Kontroverse Debatte um FDP-Vorschlag zur Krankenversicherung
Seit dem 1. Januar 2009 ist der Gesundheitsfonds in Kraft, doch die FDP möchte ihn am liebsten sofort wieder abschaffen. Ihr Antrag „für ein einfaches, transparentes und leistungsgerechtes Gesundheitswesen“ ( 16/11879), der einen grundsätzlichen Systemwechsel zu einer rein privaten Krankenversicherung befürwortet, erntete jedoch in der fast zweistündigen Plenardebatte am Donnerstag, 12. Februar 2009, Kritik von allen Seiten.
Die Gesundheitspolitiker der verschiedenen Fraktionen
argumentierten einmütig und oft emotional für den Bestand
der gesetzlichen Krankenversicherung. „Das Herzstück
unseres Sozialstaats werden wir mit aller Kraft gegen solche
Pläne verteidigen“, sagte Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt (SPD).
Mit ihrer Vorlage hatten sich die Liberalen schon früh im Bereich Gesundheit für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf positioniert. So fordert die FDP, das Fünfte Sozialgesetzbuch, das die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) enthält, komplett zu überarbeiten.
Kern der geplanten Reform ist die Abschaffung der auf
Umlagefinanzierung basierenden GKV. Sie soll nach den Vorstellungen
der FDP künftig durch ein rein kapitalgedecktes System
privater Krankenkassen ersetzt werden.
„Einheitskassensystem“ zerstört
Wettbewerb
Die GKV habe sich durch die jüngste Reform des Gesundheitsfonds zu einem „Einheitskassensystem“ entwickelt, in dem kein wirklicher Wettbewerb mehr zwischen den Kassen um die bessere Versorgung und günstigere Tarife stattfinde“, sagte Daniel Bahr, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP.
Er forderte mehr Wahlfreiheit für die Patienten: Die
würden bisher einfach „in Schablonen
gepresst“.
Pläne sind „Angriff auf den
Sozialstaat“
Der Antrag der FDP erfuhr im Plenum breite Ablehnung. Besonders der Vorschlag zur Abschaffung der GKV stieß auf heftige Kritik. „Was Sie wollen“, sagte die Bundesgesundheitsministerin an die FDP gewandt, „ist Spitzenmedizin für Wohlabende und Armenversorgung fürs Volk.“ Gerade das Kostenerstattungssystem privater Krankenkassen könnten sich die meisten nicht leisten.
Die Umlagefinanzierung der gesetzlichen Versicherung zugunsten
einer Kapitaldeckung aufzugeben, bezeichnete Schmidt als
unverantwortlich: Die Finanzkrise habe gezeigt, dass dem
Kapitalmarkt nicht alles anzuvertrauen sei. „Kapitaldeckung
können wir im Gesundheitswesen nicht gebrauchen!“
Systemwechsel ist keine Lösung des Problems
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) gestand ein, dass der Gesundheitsfonds zwar noch an „Kinderkrankheiten“ leide, doch sei ein erneuter Wechsel keine Lösung, sondern erzeuge bei den Menschen nur noch mehr Verunsicherung.
Zudem lasse der FDP-Antrag wichtige Fragen unbeantwortet. So sei
völlig unklar, was der Katalog der geplanten Regelleistungen
überhaupt beinhalte. „Was ist denn das ‚wirklich
medizinisch Notwendige’? Sagen Sie uns das genau“,
forderte die Abgeordnete.
Beitragspauschale ist „asozial“
Die Kritik Frank Spieths konzentrierte sich vor allem auf den Vorschlag der FDP, die einkommensabhängigen Beiträge auf Pauschaltarife umzustellen. „Was bedeutet das denn für die mitversicherten Familienmitglieder?“, fragte der Abgeordnete der Linksfraktion.
Wenn für Ehepartner oder Kinder künftig eigene Pauschalen
gezahlt werden müssten, würde das doppelt so teuer wie
heute. „Das ist nicht nur unsozial sondern asozial“,
sagte Spieth.
Pauschaltarife führen zu Milliarden-Belastung für Staatshaushalt
Auch Birgitt Bender (Bündnis 90/ Die Grünen) kritisierte die Idee eines Pauschaltarifsystems scharf: Es nütze nur „Ärzten, Pharmafirmen und privaten Versicherungskonzernen“, schade aber den Patienten – und nicht zuletzt dem Staat.
Die Pläne der FDP erzeugten einen „gigantischen
Subventionsbedarf“, warnte die Politikerin, weil sich viele
so ihre Gesundheitsversorgung nicht mehr leisten könnten und
vom Staat unterstützt werden müssten. Angesichts 1,6
Billionen Staatsschulden in 50 Milliarden Euro Neuverschuldung
könne man nur sich nur fragen, ob die FDP den „Verstand
verloren habe“, sagte Bender.
Reaktionen der Krankenkassen und Ärzte
Zuvor hatten sich auch schon die Vertreter privater und gesetzlicher Krankenkassen sowie der Ärztekammer zu den Vorschlägen der FDP geäußert: Während der Sozialverband Deutschland diese „unseriös und unverantwortlich“ nannte, hatte der Verband der privaten Krankenkassen zustimmend reagiert: Den Versicherten brächte der Vorschlag der FDP „mehr Wahlfreiheit“
Auch die Bundesärztekammer lobte den Vorstoß der FDP.
Ein Neuanfang im Gesundheitswesen sei der „richtige
Ansatz“. Allerdings müsse das Konzept noch im Detail
betrachtet werden.
Nach der Debatte im Plenum wurde der Antrag an die zuständigen
Ausschüsse überwiesen.