Bundestag änderte das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Als es vor einem Jahr um die Einführung eines Mindestlohns für Postzusteller ging, entbrannte noch ein heftiger Koalitionsstreit. Insbesondere aus der Unionsfraktion hagelte es Kritik an der Neuregelung. In diesem Jahr herrscht hingegen Einigkeit über die Aufnahme weiterer fünf Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Mit der Annahme zweier Gesetzentwürfe der Bundesregierung am Donnerstag, 22. Januar 2009, könnte der Streit um die Mindestlöhne sein vorläufiges Ende gefunden haben.
Ergebnis der namentlichen Abstimmung
Für das Wach- und Sicherheitsgewerbe, die Altenpflege, die
Abfallentsorger, die Textilreiniger und den Zweig der
Bergbau-Spezialarbeiten sowie für die Beschäftigten in
der Pflege gelten künftig Mindestsätze. Geregelt wird
dies, wie bisher auch, im Arbeitnehmer-Entsendegesetz (
16/10486).
Hauptausschuss soll festlegen
Da mit dem Entsendegesetz jedoch vor allem Bereiche mit hoher Tarifbindung erreicht würden, hatte die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf gesehen. Mit dem ebenfalls vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Änderung der Mindestarbeitsbedingungen ( 16/10485) kann nun auch in Branchen, in denen weniger als 50 Prozent der Beschäftigten an einen Tarifvertrag gebunden sind, ein Mindestarbeitslohn eingeführt werden.
Zur Festsetzung der Mindestarbeitsbedingungen soll ein
Hauptausschuss eingerichtet werden, der aus einem Vorsitzenden und
sechs weiteren Experten besteht, "die in der Lage sind, die
sozialen und ökonomischen Auswirkungen von
Mindestarbeitsentgelten einzuschätzen", heißt es im
Gesetz.
Nicht betroffen von der Neuregelung ist die Branche der Zeitarbeiter. Ihre Aufnahme in das Entsendegesetz war nicht konsensfähig in der Regierungskoalition. Nun soll ein anderer Weg beschritten werden: Das Bundeskabinett soll künftig über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Lohnuntergrenze einführen, mit der die Tarifautonomie gewahrt wird. Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren soll zügig auf den Weg gebracht werden.
Während die Koalitionspartner den Kompromiss lobten,
bewerteten ihn Arbeitnehmer wie auch Gewerkschaftenskeptisch. Die
gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (WSI) bezeichnete in
einer ersten Analyse den Kompromiss lediglich als eine
"Teillösung bei der dringend nötigen Bekämpfung von
Lohndumping und Niedriglöhnen auf dem Arbeitsmarkt". "Das
Problem, dass Millionen Menschen arm sind, obwohl sie arbeiten,
wurde nicht gelöst", kritisieren die WSI-Forscher.
"Zeitaufwendig und bürokratisch"
Auch die Modernisierung des Mindestarbeitsbedingungen-Gesetzes bietet nach Auffassung des WSI "keine effektive Lösung". Das geplante Verfahren sei sehr zeitaufwendig und bürokratisch und könne ähnlich wie in den bisherigen Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen durch die Arbeitgeberverbände in jedem Einzelfall blockiert werden.
Das Institut der deutschen Wirtschaft lehnt die Neuregelung
ebenfalls ab. "Wer diese Gesetze jetzt einfach durchzieht, stellt
Verteilungsfragen in den Vordergrund – in Zeiten, in denen es
erst recht um die Beschäftigungswirkung politischer
Entscheidungen gehen müsste", warnte Institutsdirektor Michael
Hüther.
Widerstand im Bundesrat
Mindestlöhne würden gerade Arbeitsplätze von Geringqualifizierten belasten, womit jene Stellen betroffen wären, die in Rezessionszeiten ohnehin am leichtesten gestrichen würden.
Nach der Verabschiedung im Bundestag am 22. Januar können die
Gesetze am 13. Februar 2009 dem Bundesrat vorgelegt werden. Dort
jedoch muss ebenfalls mit Widerstand gerechnet werden. In ihren
Stellungnahmen zu den Entwürfen hatte die Länderkammer
unter anderem eine "einheitliche Zuständigkeit für die
Überwachung der Mindestlöhne in Deutschland bei den
Zollbehörden" – und damit unter Aufsicht des Bundes
– verlangt.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen jene Mindestlöhne,
die auf dem Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz basieren, von den
Ländern überwacht werden.
Keine Mehrheit fand im Bundestag ein Antrag der Fraktion Die Linke
(16/1878), einen gesetzlichen Mindestlohn von
acht Euro pro Stunde einzuführen. Bei Enthaltung von
Bündnis 90/Die Grünen wurde er abgelehnt.