Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Auf Skepsis und Kritik stößt bei Sachverständigen das Konzept, über Arbeitsmigration aus ärmeren Ländern und über die damit verbundenen Geldüberweisungen in die Heimat die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Staaten voranzubringen. Zum Auftakt einer Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über europäische Migrationspolitik und Entwicklungszusammenarbeit warnten mehrere Experten zudem vor der Erwartung, über Entwicklungshilfe die Zuwanderung aus ärmeren Weltregionen verringern zu können.
Umstrittener Beitrag zur Armutsbekämpfung
Kritik wurde am Modell der "Zirkulären Migration" geäußert, wonach ein zeitlich begrenzter Aufenthalt von Arbeitskräften aus unterentwickelten Ländern den Finanz- und Wissenstransfer in die Staaten des Südens fördern soll. Unter Verweis auf das statistische Ausmaß der Arbeitsmigration meinte Jeff Dayton-Johnson vom Entwicklungszentrum der OECD, dass solche Wanderungsbewegungen nur in geringem Umfang zum ökonomischen Aufbau in ärmeren Regionen beizutragen vermögen. So stammten 57 Millionen und damit lediglich fünf Prozent der Bewohner in den OECD-Ländern aus anderen Staaten. Von diesen 57 Millionen komme wiederum die Hälfte aus dem OECD-Bereich. Die Arbeitsmigranten aus unterentwickelten Regionen zählten zudem überwiegend zu den Geringverdienern. Schon von daher könnten deren Einkünfte keinen großen Beitrag zur Armutsbekämpfung in den Herkunftsstaaten leisten. Dayton-Johnson erläuterte, dass auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und damit der Einkommenslage in ärmeren Ländern die dortige Auswanderungsbereitschaft nicht vermindere, sondern eher noch erhöhe. Eine Umkehr dieses Trends sei erst über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zu erwarten.
Fehler in der Migrationspolitik nicht wiederholen
Deutliche Kritik am Konzept der "Zirkulären Migration" formulierte Bernd Mesovic von der Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl: Es stelle sich die Frage, ob es bei diesem Modell einen Unterschied zur ehemaligen Gastarbeiter-Politik gebe. Sei die Strategie des zeitlich begrenzten Arbeitsaufenthalts von Zuwanderern mit einem Rückkehrzwang verbunden, "dann werden die alten Fehler wiederholt". Mesovic warnte vor der Verletzung von Bürgerrechten, wenn die "Zirkuläre Migration" zu repressiven Regelungen beim Familiennachzug führe. Der Pro-Asyl-Vertreter sieht die Gefahr, dass das Konzept eines temporären Aufenthalts zu Lasten von Flüchtlingen gehen könne: nämlich dann, wenn gegenüber diesem Personenkreis rigide verfahren und stattdessen die gesteuerte Arbeitswanderung zum Nutzen der Industriestaaten ausgebaut werde.
"Mobilitätspartnerschaften" durch Pilotprojekte
prüfen
Aus Sicht Steffen Angenendts von der Stiftung Wissenschaft und Politik wird die Migration in die EU-Staaten zunehmen. Diese Entwicklung wurzele im wachsenden Auswanderungsdruck in weniger entwickelten Regionen sowie im Interesse der EU-Länder an einer gewissen Zuwanderung aus demografischen Gründen und wegen eines absehbaren Mangels an Fachkräften in Teilbereichen der Wirtschaft. So wollten die Regierungen in den Nachbarstaaten der EU über Auswanderung ihre heimischen Arbeitsmärkte entlasten, auch setzten sie auf die Geldüberweisungen ihrer Arbeitsmigranten. Angenendt plädierte dafür, mit Pilotprojekten zu prüfen, welche Auswirkungen das Brüsseler Modell der "Mobilitätspartnerschaften" in der Praxis habe. Diese Strategie, die Nachbarländer der EU zu einer Eindämmung illegaler Migration anzuhalten und im Gegenzug für eine begrenzte Zahl von Zuwanderern bestimmte Kontingente für einen temporären Arbeitsaufenthalt zur Verfügung zu stellen, sei bislang noch nicht konkret ausformuliert worden.