Sachverständige äußerten sich in einer Anhörung des Umweltausschusses
Die Forderung, den durchschnittlichen Kohlendioxidausstoß bei Neufahrzeugen von 2012 an EU-weit auf 120 Gramm pro Kilometer festzusetzen, ist bei einer Anhörung des Umweltausschusses am 4. November auf geteiltes Echo gestoßen.
Grundlage der Expertenanhörung waren zwei Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ( 16/9105) und der Fraktion Die Linke. ( 16/9307) Im Dezember stehen Verhandlungen über eine europäische Verordnung zur Festsetzung von Emissionsnormen für Neufahrzeuge an. Um den Herstellern Planungssicherheit zu geben, fordern die beiden Fraktionen darin unter anderem, das Reduktionsziel für das Jahr 2020 auf 80 Gramm pro Kilometer festzusetzen.
Von Seiten der Forschung äußerte sich Professor Stefan Gies, Leiter des Instituts für Kraftfahrwesen an der Technischen Hochschule Aachen, skeptisch hinsichtlich des Zeitrahmens bis zum Jahr 2020: „Ich halte das Ziel für viele der deutschen Hersteller für nicht erreichbar“, sagte er und verwies darauf, dass der Verbrauch der Fahrzeuge aufgrund anderer Faktoren abweichen könne.
Wie andere Experten verwies auch Thomas Schlick, der Vertreter des Verbandes der Automobilindustrie, auf die Finanzkrise: „Wir brauchen eine realistische Kohlendioxid-Bewertung“, so der Geschäftsführer des Verbandes. Gleichzeitig sprach er sich gegen eine Strafabgabe beim Überschreiten von Grenzwerten aus. Hinsichtlich der Kritik an Fahrzeugen der Oberklasse erklärte er, dass „Premium und Klimaschutz kein Widerspruch“ seien – und die Oberklasse im Bereich von Forschung und Entwicklung einen wichtigen Innovationsträger darstelle. „Der Kunde ist nicht bereit, die Mehrkosten für Umweltschutz zu bezahlen“, so Schlick.
Gerd Lottsiepen erklärte, dass sein Verband, der Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Anträge unterstütze. Er schränkte jedoch ein, dass Strafzahlungen nicht, wie dies Die Linke. in ihrem Antrag fordert, für die Förderung von umwelt- und sozialgerechter Mobilität verwendet werden sollten. Es sei kein Ziel, Strafabgaben bei den Autoherstellern zu kassieren. Die Strafzahlungen sollten nach Auffassung des VCD vielmehr so hoch sein, dass „die Autohersteller ihre Fälligkeit verhindern“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbandes. Bisher habe die Autoindustrie jedoch jede Festsetzung von Grenzwerten bekämpft.
Jürgen Hacker vom Bundesverband Emissionshandel und Klimaschutz äußerte sich pessimistisch, dass mit den vorgeschlagenen technischen Standards die von der EU gesteckten Ziele zur Senkung der Kohlendioxidemissionen bis 2020 erreicht werden können. Das einzige umweltpolitische Instrument, das die Einhaltung absoluter Emissionsziele garantieren könne, sei ein System handelbarer Emissionsrechte, so Hacker. Er forderte in diesem Zusammenhang, die Erlöse aus Versteigerungen von Emissionszertifikaten an die Bürger auszuschütten, um auf diese Weise für einen sozialen Ausgleich zu sorgen.
Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) betonte, dass sein Verband die Anträge „im Grundsatz“ für gut befinde. Er wies allerdings darauf hin, dass der vorliegende Vorschlag bereits „durch die massive Einflussnahme der Automobillobby geprägt“ sei und die frühere Umweltministerin und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon vor zwölf Jahren einen Grenzwert für Pkw von 120 Gramm pro Kilometer ab 2005 gefordert habe. Er forderte zudem, die bestehenden Testverfahren nachzubessern und auch den Nebenverbrauch der Fahrzeuge zu berücksichtigen.
Werner Reh, Leiter Verkehrspolitik vom Bund für Naturschutz Deutschland, wies auch auf die sozialen Aspekte des Themas hin. „Das Zeitalter des billigen Öls ist vorbei“, warnte er. Ehrgeizige Klimaschutzziele seien die beste Industriepolitik und würden auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Bruttoinlandsprodukts leisten.