die nicht durch Ersparnisse gedeckt sind. Diese Politik des billigen Geldes hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Finanzwirtschaft sich von der Realwirtschaft abkoppeln konnte.
Nowendig ist deshalb eine marktwirtschaftliche Geldordnung, die gutes und werthaltiges Geld ermöglicht und Kredite, die nicht durch Ersparnisse gedeckt sind, also schlechtes Geld, verhindert.
In der modernen Ökonomik greift zunehmend die Erkenntnis Platz, dass billiges Geld, das nicht aus Ersparnissen besteht, zu Fehlinvestitionen führt, die Investitionsblasen entstehen lassen und am Ende Finanzkrisen verursachen.
Es ist auch nicht so, dass dies von niemandem erkannt wurde.
Schon vor der Weltwirtschaftskrise 1929 haben Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek dieses Phänomen beschrieben.
So war es auch in dieser Krise. Ökonomen haben vor der Politik des billigen Geldes gewarnt. So schwer es ist, wir müssen diese Politik des billigen Geldes beenden.
Ihr Vorschlag ist ein Ablenkungsmanöver und letztendlich der falsche Weg, weil es damit nicht an die Ursachen geht.
Wenn die von Ihnen gewünschte Steuer so richtig ist, wie Sie es beschrieben haben,
dann frage ich Sie: Wieso haben Sie die Finanztransaktionsteuer in den letzten elf Jahren im Deutschen Bundestag nicht durchgesetzt? Wenn es mit der Union nicht gegangen ist, hätten Sie es immerhin mit den Grünen umsetzen können. Sie haben es nicht gemacht. Sie haben kurz vor der Bundestagswahl die Kurve gekriegt und sind jetzt in der Opposition angekommen.
Herzlichen Glückwunsch!
Völlig absurd ist jedoch, dass Sie sich im Zweifel für einen nationalen Alleingang aussprechen und als besonderes Beispiel England, also Großbritannien, anführen. Wer sich mit der in Großbritannien eingeführten Stempelsteuer beschäftigt hat, weiß, dass damit zig Ausnahmen verbunden sind - nicht ohne Grund -:
Ausländische Wertpapiere werden nicht berücksichtigt; britische Staatsanleihen werden nicht berücksichtigt; neue Wertpapiere werden nicht berücksichtigt; Derivate werden nicht berücksichtigt.
Schweden hat 1984 die Börsenumsatzsteuer eingeführt. Eine Woche nach Einführung dieser Steuer ging der Handel mit Rentenpapieren um 85 Prozent zurück.
Das Handelsvolumen von Futures und Optionen sank um 98 Prozent. Das Handelsvolumen der wichtigsten schwedischen Wertpapiere ging in der gleichen Zeit um 50 Prozent zurück und hat sich nach England verlagert.
Dennoch wollen Sie eine solche Steuer bei uns einführen. Wenn Sie die Arbeitsplätze von 75 000 Menschen, die in Frankfurt im Bankbereich arbeiten, vernichten wollen, dann müssen Sie diese Steuer einseitig einführen, so wie es in zweien Ihrer Anträge gefordert wird.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie am Ende Ihrer Redezeit eine Zwischenfrage der Kollegin Hendricks?
Frank Schäffler (FDP):
Bitte schön.
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Herr Kollege Schäffler, Sie haben die Finanztransaktionsteuer eben als Ablenkungsmanöver bezeichnet. Sie haben jetzt gerade mit Ihren Worten wiederum deutlich gemacht, dass Sie die Finanztransaktionsteuer ablehnen. Ich bemühe mich seit Dezember, die Position der Bundesregierung zu diesem Vorhaben herauszufinden. Ich habe mehrere schriftliche Anfragen zu diesem Thema gestellt. Ich habe hier in einer Debatte im Dezember dazu gesprochen. Vor kurzem habe ich wiederum Fragen an die Bundesregierung gerichtet - Bundesminister Niebel war im Gespräch mit einem Vertreter der Weltbank nämlich auf einmal für eine solche Steuer, obwohl er vorher immer dagegen war -: Wie steht die Bundesregierung zur Einführung der Finanztransaktionsteuer? Haben es sich einzelne Mitglieder der Bundesregierung zur Übung gemacht, immer die Meinung desjenigen zu teilen, mit dem sie zuletzt gesprochen haben? Diesen Eindruck hatte ich jedenfalls bei Herrn Niebel. Eine Antwort auf meine Fragen habe ich vom Kollegen Koschyk bekommen. Er hat mich auf seine Rede verwiesen, die er hier am 17. Dezember 2009 gehalten hat;
darin sei die Position der Bundesregierung dargestellt.
Jetzt frage ich Sie, Kollege Schäffler - Sie sind schließlich Mitglied dieser Koalition -: Wollen Sie der Bundesregierung gerade hier ganz bewusst in den Rücken fallen?
Frank Schäffler (FDP):
Frau Kollegin Hendricks, Sie waren lange genug Mitglied der Bundesregierung
und wissen, dass es durchaus einen Unterschied zwischen Bundesregierung und Parlament gibt. Ich bin Parlamentsvertreter. Die Regierung sitzt dort auf der Bank.
Entscheidend ist in einer Koalition, was im Koalitionsvertrag steht. Für die christlich-liberale Koalition gilt - so steht es im Koalitionsvertrag -:
Was wir den Wählerinnen und Wählern vor der Bundestagswahl versprochen haben, gilt auch danach; Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung kommen für uns nicht infrage.
Deshalb bin ich ganz entspannt, was dieses Thema betrifft. Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir sind vielmehr angetreten, um in Deutschland Steuern zu senken. Wir wollen die Kleinsparer und die Kleinverdiener in Deutschland nicht mit zusätzlichen Steuern belasten. Sie wollen mit einer Transaktionsteuer - die etwas verkürzte mathematische Betrachtung von Herrn Troost lasse ich einmal außen vor - Kleinsparer abzocken. Das wollen wir nicht, und deshalb werden wir ein solches Ansinnen ablehnen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute seitens der Koalition erlebt haben, war nichts als Herumgeeiere.
Was ist die Position der Bundesregierung zur Finanzumsatzsteuer? Wir wissen es nach wie vor nicht.
Wie sinnvolle internationale Verhandlungen möglich sein sollen, wenn die Bundesregierung keine Ahnung hat, was ihre Position ist, das müssen Sie uns erst einmal erläutern.
Es geht hier um konkrete Maßnahmen. Der geschätzte Kollege Schäffler hat über die Währungsordnung philosophiert. Wenn die FDP politisch relevant ist, dann müssten die Börsen jetzt verrücktspielen, weil Sie gerade den Euro zur Disposition gestellt und ein wettbewerbliches Währungssystem vorgeschlagen haben. Ich glaube allerdings, dass die Börsen davon unbeeindruckt sind, weil die FDP in dieser Frage zum Glück irrelevant ist.
Aber es ist ja noch schlimmer. Sie sind völlig getrieben von den internationalen Entwicklungen. Was sind die eigenen Beiträge? Praktisch nichts. Erst musste der amerikanische Präsident Barack Obama auf die massiven Widerstände der Bankenlobby reagieren und verkünden: Ich packe den Stier bei den Hörnern und will etwas tun. Genau das passiert doch in den USA. Angesichts der Millionenspenden der Banken, die dazu dienen, sinnvolle Finanzregeln zu verhindern,
sagt die dortige Regierung: Wir werden uns nicht niederringen lassen, sondern wir vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger gegen diese Branche und sehen zu, dass sich wirklich etwas ändert.
Was passiert aber in der Bundesregierung? Hektisch aufgeschreckt davon, dass jetzt in den USA etwas passiert,
kündigt der Bundesfinanzminister an, wir werden eine Konferenz veranstalten
und daraufhin weitere Maßnahmen verkünden. Man ist nun ganz stolz darauf, dass es die Ankündigung gibt, dass ein Gesetzentwurf zum Thema ?Insolvenzrecht für Banken? erarbeitet werden soll. Meines Wissens hatten wir im Sommer schon zwei entsprechende Entwürfe vorliegen. Jetzt wird ein neuer angekündigt - ein großes Ereignis!
Man kann nun sagen: Wenigstens im nationalen Bereich wird Großartiges getan. - Ja, bevor noch irgendein konkretes Ergebnis des ersten Kreditklemmegipfels vom November letzten Jahres vorliegt, wird schon der zweite Kreditklemmegipfel für März angekündigt. Auch das ist irgendwie leer. Was tun Sie denn wirklich konkret?
Zur Bonus-Besteuerung sagen Sie: Es sei nicht Ihr Ansatz, so vorzugehen, wie wir es vorschlagen. Aber wie sieht denn Ihr Ansatz aus? Wir würden ihn gerne sehen.
Es macht mir richtig Sorgen, Herr Dautzenberg, dass sich diese Regierung auf dem zentralen Politikfeld der Finanzmarktpolitik treiben lässt und bisher nichts vorgelegt hat.
- Ja, Herr Dautzenberg, Sie wollen keinen Aktionismus. Außerdem haben Sie gesagt, die Opposition lege nur Vorschläge zu einzelnen Punkten vor.
Entschuldigung, das Wesen eines parlamentarischen Antrages ist häufig, dass man eine Idee aus einem Gesamtkonzept, das man verfolgt, in den Vordergrund stellt.
Schauen wir doch einmal in den Koalitionsvertrag, in dem Sie in einer umfassenden Sicht ganz systematisch zusammengeschrieben haben, was Sie vorhaben.
Da werden erst schöne Prinzipien genannt, und dann kommt der entscheidende Satz:
Dazu werden wir insbesondere folgende Maßnahmen ergreifen: ?
Dann schaut man, und dann schaut man, aber von Maßnahmen ist nicht die Rede.
Da stehen dann Aussagen wie:
? die Kreditwirtschaft muss sich ihrer Verantwortung als Finanzierungsgeber der deutschen Wirtschaft bewusst sein.
Eine sehr konkrete Maßnahme!
Weiter steht da:
Wir wollen verhindern, dass Staaten in Zukunft von systemrelevanten Instituten zu Rettungsmaßnahmen gezwungen werden können.
Aber wie wollen Sie es tun?
Deswegen würde ich sagen: Gehen Sie noch einmal auf ?Start?! Legen Sie uns einmal vor, welches Bild Sie aus der Ursachenanalyse gewonnen haben und welche Richtung in Bezug auf die Finanzmärkte eingeschlagen werden soll. Eines sage ich Ihnen für meine Partei ganz deutlich: Nur ein paar Regeln für den Finanzmarkt von gestern zu schrauben, damit es dann wieder wie vorher weitergehen kann, das darf es nicht geben, und das wird es mit uns nicht geben.
Konkret zur Finanzumsatzsteuer, zu der ja zwei Anträge vorliegen: Unsere Fraktion hat dazu ja schon in der letzten Legislaturperiode einen Antrag vorgelegt.
- Dass die damals nicht zustimmen konnte, hatte sicherlich etwas mit der CDU/CSU zu tun. Das will ich gar nicht anprangern.
Aber man kann Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, nicht durchgehen lassen, dass es dazu noch nicht einmal ein Gutachten aus dem Hause Steinbrück gab. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum es das nicht gab und man nicht einmal die entsprechende Idee vorangetrieben hat. Daran hätte Sie kein Koalitionspartner hindern können.
- Die Kollegin Wieczorek-Zeul hat etwas gemacht, aber nicht Herr Steinbrück. - Vielmehr hat Herr Steinbrück als Erbe in dieser Frage nur eine leere Schublade hinterlassen, und Sie müssen jetzt in der Opposition ziemlich bei Null anfangen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sieling?
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Selbstverständlich.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, bitte.
Dr. Carsten Sieling (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Dass wir nichts gemacht hätten, ist eines der Zerrbilder, die in diesen Debatten gerne gebracht werden. Kollege Troost nimmt den Steuervorschlag für die Linke in Anspruch. Darum will ich an dieser Stelle einmal sagen, dass auch das Argument des fehlenden Gutachtens nicht stimmt. Die SPD hat schon 1999 auf einem Bundesparteitag die Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf den internationalen Finanzmärkten gefordert und beschlossen. Eine solche Steuer ist schon damals geprüft worden.
Die Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat 2005 in ihrem Ministerium ein Gutachten dazu erstellen lassen, um das zu prüfen.
Bundeskanzler Schröder hat 2005 dafür geworben, zum Beispiel in Davos. Die Problematik war, dass dafür keine Mehrheiten zu finden waren,
übrigens auch, als wir gemeinsam in einer Koalition waren. Deshalb frage ich Sie: Worauf beziehen Sie das? Ich bitte Sie, diese Falschdarstellung zu beenden.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Sieling, ich habe sehr bewusst formuliert, wie Sie feststellen konnten, wenn Sie zugehört haben. Ja, die Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul hat damals ein Gutachten bei Herrn Spahn in Frankfurt in Auftrag gegeben, das den alten Gedanken der Tobin-Steuer in einer bestimmten Weise weiterentwickelt hat. Ihr heutiger Antrag hat allerdings mit dem damaligen Gutachten relativ wenig zu tun.
Vielmehr ist es ein anderes Konzept.
- Richtig. Aber genau diese Weiterentwicklung wurde im Hause Steinbrück nicht vorangetrieben. Das ist das, was ich kritisiert habe. Im Hause Steinbrück wurde - das ist das schwere Erbe, das Sie zu tragen haben - noch bis weit in die Finanzkrise hinein das alte Paradigma der Deregulierung und der Finanzmarktförderung im Interesse der Finanzindustrie und nicht der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vertreten. Das hat übrigens Herr Steinbrück mit einem Hauch von Selbstkritik im Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate auch eingeräumt.
Es ist ja richtig, in der Opposition jetzt einen Neustart zu machen. Aber Sie hätten wesentlich mehr tun können; dann hätten wir jetzt eine andere Grundlage. In Österreich hat die Große Koalition ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben, auf das wir uns jetzt beziehen können und das der Debatte weiterhilft. Aus dem Hause Steinbrück gab es so etwas nicht.
Ich will noch einmal zu dem zentralen Argument kommen, das viele FDP-Vertreter und auch Teile der Union immer wieder vorbringen, wenn es um die Finanzumsatzsteuer geht. Sie sagen, diese treffe den Kleinanleger.
Mit dieser Aussage schenken Sie den Leuten keinen reinen Wein ein, sondern machen ihnen etwas vor.
Schauen Sie sich doch einmal die Statistiken an. Wie sieht es bei der Altersvorsorge aus? Die Produkte, die bei den deutschen Lebensversicherern - im Wesentlichen die Kategorie, in denen ein Großteil der Altersvorsorge läuft; dazu gehören auch die Riester-Produkte - gewählt werden, bestehen zu unter 30 Prozent aus Pfandbriefen, zu etwa 18 Prozent aus Rentenfonds, aus ein paar Hypotheken, zu 10 Prozent aus Aktien und zu 26 Prozent aus Darlehen. Das sind fast alles Produkte mit einer sehr geringen Umschlaghäufigkeit. Auch Aktien können gerade in diesem Bereich sehr langfristig angelegt werden, sodass hier nur eine minimale Kostenbelastung entsteht.
Die wirklichen Umsätze im Finanzmarkt liegen in anderen Bereichen. Die Spot-Market-Umsätze im Bereich Aktien und Bonds machen genau 2 Prozent der Gesamtumsätze aus. Deswegen wird die Hauptbelastung dort entstehen, wo Futures, Optionen und andere Derivate zwischen institutionellen Anlegern hin und her gehandelt werden. Das wird den Kleinanleger nur in einer so minimalen Größenordnung belasten, dass es den positiven Aspekt auf jeden Fall nicht überkompensieren kann. Sagen Sie da endlich einmal die Wahrheit, nämlich dass Sie genau diese Elemente des Finanzmarktes nicht zur Kasse bitten wollen, obwohl von ihnen große Instabilitäten ausgehen! Das Argument, dass der Kleinanleger zahlt, ist falsch.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, der Herr Kollege Schäffler würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese? - Ja. - Bitte.
Frank Schäffler (FDP):
Herr Kollege Schick, die Rechnung, die Sie aufgestellt haben, kann ich nicht nachvollziehen.
Lebensversicherungssparer, Fondssparer oder auch Riester-Sparer sparen nicht nur einmal und lassen dann das Geld liegen, sondern sie sparen jeden Monat beispielsweise 50 oder 100 Euro.
Dieses Geld wird immer wieder neu angelegt. Wenn Sie von diesem Geld jedes Mal 0,05 Prozent wegnehmen, dann ergibt sich über den Zinseszinseffekt langfristig eine erheblich geringere Wertsteigerung. Das bayerische Finanzministerium hat zusammen mit dem damaligen Generalsekretär der CDU ausgerechnet,
dass ein Riester-Sparer, der langfristig über 20 Jahre anspart, am Ende 5 000 Euro weniger in der Tasche hat. Nehmen Sie das zur Kenntnis?
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich glaube, dass wir uns damit einmal intensiver auseinandersetzen müssen,
da Sie die wesentlichen Grundzüge, wie am Finanzmarkt angelegt wird, noch nicht zur Kenntnis genommen haben.
Wenn ich im Rahmen eines Fondssparplans jeden Monat etwas einzahle, dann heißt das nicht, dass jedes Mal alles umgeschlagen wird. Das entscheidende Problem, über das sich auch viele Anleger kritisch mit ihren Fonds auseinandersetzen, ist, dass in manchen Fonds zulasten der Anleger eine viel zu hohe Turn-over-Ratio herrscht, das heißt, dass viel zu häufig umgeschlagen wird.
Gerade das wollen wir dadurch korrigieren, dass wir den Anlegerschutz verbessern. Damit bleibt folgender Effekt: Über 90 Prozent der Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer werden aus den Bereichen der derivativen Geschäfte kommen,
die für die langfristige Anlage eine vernachlässigbare Rolle spielen.
Machen wir folgende Rechnung auf - auch Sie wissen, dass man als Finanzwissenschaftler sauber rechnen muss -:
Wenn Sie die Einnahmen nicht über eine Finanzumsatzsteuer erzielen, sondern über die allgemeine Umsatzsteuer - irgendwoher muss das Geld kommen, wenn wir Aufgaben finanzieren -, dann würden Sie den Normalbürger wesentlich mehr belasten. Unser Instrument der Finanzumsatzsteuer ist wesentlich gerechter als das, was Sie durch Kürzungen und Gebührenerhöhungen auslösen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Die Finanzumsatzsteuer wird die Gerechtigkeitssteuer sein.
- Herr Dautzenberg, wenn Sie eine Frage haben, dann richten Sie sie direkt an mich.
Ich will auf den Punkt zurückkommen, den Herr Dautzenberg zu Recht angesprochen hat. Wir brauchen ein Leitbild, wie die Finanzmärkte von morgen wirklich aussehen sollen, und wir müssen die verschiedenen Maßnahmen genau darauf abstimmen.
Ich höre aber von diesem Leitbild nichts.
Auch von der Regierung höre ich nur Diskussionen über Instrumente. Wollen Sie wirklich einen Finanzmarkt, in dem es weniger komplex zugeht? Wenn Sie das wollen, dann müssten Sie gerade einer Finanzumsatzsteuer zustimmen.
Wollen Sie einen Finanzmarkt, der weniger kurzfristig orientiert ist und auf dem nachhaltiges, langfristiges Handeln belohnt wird? Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie endlich etwas hinsichtlich der Boni tun. Dann müssten Sie hier zustimmen. Wollen Sie wirklich, dass in Zukunft die Banken kleiner sind, damit das Haftungskriterium wieder funktionieren kann und damit der Steuerzahler nicht gezwungen ist, große Banken retten zu müssen? Wenn dem so ist, dann müssten Sie als CDU sagen, dass wir das Instrument der Entflechtung brauchen, um gegebenenfalls große Banken entflechten zu können. Wenn Sie wirklich wollten, dass der Finanzmarkt in Zukunft wieder Dienstleistungen für die reale Wirtschaft erbringt, dann müssten Sie schauen, dass er in seiner Größe und Bedeutung ein wenig zurückgeht und wirklich wieder Investitionen in die Realwirtschaft im Vordergrund stehen und nicht das Hin- und Herschieben wie beispielsweise bei Carry Trades. Dann müssten Sie der Finanzumsatzsteuer zustimmen. Sie verweigern sich dieser Leitbilddiskussion, indem Sie alle möglichen Diskussionen führen und über die verschiedensten Instrumente bis hin zur Währungsordnung debattieren.
Sagen Sie, was Ihr Leitbild ist.
Sie werden erkennen: Wenn Sie am Finanzmarkt wirklich etwas ändern wollen, dann werden Sie genau die Vorschläge, die wir vortragen, in Zukunft auch zu den Ihren machen müssen, sonst geht alles so weiter wie bisher - aber mit uns nicht.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 20. Sitzung - wird am
Montag, den 01. Februar 2010,
auf der Website des Bundestages unter ?Dokumente & Recherche?, ?Protokolle?, ?Endgültige Plenarprotokolle? veröffentlicht.]