Forschungsausschuss hörte Experten in einem öffentlichen Fachgespräch
Individualisierte Medizin darf nicht zu einem „Zwang zur Gesundheit“ führen. Das sagte Prof. Dr. Regine Kollek, Hochschullehrerin für Technikfolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin an der Universität Hamburg, am Mittwoch, 27. Mai 2009, in einem Expertengespräch zum Thema „Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem“.
Kollek wies bei der Diskussion über den gleichnamigen Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag (
16/12000) darauf hin, dass individualisierte
Medizin viel mehr Eigenverantwortung der Patienten verlange.
„Da entwickelt sich schnell ein Wunsch, ein Anspruch und dann
auch eine Pflicht zur Gesundheitsvorsorge.“
Auch die Schuldfrage spiele in diesem Zusammenhang eine Rolle: „Wenn Gesundheit die Folge eines Willens ist, dann liegt die Schuld bei den Kranken selber.“ Patienten müssten zudem die Potenziale der individualisierten Medizin kennen und die Diagnosen verstehen und umsetzen können. „Da sind Menschen mit einem höheren Bildungsstatus im Vorteil“, sagte Kollek.
Dr. Hagen Pfundner von der Roche
Pharma AG forderte, dass auch die Aus- und Weiterbildung der
Ärzte an die Möglichkeiten der individualisierten Medizin
angepasst werden müsse, um sie richtig nutzen zu
können.
Regine Kollek warnte vor den Konnotationen, die der Begriff individualisierte Medizin hervorrufe. Es gehe eben nicht in erster Linie um eine „Hinwendung zum Individuum“. Vielmehr sei mit individualisiert eine auf den Einzelnen ausgerichtete Arzneimedizin gemeint.
Das unterstrich auch der Heidelberger Medizinprofessor Dr.
Hugo Katus. „Individualisierte Medizin hat nichts
mit ganzheitlicher Behandlung zu tun“, sagte er.
Die Projektleiterin des TAB-Berichts, Dr. Bärbel Hüsing, sagte, dass bislang valide Aussagen über den konkreten Nutzen von individualisierter Medizin im Allgemeinen fehlten. Allerdings, so ergänzte Prof. Dr. Ivar Roots, Professor für Pharmakologie an der Charité in Berlin, bedeute individualisierte Medizin etwa in der Brustkrebsbehandlung einen Vorteil.
So sei ein bestimmtes Medikament für sieben Prozent der
Brustkrebspatientinnen nicht geeignet. „Wenn die Patientinnen
wissen, dass dieses Medikament ihnen nicht hilft, dann kann man
ihnen ein anderes verschreiben“, sagte Roots, „und sie
nehmen nicht das Falsche.“
Liste der geladenen Sachverständigen