Bundestag beriet über Anträge der Oppositionsfraktionen
Auch knapp 19 Jahre nach der Vereinigung sind Ost- und Westrenten noch immer nicht angeglichen. Noch immer liegt die verfügbare Nettostandardrente im Osten unter der vergleichbaren Westrente - laut Bundesregierung aktuell bei 88,1 Prozent. Aus Sicht der Oppositionsfraktionen ein untragbarer Zustand. Sie haben Anträge zur Rentenanpassung vorgelegt, die der Bundestag am 4. Dezember beraten hat.
Die FDP-Fraktion macht sich für einen einheitlichen Rentenwert
in Ost und West zum 1. Juli 2010 stark (
16/9482). Von diesem Stichtag an sollten sich
alle Renten im Bundesgebiet entsprechend der Entwicklung des
einheitlichen Rentenwertes anpassen, verlangen die
Abgeordneten.
Nach ihren Vorstellungen muss vom Stichtag an jeder Euro Rentenbeitrag im ganzen Bundesgebiet den gleichen Rentenanspruch erbringen. Ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen kritisiert die FDP, dass die unterschiedlichen Rentenberechnungen bei Versicherten in Ost und West "zu Unzufriedenheit führen und gegenseitige Vorbehalte verstetigen" würden.
Und das nicht nur bei Ost-Rentnern. In den alten Bundesländern
sinke das Verständnis für die anhaltende Hochwertung der
Ost-Einkommen für die Rentenberechnung. Die Lohnhochrechnung
für Rentner im Osten, die angesichts niedriger Arbeitsentgelte
in der DDR und dem Anfang der neunziger Jahre noch niedrigen
Lohnniveau Nachteile bei der Rente wettmachen sollte, sei "aus
gesamtdeutscher Sicht nicht mehr gerecht". Schließlich
existierten auch in den alten Bundesländern strukturschwache
Regionen, für die keine Hochwertung der Einkommen erfolge, so
die Begründung von Bündnis 90/Die Grünen (
16/10375).
Auch die Linksfraktion sieht Anpassungsbedarf ( 16/6734). Sie verlangt von der Bundesregierung, bis Ende des Jahres einen Stufenplan vorzulegen, nach dem die Angleichung schnellstmöglich in mehreren Schritten zu realisieren sei. Die erste Stufe solle rückwirkend zum 1. Juli 2008 in Kraft treten und aus Steuermitteln finanziert werden.
Gegen das Votum aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag
auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (
16/8443) diesen Antrag der Linksfraktion
ab.
Aus Sicht der Bundesregierung ist die Vereinheitlichung der Rentensystematik ein "erstrebenswertes Ziel", um die innere Einheit Deutschland zu verwirklichen und gleiche Lebensbedingungen in Ost und West zu schaffen. Sie verweist aber darauf, dass eine sofortige oder stufenweise Angleichung der Ost- an die Westrenten, abgekoppelt von der Lohnentwicklung, die Rentenkasse zusätzlich mit rund 6 Milliarden Euro belasten würde. Dies entspräche einer Beitragssatzsteigerung um rund 0,6 Prozentpunkten und würde das Ziel, die Lohnnebenkosten zu stabilisieren, gefährden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete daher unlängst auch die Rentenangleichung als "komplexe Materie". Nach einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten der neuen Länder zerstreute sie zugleich Befürchtungen, es könnte bei der Angleichung zu Rentenkürzungen kommen.
"Niemand muss Sorge haben, weniger zu bekommen", sagte die
Kanzlerin. Die ostdeutschen Ministerpräsidenten hatten bei der
Gelegenheit vor einer zu schnellen Angleichung der Renten gewarnt.
Würde die Rentenberechnung sofort angepasst, "werden viele
schlechter dastehen als heute", sagte Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU).
So bleibt der Zeitpunkt der Angleichung wohl weiter unklar. Ministerpräsidenten und Kanzlerin beschlossen lediglich "gemeinsame Beratungen auf Bund-Länder-Ebene". Auch der Vorschlag im Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen, der eine "besitzstandswahrende Umbasierung" der für die Rentenberechung relevanten Größen zu einem bestimmten Stichtag vorsieht, lässt das Datum des Stichtags offen.