Bundestagspräsident Norbert Lammert zur IPU-Konferenz in Addis Abeba
In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba treffen sich zwischen dem 5. und 10. April 2009 mehr als 1.000 Abgeordnete aus 154 Ländern zur 120. Jahrestagung der Interparlamentarischen Union (IPU). Die IPU wurde bereits 1889 gegründet, um einzelnen Parlamentariern aus unterschiedlichsten Ländern und Regionen eine neutrale Plattform für Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu bieten. Die Versammlung will sich in Addis Abeba vor allem mit der Rolle der Parlamente bei der Konsolidierung des Friedens und der Förderung von Demokratie sowie wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung in Krisenzeiten beschäftigen. Im Interview äußert sich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU), der die achtköpfige Bundestagsdelegation leitet, zu dem bevorstehenden Treffen.
Herr Präsident, Sie reisen am 5. April zur 120. Versammlung der Interparlamentarischen Union (IPU) nach Addis Abeba. Was bewirken diese jährlichen Treffen?
Bei der IPU handelt sich bekanntlich um kein Weltparlament, das verbindliche Beschlüsse oder gar Weltgesetze schaffen könnte. Andererseits schafft sie für Parlamentarier aus aller Welt vielfältige Gelegenheiten, sich kennenzulernen und auszutauschen. Allein das ist angesichts der Notwendigkeit, in immer mehr Politikbereichen internationale Lösungen zu finden, von großem Wert.
In Äthiopien soll auch über die Nichtverbreitung von
Kernwaffen und den Klimawandel diskutiert werden. Welche Rolle
spielen die Parlamente dabei?
Die Parlamente können Druck auf ihre Regierungen ausüben, um diese zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Und gerade bei globalen Themen ist es sinnvoll, wenn sich Parlamentarier untereinander austauschen. Das zeigt schon der Umstand, dass im Rahmen und am Rande von IPU-Versammlungen wiederholt Gespräche zwischen Parlamentariern aus Staaten geführt wurden, die auf Regierungsebene nicht mehr als absolute Funkstille pflegten.
In der IPU sitzen Parlamentarier aus 154 Ländern. Kann sie überhaupt konkrete Beschlüsse fassen?
Es gibt gemeinsam oder mit Mehrheit verabschiedete Dokumente, die allerdings keine rechtlich bindende Wirkung haben. Schon die Vielzahl der vertretenen Staaten sowie die oft großen Unterschiede zwischen ihren politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verfassungen zwingen zu Kompromissbereitschaft. Dass dies der Stringenz von Beschlüssen nicht immer zugute kommt, gilt auch für andere politische Gremien, gerade auch auf internationaler Ebene.
Was geschieht mit den Beschlüssen?
Der Bundestag wird durch die deutsche Delegation über die im Rahmen der IPU verabschiedeten Resolutionen unterrichtet. Gerade für die Entwicklung von Staaten mit weniger fortschrittlichen Demokratien, die ebenfalls in der IPU vertreten sind, dürften aber weniger die Beschlüsse von Bedeutung sein als die Begegnung mit Parlamentariern aus Staaten mit einer langjährigen demokratischen Tradition.
Die IPU gibt es seit 1889. Gibt es Überlegungen, sie zu
reformieren?
Ich halte manche Entwicklungen gerade mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse für nicht unproblematisch. Unabhängig davon: Überlegungen, die IPU zu reformieren, gibt es fast ebenso lange wie die IPU selbst. Der Umstand, dass die IPU immerhin bereits seit 120 Jahren existiert, ist ein wohl hinreichender Beleg dafür, dass man es durchaus vermocht hat, sie immer wieder an die jeweils bestehenden Bedürfnisse anzupassen.